Sachsen braucht ein Biotopverbundnetz, das diesen Namen auch verdient
(2019-04) „Das Jahr 2019 muss zum sächsischen Jahr der Lebensraumvernetzung werden!“ Mit diesem Appell wendet sich Wolfram Günther, Vorsitzender der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Sächsischen Landtag, an Umweltminister Thomas Schmidt (CDU). „Wir haben keine weitere Zeit zu verlieren, um das dramatische Artensterben endlich aufzuhalten.“
„Das dramatische Artensterben heimischer Tier- und Pflanzenarten schreit danach, dass auch in Sachsen endlich gehandelt wird. Seit dem Jahr 2011 läuft die UN-Dekade für biologische Vielfalt. Ihr Ziel ist es, den Artenrückgang bis zum Jahr 2020 zu stoppen. Im Bundesnaturschutzgesetz wurde bereits 2002 festgelegt, dass die Bundesländer hochwertige Gebiete für ein Biotopverbundnetz sichern und entwickeln. Auch die Bundesregierung hat mehrfach erklärt, dass das Artensterben bis 2020 aufgehalten werden müsse. Doch in dieser Zeit haben die Umweltminister in Sachsen nichts mit strategischem Ansatz vorangebracht. Ein wesentlicher Schritt, das dramatische Artensterben noch aufzuhalten, bestünde in der Entwicklung eines fachlich klugen Biotopverbundnetzes, das diesen Namen auch verdient“, erklärt Günther.
„Dabei hat das Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie schon Gebietskulissen für ein solches Biotopverbundnetz erarbeitet. Umweltminister Schmidt ist zu verdanken, dass diese Pläne bis heute in den Schubladen liegen“, kritisiert der Fraktionsvorsitzende das Nichthandeln des Umweltministeriums. „Wenn Umweltminister jetzt nicht aktiv wird, wird Sachsen alle Ziele der Nationalen Biodiversitätsstrategie und die völkerrechtlich vereinbarten Ziele der Biodiversitätskonvention, bis zum Jahr 2020 das Artensterben zu stoppen, meilenweit verfehlen“, erläutert Günther die in Deutschland gefassten Ziele.
„Neue Straßenschneisen und Baugebiete sowie hohe Stickstoffgehalte und Pestizideinsatz in der Landwirtschaft nehmen den Arten nicht nur den Lebensraum, sondern verhindern auch den wichtigen genetischen Austausch. Deshalb brauchen wir einen sachsenweiten Biotopverbund, der ein Netz an hochwertigen Flächen für die Artenvielfalt über den ganzen Freistaat spannt und vorhandene Schutzgebiete über Verbundachsen verknüpft. In Sachsen benötigen wir vor allem deutlich mehr Wanderkorridore und Trittsteinbiotope, die diese Kernlebensräume vernetzen, und so die fehlenden Linien und Knoten im Biotopverbundnetz ergänzen. In all den Jahren der UN-Dekade für biologische Vielfalt hat es keinerlei Entwicklung und Kontrolle solcher Wanderkorridore und Trittsteinbiotope gegeben. Im Freistaat steht ein Biotopverbund auf dem Papier, existiert aber nicht in der Wirklichkeit“, bemängelt der GRÜNEN-Fraktionsvorsitzende die heutigen Fehlstellen in der Umsetzung.
Durch Wanderkorridore für spezifische Arten, Trittsteinbiotope zwischen mehreren Schutzgebieten und Wildtierkorridore unter oder über Autobahnen und Bundesstraßen hinweg kann beispielsweise ein Biotopverbundnetz flächenmäßig wachsen. Gerade in den stark besiedelten Regionen und fragmentierten Landschaften Sachsens ist die Umsetzung und Kontrolle eines hochwertigen Biotopverbundnetzes für das Abbremsen des Artensterbens von entscheidender Bedeutung.
Mehr Informationen:
>> Die UN-Dekade biologische Vielfalt 2011 bis 2020
Hintergrund:
Mit dem derzeitigen Schutzgebietssystem können nur etwa 30 bis 40 Prozent der heimischen Arten in überlebensfähigen Populationen erhalten werden. Um das Überleben eines wesentlichen Teils der heimischen Fauna und Flora in Sachsen zu ermöglichen, müssen auch außerhalb von Schutzgebieten in der überwiegend land- und forstwirtschaftlich geprägten Kulturlandschaft geeignete Lebensbedingungen für jeweils ausgewählten Arten geschaffen werden. Dies umfasst vor allem die Herstellung der Voraussetzungen für die Ausbreitung und Wanderung der Arten. Ein wesentlicher Bestandteil hierfür sind durchgängige Wildtierkorridore, die bislang durch Autobahnen, größere Bundesstraßen und Siedlungen oder große, einheitlich genutzte Agrarflächen unterbrochen sind. Mit dem Aufbau eines hochwertigen Biotopverbundnetzes, welches laufend erweitert und fortentwickelt wird, können die Überlebenschancen der heimischen Tier- und Pflanzenarten in Sachsen deutlich erhöht werden. Zum Biotopverbund gehören Großschutzgebiete, wie FFH-Gebiete oder Naturschutzgebiete als Kernrefugien, die durch sogenannten „Trittsteinbiotope“ verschiedenster Biotoptypen miteinander vernetzt werden.