Klimakongress 2014 – Rückblick
Unter dem Motto „Können wir die Erderwärmung noch begrenzen?“ stand der mittlerweile 8. Sächsische Klimakongress der GRÜNEN-Landtagsfraktion.
Gut 230 TeilnehmerInnen fanden sich am Samstag, 29. November 2014 ein, um in den sieben Foren zu ausgewählten Themen des Klimaschutzes Informationen zu sammeln und ins Gespräch zu kommen.
Der Kongress startete mit einführenden Worten des GRÜNEN-Fraktionsvorsitzenden Volkmar Zschocke. Er schlussfolgerte darin aus dem Bericht des Weltklimarates unter anderem: „Klimaschutz ist möglich. Klimaschutz ist machbar. Aktiver Klimaschutz ist nicht das Ende wirtschaftlicher Entwicklung, sondern der Anfang nachhaltigen Wirtschaftens!“ Mehr dazu in:
Im Eingangsvortrag zur Frage „Warum führen die klimawissenschaftlichen Erkenntnisse nicht zu wirksamer Klimaschutzpolitik?“ wandte sich Dr. Silke Beck vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung Leipzig gegen eine „Verwissenschaftlichung der Politik“. Die Wissenschaft könne wichtige Signale für den Klimaschutz setzen und Lösungsmöglichkeiten aufzeigen. „Die Wissenschaft kann Probleme identifizieren, lösen muss sie die Politik.“
An die Einführungsvorträge schlossen sich vier spannende, parallel stattfindende Foren an:
A1: Solidarische Ökonomie: Kooperation statt Konkurrenz!
Dieses Forum diskutierte einen gesellschaftlichen Wandel im Wirtschaften, bei dem Sinn statt nur Gewinn im Mittelpunkt steht. In dieser in Deutschland spürbar wachsenden Bewegung wurde die Chance gesehen, den Teufelskreis aus Ressourcenvernichtung und Klimazerstörung zu durchbrechen.
Solidarität motiviere den Menschen stärker als Konkurrenz. Das kann und sollte wirtschaftlich genutzt werden.
Die Gemüse-Kooperative „Rote Beete“ in Leipzig zeigt, dass diese Wirtschaftsweise keine Utopie ist. Mindestens 400 Personen im Umkreis Leipzig werden von den 180 Mitgliedern mit Bio-Gemüse versorgt. Produzent und Konsument verschmelzen. Die Landespolitik sollte solidarisches Wirtschaften – wie schon heute in Nordrhein-Westfalen – mit Förderprogrammen unterstützen.
A2: Klimamodelle, Prognosen, Statistik – wie gehen wir mit Unsicherheiten um?
In diesem Forum wurde deutlich, dass Klimamodelle nicht die gesamte Klimarealität abbilden können, sondern nur wahrscheinliche und unwahrscheinliche Entwicklungstendenzen herausgreifen. Das immer größere Verständnis für die Komplexität klimatischer Zusammenhänge führt aber dazu, dass Klimamodelle in ihren Aussagen immer belastbarer werden.
Ergebnisse von Klimamodellen finden in der praktischen Waldbewirtschaftung schon heute Niederschlag. Eigene Messungen und Beobachtungen vor Ort kompensieren dabei etwaige Unsicherheiten in den Aussagen von globaleren Klimamodellen. Denn Waldbau ist kein Prozess mehr, der sich an statischen Gegebenheiten orientiert, sondern fortlaufend an die Realitäten und wissenschaftlichen Erkenntnisse angepasst werden muss.
A3: Wie heizen wir in der Stadt der Zukunft?
Zur Frage, wie Sachsens Wärmeversorgung erneuerbar werden kann, hatte Prof. Clemens Felsmann (TU Dresden) im Auftrag der Landtagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eine Studie vorgelegt:
» Studie „Wärmeversorgung in Sachsen“ (Prof. Felsmann) [PDF]
In der Diskussion wurde deutlich, das die Umstellung der Wärmeversorgung in Sachsen auf erneuerbare Energien nur im Einklang mit der Erhöhung der Effizienz und Nutzung des Einsparpotentials möglich werden kann. Der bisher niedrige Anteil der erneuerbaren Energien im Wärmesektor könne vor allem durch veränderte politische Weichenstellung verbessert werden. Das vorhandene ingenieurtechnische Wissen sei dagegen weit gediehen und müsse nur angewendet werden.
Für die kommunale Planung ist die Erstellung kommunaler Wärmeatlanten ein wertvolles Instrument,
um energiepolitische Entscheidungen auf eine fundierte Grundlage zu stellen. Es sei viel mehr machbar als gedacht. Der Flaschenhals der Innovationen sei die Politik. Dies zu ändern, gehöre auf die politische Agenda.
