Rückzug aus europäischen Forschungspartnerschaften: Staatsregierung gefährdet Forschungsstandort Sachsen
Die sächsische Staatsregierung hat einem Großteil der 2024 auf Grundlage der Förderrichtlinie EuProNet beantragten Forschungsprojekte die Kofinanzierung versagt. Das geht aus der Antwort des Wissenschaftsministeriums auf eine Kleine Anfrage (Drs 8/1713) der BÜNDNISGRÜNEN-Abgeordneten Dr. Claudia Maicher hervor.
Dazu erklärt Maicher, Sprecherin für Hochschule und Wissenschaft der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Sächsischen Landtag:
„Die Rücknahme bereits zugesagter Gelder ist ein krasser Vertrauensbruch. Ganze Forschungsbereiche werden von europäischen Partnerschaften abgeschnitten. Da mehrere Millionen Euro vorhandene Haushaltsmittel liegen gelassen wurden, können europäische Forschungsgelder in erheblichem Umfang in Sachsen nicht genutzt werden. Damit verlieren wir als Forschungsstandort wertvolle Wettbewerbsvorteile und riskieren Vertrauensverluste gegenüber dem Forschungsland Sachsen. Es ist mir ein Rätsel, wie dieses Ausbremsen der Innovationskraft unserer Hochschulen und Forschungseinrichtungen mit der sächsischen Innovationsstrategie vereinbar sein soll.“
„Zugleich scheint die Staatsregierung hier einen Anti-Nachhaltigkeits-Kurs zu verfolgen. Ohne Ausnahme werden Projekte in den Partnerschaften für Materialwissenschaften und Batterietechnologien (M-ERA.Net) und Energieforschung (CETPartnership) über Bord geworfen. Gerade in diesen Bereichen wird an Lösungen für nachhaltige Entwicklungsziele und Klimaneutralität gearbeitet.“
Außerdem kritisiert Maicher: „Offenbar wollte das Wissenschaftsministerium noch vor dem Doppelhaushalt 2025/26 Fakten schaffen und einen weitergehenden Rückzug aus der europäischen Forschung vorbereiten. Denn die Hoffnungen von Staatsminister Gemkow, die Hochschulen könnten künftig selbst Kofinanzierungsmittel aufbringen, liegen fernab der Realität. Ich fordere die Staatsregierung deshalb auf, genügend Mittel für die Förderrichtlinie EuProNet bereitzustellen. Nur so erhalten sächsische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gute Chancen bei Ausschreibungen von EU-Förderprogrammen, über die sie sich sichtbar in Forschungs- und Innovationsnetzwerke einbringen können.“
Weitere Informationen:
- Laut Staatsregierung erhielten vier Projekte im Bereich personalisierte Medizin (EP PerMed) nach der 2024er Ausschreibung eine Bewilligung auf Grundlage der RL EuProNet. Projekte in den Bereichen Materialwissenschaften (M-ERA.Net) sowie Energieforschung (CETPartnership) gehen dagegen vollständig leer aus. Welche Projekte und Partner das betrifft, verschweigt das Ministerium und damit auch den Umfang der entgangenen europäischen Förderung.
- Mit ca. 1,8 Millionen Euro wird somit nur ein kleiner Bruchteil der ca. 15 Millionen Euro ausgegeben, die noch aus dem Haushalt 2023/24 (EP 12 Kapitel 03 Titelgruppe 52) für die Finanzierung europäisch geförderter Förderprojekte in den nächsten Jahren zur Verfügung standen. Die abgesagten Förderungen dürften sich auf einen mittleren einstelligen Millionenbetrag belaufen.
- Bereits zu Beginn des komplexen Antragsverfahrens werden von allen Fördermittelgebern, darunter der Freistaat Sachsen, Mittel für einzelne Projekte in Aussicht gestellt, ohne dass damit bereits eine rechtsverbindliche Bewilligung vorliegt. Wird eine solche Zusage im weiteren Bewertungsverfahren zurückgezogen, scheitert das gemeinsame Projekt als Ganzes.
- Das Umlenken von Projektanträgen in M-ERA.Net und CETPartnership auf die EFRE/JTF-Technologieförderung ist kein adäquater Ersatz. Denn diese Förderung greift nur teilweise und wenn, dann unter deutlich erschwerten Bedingungen. So muss in kürzester Zeit ein KMU gefunden werden, das statt einer Hochschule mit einem sechsstelligen Eigenanteil einspringt. Die Gesamtfördermittel für ein Projekt wären in der Regel jedoch stark reduziert. Auch die Projektlaufzeit wäre entsprechend der EFRE-Laufzeit verkürzt und Projekte müssten wesentlich früher als ihre europäischen Verbundprojekte abgeschlossen werden.
- Gegenüber der Deutschen Presseagentur deutete Wissenschaftsminister Gemkow am 12. März an, dass die Staatsregierung Fördermittel des Bundes und der EU nicht mehr vollständig kofinanzieren will und die Hochschulen „aus eigener Kraft“, etwa aus Rücklagen oder anderweitig veranschlagten Mitteln, Projekte finanzieren sollen. Dies sei aber noch Gegenstand interner Diskussionen.