PM 2009-235: ‚Aufbruch für den Umweltschutz‘ – GRÜNE: Jetzt neuen Umweltschäden genauso viel Aufmerksamkeit widmen
Anlässlich des heutigen Pressetermins des Umweltministeriums ‚Aufbruch für den Umweltschutz. 20 Jahre friedliche Revolution – die Umweltsituation damals und heute‘ fordert die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Sächsischen Landtag von Umweltminister Frank Kupfer (CDU), der Beseitigung neuer Umweltschäden genau so viel Aufmerksamkeit zu widmen, wie in den letzten 19 Jahren der Beseitigung von Umweltschäden aus DDR-Zeiten.
"Die Umweltsituation in Sachsen hat sich seit 1990 durch die Schließung von Betrieben aber vor allem durch Milliarden-Investitionen in die technische Infrastruktur in den Bereichen Luft, Wasser und Boden erheblich verbessert. Darüber bin ich froh, dafür habe ich mich seit den frühen achtziger Jahren in Leipzig eingesetzt", so Gisela Kallenbach, die umweltpolitische Sprecherin der Fraktion.
"Jedoch zeigen sich in Sachsen heute neue und andersartige Umweltschäden. Da sind zuallererst die Auswirkungen des Klimawandels, zu der Sachsen durch das Festhalten an der Braunkohlenverstromung mit seinem enorm hohen CO2-Ausstoß pro Kopf der Bevölkerung beiträgt. Zudem sind die zunehmende Versiegelung des Bodens und die Zerschneidung von Arealen für Verkehrs- und Siedlungsflächen, wie auch das anhaltende Artensterben in der Agrarlandschaft zu kritisieren."
"Weiterhin müssen der vorwiegend technisch orientierte Hochwasserschutz, das zögerliche Tempo beim Waldaumbau und die starke Abnahme von Bäumen entlang der sächsischen Straßen und Wegen genannt werden."
"Die enorme Zunahme von Feinstaub als Luftschadstoff ist die Folge einer verfehlten Verkehrspolitik, die auf die autogerechte Stadt setzt statt auf einen umweltgerechten Öffentlichen Personenverkehr. Die Folge davon ist eine Gesundheitsgefährdung der Bevölkerung, der, wie in Leipzig, nur noch mit der Einrichtung von Umweltzonen begegnet werden kann."
"Die Würdigung des Ehrenamtes im Naturschutz hat extrem abgenommen, verbunden mit der enormen Bürokratisierung einer möglichen Beantragung von Fördermitteln für den Naturschutz", erläutert die grüne Abgeordnete.
Hintergrund:
Seit Jahren ist die Klimapolitik der sächsischen Staatsregierung absolut unzureichend. Dabei gilt der Freistaat als eine der ‚verwundbarsten Regionen‘ in Deutschland. Zwar hat sich der CO2-Ausstoß in Sachsen im Vergleich zu DDR-Zeiten enorm verringert, aber bleibt weiter undiskutabel hoch. In Sachsen werden derzeit ca. 52 Millionen Tonnen CO2 ausgestoßen. Mit der Inbetriebnahme des neuen Kraftwerks in Boxberg droht sich der Ausstoß auf mindestens 57 Millionen Tonnen zu erhöhen. (33 Mio. Tonnen entstammen der Braunkohleverstromung.) Das entspricht ca. 13 Tonnen C02 pro Einwohner. Damit ist Sachsen meilenweit vom Reduktionsziel von 2 Tonnen pro Einwohner entfernt.
Die Staatsregierung antwortet auf diese Situation mit einem Klima-Aktionsplan aus guten Vorsätzen, die am wenigsten die Staatsregierung selbst zum Handeln animieren.
Die Neuinanspruchnahme von Flächen für die Verkehrs- und Siedlungsentwicklung ist im Freistaat Sachsen Jahre 2007 auf 11,2 Hektar pro Tag angestiegen. Das entspricht über elf Fußballfeldern pro Tag. Im Jahr 2004 war der Flächenverbrauch im Freistaat Sachsen auf 2,8 Hektar zurückgegangen. In der Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie hat sich die Bundesregierung das Ziel gesetzt, den Flächenverbrauch für Verkehrs- und Siedlungsflächen in ganz Deutschland bis 2020 auf 30 Hektar pro Tag zurückzufahren.
