Für beschleunigte Gerichtsverfahren braucht es ausreichend Personal bei Polizei und Justiz
(2018-232) Zur Ankündigung des Sächsischen Justizministers Sebastian Gemkow (CDU), die Strafverfolgung in Sachsen beschleunigen zu wollen, erklärt Katja Meier, rechtspolitische Sprecherin der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Sächsischen Landtag:
„Das Bemühen um Verfahrensbeschleunigung und -effektivierung droht zu Lasten der rechtsstaatlichen Verfahrensrechte der Beschuldigten zu gehen. Doch die Staatsanwaltschaften haben auch die Pflicht, zugunsten der Tatverdächtigen zu ermitteln. Es ist fraglich, ob das auch noch im angemessenen Maße geschieht, wenn der Sachverhalt klar und ein beschleunigtes Verfahren angezeigt erscheint. Die Belehrung der Beschuldigten über ihre Rechte im Ermittlungsverfahren gewinnt hier erheblich an Bedeutung.“
„Die Pläne des Justizministers, die Vernetzung zwischen Polizei, Staatsanwaltschaften und Gerichten zu stärken, gehen in die richtige Richtung. Bundesweit ist Sachsen bei der Durchführung sog. beschleunigter Verfahren nach Paragraf 417 der Strafprozessordnung schon lange absolutes Schlusslicht. Die Geschehnisse in Chemnitz veranlassen nun die sächsische Justiz offenbar dazu, einen tieferen Blick in die Strafprozessordnung zu werfen.“
„Alle Hinweise zu beschleunigten Ermittlungen und Gerichtsverfahren nutzen allerdings nichts, wenn die Polizeidirektionen und Staatsanwaltschaften nicht entsprechend personell ausgestattet sind. Schnelle Ermittlungen, wie z.B. sofortige Beweisaufnahmen und Vernehmungen, binden Kräfte, die anderen Stellen fehlen. Der auch von Justizminister Gemkow angekündigte Stellenaufwuchs bei den Staatsanwaltschaften, aber noch mehr bei der Polizei ist unumgänglich.“
Hintergrund:
Im Jahr 2017 erledigten die sächsischen Strafgerichte über 35.000 Verfahren. Weniger als zwanzigmal stellten die Staatsanwaltschaften bei Anklageerhebung einen Antrag auf Durchführung eines beschleunigten Verfahrens. Das entspricht einer Quote von weniger als 0,06 Prozent. Der Bundesdurchschnitt liegt bei etwa 2 Prozent.
Quelle: Destatis – Bundesstatistik Strafgerichte 2017 vom 24.07.2018, Seite 27.
Siehe auch: Statistisches Landesamt Sachsen – Organisation, Personal und Geschäftsanfall bei den Gerichten und Staatsanwaltschaften im Freistaat Sachsen 2016, vom September 2017