A4: Sachsen auf dem Weg in eine nachhaltige Elektromobilität?
„Kann das Elektroauto Bestandteil der Energiewende sein?“ wurde in einem weiterem Forum diskutiert. Dabei wurde die Arbeit des „Schaufensters Elektromobilität Sachsen-Bayern“ kontrovers diskutiert. Dagegen stand die Forderung, die Widerstände zu überwinden und Elektromobilität „einfach zu machen“. So hat der Ingenieur Andre Laukner für sich und seine Firma in Schwarzenberg mit 20 Elektrofahrzeugen über 500.000 Kilometer zurückgelegt. Das Elektroauto müsse endlich die „Reichweitenangst“ und die Assoziation mit fehlender Freude am Fahren loswerden. Schuld daran seien die Fahrzeuge großer Konzerne, die nur Alibi-Funktionen zur Senkung des Flottenverbrauchs hätten. Doch egal wie, Voraussetzung für sinnhafte E-Mobilität ist die Herkunft des Stromes aus erneuerbaren Energien. Deutschlands Politik könne von seinen Nachbarn eine Menge lernen. Zudem könne das Elektroauto allenfalls ein Bestandteil einer modernen Mobilitätsstrategie sein. Zu ihr gehören auch ein funktionierender ÖPNV, Carsharing, Bürgerbusse u.v.m.
Es folgte eine Mittagspause, die nicht nur zur Stärkung, sondern auch ausgiebig für weitere Diskussionen genutzt wurde. Im Anschluss daran startete Runde 2 der Foren:
B1: Wie grün ist die Logistik der Zukunft?
Der Leiter des Bereiches Verkehrspolitik beim BUND-Bundesverband, Dr. Reh, machte deutlich, dass Klimaschutz und Güterverkehr eng miteinander verzahnt sind. Er appellierte an die Politik, dass diese den Verkehr signifikant von der Straße auf die Schiene verlagern müsse. Zudem sollten Gigaliner (Lang-Lkw) nicht eingeführt werden und auch die Verkehrsvermeidung sei eine Möglichkeit der Steuerung der Logistik der Zukunft. Zum Ende seines Vortrages stellte der promovierte Politikwissenschaftler den Zuhörerinnen und Zuhörern seine politischen Schlussfolgerungen und Forderungen vor: Sachsen benötige eine nachhaltige Gesamtkonzeption zur Mobilität – auch im Güterverkehr. Nachhaltige Nahrungs- und Futtermitteltransporte müssten hierbei ebenso berücksichtigt werden wie eine entfernungsabhängige Pkw- und Lkw-Maut auf allen sächsischen Straßen.
Alfons Wagener, Geschäftsführer Güterverkehrszentrums Südwestsachsen, präsentierte im Forum den Blick auf die Praxis der Logistikbranche im Freistaat Sachsen. Er ging der Frage nach, ob es in Sachsen möglich sei, mehr Güter auf die Schiene zu bringen. Er beschrieb zunächst die Rahmenbedingungen des Schienengüterverkehrs sowie vergangene Projekte. So machte er deutlich, dass der Transport von gewissen Gütern auf der Schiene nicht konkurrenzfähig zur Straße sei. Beispielsweise brauche ein Zug von Chemnitz bis Hamburg 100,5 Stunden, wohingegen ein Lkw nur 24 Stunden für die gleiche Distanz benötige. Im Zuge seiner Tätigkeit als Leiter der Westsächsischen Entwicklungs- und Beratungsgesellschaft Glauchau fasste er im Anschluss an diese Ist-Analyse die Ergebnisse einer kürzlich durchgeführten Befragung von Logistikunternehmen in Sachsen zusammen: Nur neun Prozent der befragten UnternehmerInnen nutzen demnach den Schienengüterverkehr für den Transport ihrer Güter. Das Erstaunliche darüber hinaus: nur 11 Prozent der Unternehmen haben Interesse an einem Transport der Güter auf der Schiene.
Im Anschluss an die beiden spannenden Eingangsreferate eröffnete Eva Jähnigen die Diskussion mit Nachfragen zur bisherigen Verkehrspolitik der CDU. Durch die starke Föderung des Lkw-Verkehrs der vergangenen Jahre, argumentierten einige Teilnehmer, sei es extrem schwierig, Unternehmen wieder von der Schiene als Verkehrsträger zu überzeugen. Zudem merkten einige Gäste des Logistik-Forums in der Debatte an, dass ab 2020 auch ein Mangel an Lkw-Fahrern zu erwarten sei. Neben einer intensiven Debatte zur von Dr. Reh geforderten Maut wurden auch die Verquickung von Klimaschutz und Logistik vielfältig diskutiert.
