Datum: 01. November 2010

PM 2010-318: GRÜNE rufen EU-Kommission wegen Verstoßes des Umweltministeriums gegen die FFH-Richtlinie an

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Sächsischen Landtag hat über die Fraktionsvorsitzende der GRÜNEN im Europaparlament, Rebecca Harms, die EU-Kommission gebeten, den Erlass des sächsischen Umweltministers Frank Kupfer ‚Beseitigung von Gefahren für Hochwasserschutzdeiche durch Bäume und Sträucher‘ wegen des Verstoßes gegen die Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (FFH-Richtlinie) zu prüfen.
"Ich halte den Erlass in mehreren Punkten für rechtswidrig", so Gisela Kallenbach, umweltpolitische Sprecherin der GRÜNEN-Fraktion. "Bäume und Sträucher am Flussufer und auf Deichen sind sehr häufig Bestandteil europäisch geschützter Biotope. Wenn sie gefällt werden sollen, muss zuvor eine entsprechende Alternativprüfung vorgenommen werden. Darin sind auch vom Ist-Zustand abweichende Deichführungen zu untersuchen. Da dies laut Erlass nicht geplant ist, wird gegen die FFH-Richtlinie verstoßen."
Kallenbach hofft binnen zwei Wochen auf eine kritische Reaktion von EU-Umweltkommissar Janez Potočnik. "Der Engstirnigkeit des Ministers dürfen nicht 100.000 Bäume und Sträucher auf Deichen und in Flussauen zum Opfer fallen."
Am 11. Oktober forderte das Ministerium per Durchführungserlass zum «zügigen Vollzug» auf. So seien «Baumfällungen konsequent voranzubringen». Umwelt- und Naturschutzbehörden, die bei Fällungen naturschutzrechtliche Hindernisse sehen, sollen jeden Einzelfall schriftlich begründen.
In Zittau regt sich Widerstand. Oberbürgermeister Arnd Voigt kämpft um seine Bäume: Nicht ein Deich sei bei den letzten zwei Hochwasserereignissen durch einen Baum geschädigt worden, betonte er in der Sächsischen Zeitung (Ausgabe Zittau vom 23.10.). In Zittau sollen über 1.000 auf Deichen stehende Bäume gefällt werden.
"Der Umweltminister geht holzschnittartig von der Annahme aus, dass Bäume auf Deichen immer ein Schadensrisiko bedeuten", kritisiert Kallenbach. "Doch beim Sommerhochwasser 2010 ist z.B. in Sagar (Lkr. Görlitz) an der Neiße der Deich an einer Stelle gebrochen, die nicht bepflanzt war. An den mit Bäumen bewachsenen Teilen hat er hingegen standgehalten."
"Weder ist Deich gleich Deich, noch Baum gleich Baum", ruft Kallenbach  
zur Differenzierung auf. "Bäume können je nach Baumart, Wurzelwerk oder Standort Deiche festigen oder schädigen."
Bereits nach dem Hochwasser 2002 war es in Sachsen traurige Realität, dass Deichgehölze ohne genaue Betrachtung des Einzelfalls gefällt wurden. » Brief der Europaabgeordneten Rebecca Harms an Umweltkommissar Janez Potočnik (PDF) » Erlass ‚Beseitigung von Gefahren für Hochwasserschutzdeiche durch Bäume und Sträucher‘ (PDF) » Durchführungserlass des Umweltministeriums vom 11. Oktober (PDF) » Sächsische Zeitung Zittau vom 23.10. (PDF)