Datum: 06. Juli 2015

Bei Akw Temelin tritt Strahlung aus – GRÜNE: Trotz geringer Kontamination nicht zur Tagesordnung übergehen

(2015-233) Die unerwartete radioaktive Kontamination außerhalb des Kernkraftwerkes Temelin wurde durch den Betreiber, den tschechischen Energieversorger CEZ, umgehend mit Verweis auf die nur geringfügig erhöhten Strahlenwerte relativiert.
Dazu erklärt der energiepolitische Sprecher der GRÜNEN-Landtagsfraktion, Dr. Gerd Lippold:
"Die im Block 2 des Kernkraftwerks Temelin ausgetretene Radioaktivität stammt offensichtlich aus dem Primärkreis des Druckwasserreaktors. Bereits 2013 hatte ein Gutachten den unprofessionellen Umgang mit sicherheitsrelevanten Schweißnähten am Primärkreis des baugleichen Blocks Temelin 1 offenbart."
"Dass nun im Block 2 des Kernkraftwerks Temelin ein Leck im Primärkreislauf entstanden ist, muss aufhorchen lassen. Ein Problem von Druckwasserreaktoren ist, dass die hohe Strahlung im Primärkreis den Stahl mit der Zeit spröde werden lässt. Dieser muss dauerhaft Stabilität gegen den Druck von bis zu 160 bar bei 300°C garantieren. Der relativ neue, nun undichte Block 2 ist aber erst 2003 in Betrieb gegangen. Sein Betreiber, der tschechische Energieversorger CEZ, will den Block erst nach 2043 stilllegen. Wenn bereits nach zwölf Jahren Materialprobleme auftreten, wie soll dann der Schutz der Bevölkerung in den nächsten 30 Jahren gewährleistet werden?"
"Es wäre fahrlässig, angesichts der nur geringen radioaktiven Kontamination im Außenbereich zur Tagesordnung überzugehen. Die Tatsache an sich, dass ein gerade zwölf Jahre alter Druckreaktorblock russischer Bauart überhaupt Undichtigkeiten im Primärkreis entwickelt, muss Anlass für eine umfassende Sicherheitsüberprüfung des gesamten Kernkraftwerkes sein."
"Erst im vergangenen Monat hat die tschechische Regierung in ihrer nationalen Energiestrategie der Kernenergie einschließlich Neubau von Kernkraftwerken eine wichtige Rolle zugewiesen, auch wenn sie zugeben musste, dafür derzeit keine Finanzierbarkeit zu sehen. Angesichts der Tatsache, dass selbst die existierenden Kernkraftwerksblöcke bereits ein unkalkulierbares Risiko für Bevölkerung, Energieversorgung und Staatsfinanzen darstellen, ist hier ein Umdenken angesagt."
"Das Versprechen einer sicheren Stromversorgung konnten die Blöcke Temelin 1 und 2 bereits in der Vergangenheit nicht erfüllen. Block 1 kam über seine gesamte Betriebszeit auf eine Volllaststunden-Verfügbarkeit von weniger als 65 Prozent, Block 2 auf weniger als 80 Prozent. Nicht solche unsicheren Großkraftwerke, sondern die dezentrale Erzeugung unter Nutzung Erneuerbarer Energien sichern in einer zukunftsfähigen Energiewirtschaft die ständige Verfügbarkeit für Bevölkerung und Industrie."
"Die offensichtlich überholte und auch für Tschechien hoch riskante Energiestrategie hat leider unmittelbaren Bezug zur energiepolitischen Realitätsverweigerung des sächsischen Ministerpräsidenten Stanislaw Tillich und seiner Koalition. Er hofft darauf, dass der Betreiber der tschechischen Kernkraftwerke, CEZ, als Nachfolger von Vattenfall zur Verfügung steht, um künftig als Eigentümer und Betreiber sächsischer Braunkohletagebaue und Kraftwerke auch hierzulande möglichst lange einen Kohlekurs gegen die Energiewende zu unterstützen. Die Menschen in Sachsen sollten sehr genau hinschauen, wem die Staatsregierung die Zukunft ihrer Energieversorgung in die Hände geben möchte, um ihre eigene, hoffnungslose Kohlestrategie auf Kosten des Klimaschutzes und nachhaltiger Zukunftsperspektiven der Menschen in den betroffenen Regionen noch ein paar Jahre zu retten."

» Gutachterliche Kurzstellungsnahme: "Mögliche Schwachstellen im Primärkreislauf des tschechischen Atomkraftwerks Temelin 1" (2013)