B2: Alles Greenwashing? Nachhaltigkeit als Verkaufsargument
Kaum ein Unternehmen kommt heute noch ohne Nachhaltigkeitsmanagement aus, weil das Thema in Öffentlichkeit, Politik und bei den Verbrauchern großgeschrieben wird. Schaut man genauer hin, findet Nachhaltigkeit häufig nur punktuell statt, beispielsweise bei der Energieeffizienz in der Produktion. Bei den eigentlichen Geschäftsmodellen spielt Nachhaltigkeit selten eine zentrale Rolle. Aber nicht alles ist Greenwashing. In den verschiedenen Branchen gibt es durchaus positive Beispiele, etwa die e-Mobility- und Car-Sharing-Angebote von BMW.
Im internationalen Vergleich ist Deutschland nicht Weltmeister, sondern mittlerer Durchschnitt darin, Nachhaltigkeit ökonomisch erfolgreich zu nutzen. Der Rückstand hat auch strukturelle Ursachen. So ist Nachhaltigkeit kaum in zentralen Produkt- und Controllingabteilungen angesiedelt und in der Ausbildung für Wirtschaftsberufe höchstens ein Randthema.
Es wurde diskutiert, wie die Wirkung von Nachhaltigkeitsberichten verbessert werden kann, etwa durch EU-weite Verpflichtungen. Denn diese sind bislang noch wenig aussagekräftig und vergleichbar. Außerdem wurden Anreizsysteme genannt, mit denen Kleinunternehmen dabei unterstützt werden könnten, als Nachhaltigkeitspioniere neue Geschäftsmodelle zu entwickeln.
Kontrovers wurde der Zusammenhang von Wachstumsorientierung und Nachhaltigkeit diskutiert. Während einerseits ein ökologisches Wachstum durch ein Umsteuern auch der Großunternehmen entstehen könne, ließe sich andererseits ein verantwortungsvoller Umgang mit verfügbaren Ressourcen nur durch einen Verzicht auf Wachstum erreichen.
B3: Klimagerechte Stadtentwicklung und Denkmalschutz – ein Widerspruch?
Dr. Ralf-Peter Pinkwart, Gebietsreferent im Landesamt für Denkmalschutz Sachsen brach eingangs eine Lanze für den gemeinsamen Geist von Denkmalschutz und Klimaschutz. Beide sind dem Gemeinwohl und der Verbesserung der Lebensqualität verpflichtet, auf Wertebewahrung und Ressourcenschonung gerichtet. Die Bestrebungen der Energiewende sind dabei ökologischer, diejenigen des Denkmalschutzes vorrangig kultureller Natur.
Zwar verwies er auf die Ausnahmeklausel für Denkmale bei der Energieeinsparverordnung, forderte aber auch bei Denkmalpflegern die Bereitschaft ein, sich nicht allein formal darauf zurückzuziehen:
Im Interesse der Baudenkmale ist eine maßvolle Ertüchtigung in den meisten Fällen sogar nachdrücklich zu empfehlen. Weil auch diese zu einer Aufwertung des Baudenkmals führt, dessen Wert sich nicht allein über den Denkmalwert definiert, sondern auch den Nutzwert mit einschließt.
Olaf Reiter, Architekt und Energieberater, Leiter des Arbeitskreises Ökologisches und nachhaltiges Bauen in der Architektenkammer Sachsen veranschaulichte denkmalgerechte Maßnahmen energetischer Sanierung aus der Sicht eines freien Architekten und Energieberaters. Als Beispiel wählte er die Sanierung einer denkmalgeschützten Schule in Rechenberg.
In der anschließenden Diskussion wurde deutlich, dass es angesichts der Fülle an Maßnahmenbündeln auf eine qualifizierte Beratung und Verhandlung im Einzelfall ankommt, um den verschiedenen Interessen gerecht zu werden.
So kann häufig ohne Risiken für den kulturhistorischen Wert eines Gebäudes die Hälfte der Energiekosten eingespart werden. Auch Photovoltaikanlagen lassen sich in einigen Fällen durchaus ohne Schaden integrieren. Angenehmerweise war die Kluft zwischen Denkmalschutz und Klimaschutz deutlich geringer als noch vor einigen Jahren.
Gegen 17 Uhr ging ein erfolgreicher Kongresstag zu Ende. Bei Kaffee oder Tee und Kuchen sowie reichlich Gesprächsstoff zu den in den Foren diskutierten Themen ließen die TeilnehmerInnen und ReferentInnen den interessanten Tag rund um Klimaschutz, Mobilität, Energie und Wirtschaft ausklingen.
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