Wohnungslosigkeit – Čagalj Sejdi: Wir brauchen vor allem mehr soziale Angebote in den Städten, um Unterstützungsbedarf zu erkennen und passgenau zu helfen

Redebeitrag der Abgeordneten Petra Čagalj Sejdi (BÜNDNISGRÜNE) zum Antrag der Fraktionen DIE LINKE: „Wohnungslosigkeit nachhaltig zurückdrängen“ (Drs 7/12173)

65. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Donnerstag, 02.02.2023, TOP 7

– Es gilt das gesprochene Wort

Sehr geehrte Frau Präsidentin,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen.

Ich möchte Ihnen zu Beginn meiner Rede ein Zitat vortragen – von Milan, einem Mann, der mehrere Jahre in Dresden auf der Straße leben musste. Milan ist 2021 während der Corona-Pandemie leider verstorben. Ein Dach über dem Kopf hatte er bis zu seinem Tod nicht:

„Das Wort Zuhause ist ein sehr schönes Wort. Das habe ich aber nicht, also ich habe kein Zuhause und warte jeden Tag auf die Situation, in der ich sagen kann, mein Zuhause. Es ist ein großes Thema für mich, ein eigenes Zuhause zu haben.“

Ein „eigenes Zuhause“ – das ist es, was wir alle brauchen, um gut leben zu können. Aber nicht jeder Mensch in Sachsen hat dieses Glück. Und es liegt in unserer Verantwortung, in der Verantwortung von Land und Kommune, hier Möglichkeiten und Bedingungen zu schaffen, die etwas ändern.

Deutschland ist ein Sozialstaat. Also sollte eigentlich in Deutschland niemand wohnungslos sein – und doch leben fast 40.000 Menschen in Deutschland auf der Straße und rund 263.000 Menschen haben in Deutschland kein festes Obdach.

Wohnungslosigkeit kann unterschiedliche Gründe haben und unterschiedlich stattfinden. Ich habe zum Beispiel 2020 eine Frau in Leipzig bei der Wohnungssuche unterstützt, die nach dem Tod ihres Mannes die barrierefreie Wohnung verlassen musste und aufgrund ihrer Trauer, der schlechten psychischen Verfassung und der geringen Sprachkenntnisse keine Wohnung mehr finden konnte. 18 Monate lebte die 60-Jährige ohne Wohnung, bei Freunden und Bekannten.

Psychische und physische Erkrankungen, Sucht, Schulden, Diskriminierung, Gewalterfahrungen – das und vieles mehr können Gründe sein, die in Wohnungslosigkeit führen.

Um Wohnungslosigkeit präventiv zu vermeiden, müssen wir also hier ansetzen und das tun wir auch.

Im aktuellen Haushalt stehen zum Beispiel rund 7 Millionen Euro für regionale Angebote der Suchthilfe zur Verfügung. Wir unterstützen die Schuldnerinsolvenzberatung. Wir finanzieren eine Clearingstelle für Menschen ohne Krankenversicherung.

Im letzten Doppelhaushalt haben wir Gelder für die Finanzierung des Leipziger Modellprojekts „Housing First“ eingestellt. Das Projekt ist auf fünf Jahre angelegt und der erste Zwischenbericht zeigt bereits gute Erfolge, von 33 Teilnehmern konnten 25 Menschen eine Wohnung anmieten. Sie wurden beim Prozess der Wohnungssuche begleitet und auch danach.

Housing First Leipzig ist ein Modellprojekt – und ich denke, es ist jetzt schon klar, dass das ausgebaut und weitergeführt werden muss. Nicht nur in Leipzig.

Neben Housing first sind wir in Sachsen aber auch auf anderen Ebenen aktiv gegen Wohnungslosigkeit. Mit PMO-Mitteln aus der letzten Tranche wird zum Beispiel der Ausbau einer neuen Leipziger Notunterkunft für Obdachlose mit 500.000 Euro direkt neben dem Bahnhof unterstützt.

Diese sind nur einige wenige Beispiel für das Engagement des Freistaats gegen Wohnungslosigkeit.

In Ihrem Antrag, liebe Kolleginnen und Kollegen der Linksfraktion, sprechen Sie auch von der Wohnungslosigkeit, die zum Beispiel nach einer Haftstrafe oder dem Aufenthalt in einem Frauenhaus entstehen kann. Hier geschehen bereits Maßnahmen, die dies präventiv verhindern sollen und unterstützen. Frauen in Schutzeinrichtungen werden durch Sozialarbeiterinnen begleitet, zum Beispiel bei der Wohnungssuche. Es ist möglich, die eigene Wohnung über einen Zeitraum zu erhalten, ebenso wie bei kurzen Haftstrafen. Und auch in der JVA werden Inhaftierte vor der Entlassung betreut, damit sie nicht in der Wohnungslosigkeit landen. Natürlich kann es trotzdem passieren, doch wie bereits erwähnt: Die Gründe sind sehr vielfältig.

Was wir brauchen, sind vor allem mehr soziale Angebote in den Städten, in den Wohnvierteln, um Menschen, die Probleme haben, denen es nicht gut geht, die Unterstützung brauchen, schneller zu erkennen und ihnen passgenauer zu helfen. Hier passiert schon sehr viel, aber genug kann es sicher nie geben.

Natürlich braucht es nicht nur Unterstützung in der Sozialen Arbeit und beim Suchen und Finden von Wohnraum, es fehlt auch an Wohnraum. Hierzu hat die Staatsregierung erst Anfang Januar die entsprechende Richtlinie angepasst, um der Entwicklung der Baukosten Rechnung zu tragen und den sozialen Wohnungsbau zu fördern. Aus Sicht von uns BÜNDNISGRÜNEN kam das viel zu spät, aber es ist jetzt da und wir können handeln. Der Ankauf von Wohnungen und Belegungsrechten ist seitens des Bundes nicht förderfähig. Mit Landesmitteln wäre das möglich, hier würden wir uns wünschen, wenn wir das in der Koalition auch mehrheitlich als wichtig empfinden und umsetzen würden.

Ihr Antrag, liebe Kolleginnen und Kollegen, spricht ein wichtiges Problem an, das wir dringend lösen müssen. Die meisten Dinge, die Sie in ihrem Antrag ansprechen, finden aber bereits statt. Wir müssen sie jetzt verstetigen und noch weiter ausbauen.