Das Artensterben in der Agrarlandschaft hat in Sachsen schon in den 70er und 80er Jahren zu Zeiten der sozialistischen Landwirtschaft begonnen. Was jedoch die Wenigsten wissen: Seit 1990 setzt sich dieses Artensterben in unverändert hoher Intensität fort.
Etwa zwei Drittel aller Tier- und Pflanzenarten der Agrarlandschaft Sachsens stehen auf der Roten Liste und sind als ‚gefährdet‘ eingestuft. Wenn die Entwicklung so weiter verläuft, werden in wenigen Jahren die Charaktervogelarten der Agrarlandschaft wie Kiebitz und Rebhuhn in Sachsen ausgestorben sein.
Der Freistaat Sachsen regelt Hochwasserschutz an der Elbe vorrangig technisch. Das heißt, es werden Mauern und Deiche gebaut, saniert oder ertüchtigt. Anders als in anderen Bundesländern gibt es keine naturnahen Lösungen. Von den neun nach der Hochwasserkatastrophe 2002 geplanten Deichrückverlegungen an der Elbe steht heute nur noch eine einzige zur Debatte.
» Hochwasserschutz
Der Waldumbau geht mit ca. 470 Hektar pro Jahr wesentlich zu langsam voran.
Naturnahe Wälder sind heute in Sachsen lediglich auf einem Viertel der Waldfläche anzutreffen. Nur 15 Prozent des Waldes ist älter als 100 Jahre. Es dominieren Fichtenbestände auf 31 Prozent und Kiefernbestände auf 24 Prozent der Fläche sowie Baumbestände mit einer Altersklassenstruktur von 41-60 Jahren. Die vorherrschenden monostrukturellen Wälder in Sachsen werden immer wieder von Stürmen stark getroffen und durch Schadinsekten geschädigt. Sie sind an den Klimawandel nicht angepasst.
» Forstbericht 2008 der Sächsischen Staatsregierung
Die Bäume an Sachsens Straßen werden immer weniger. Zwischen 2006 und 2008 wurden im Freistaat Sachsen ca. 24.000 Bäume an Bundes-, Staats- und Kreisstraßen gefällt, aber nur 7.000 Bäume nachgepflanzt, so die Staatsregierung auf eine Kleine Anfrage des Abgeordneten Johannes Lichdi.
Vor 20 Jahren war die Luftbelastung mit Schwefeldioxid aus der Braunkohlenverbrennung eine wesentliche Ursache der Luftverschmutzung. Heute spielen andere Luftschadstoffe eine Rolle. So zum Beispiele die Stickoxide, die vorwiegend aus dem Straßenverkehr stammen. Sie verursachen die ’neuen‘ Formen des Waldsterbens. Ebenso spielt insbesondere in den sächsischen Großstädten die Feinstaubbelastung eine erhebliche Rolle. Wenn diese Belastungen nicht anderweitig verringert werden können, sind die Einrichtung von Umweltzonen die richtige Maßnahme zum Gesundheitsschutz der Bevölkerung.
Das Ehrenamt im Naturschutz wird in Sachsen in den letzten Jahren immer weniger gewürdigt. Die Landesdirektion Leipzig hat ihren Naturschutzbeirat abgeschafft. In den meisten Landkreisen existieren diese Beiräte nicht mehr. Damit wird den ehrenamtlichen Naturschützern ein Mitspracherecht genommen. Die Staatsregierung hat mit der Einführung der Richtlinie ‚Natürliches Erbe‘ die Naturschutzförderung auf ein unerträgliches Maß bürokratisiert. Ehrenamtliche Naturschützer werden förderrechtlich wie Landwirte behandelt und müssen selbst für die Förderung der Pflege von kleinen Orchideenwiesen Papierberge von Formularen einreichen.