Weinbau in Sachsen – Lippmann: Der Weinbau in Sachsen hat eine erhebliche Bedeutung für den Freistaat
Redebeitrag des Abgeordneten Valentin Lippmann (BÜNDNISGRÜNE) zum Antrag der Fraktionen CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD: „Situation des Weinbaus in Sachsen“ (Drs 7/12240)
65. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Mittwoch, 01.02.2023, TOP 6
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrter Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen,
„in vino veritas“ – im Wein liegt bekanntlich die Wahrheit – in diesem beschrieb einst der römische Historiker Tacitus den Brauch der Germanen, vor Ratssitzungen Wein zu trinken, weil es sich nach dessen Genuss schlechter lügen ließe. Die Vorstufe der Wahrheit ist bekanntlich die Erkenntnis und genau um diese geht es in dem Antrag heute: Die Koalition will Erkenntnisse über die Lage des Weinbaus in Sachsen verbessern. Ich hoffe, anders als die Germanen, ohne den vorherigen Genuss des gekelterten Produktes.
Der Weinbau in Sachsen hat eine erhebliche Bedeutung für den Freistaat. Er ist wichtiger Wirtschaftszweig, elementarer Bestandteil unserer Kulturlandschaft und auch zunehmend relevanter Teil der Außendarstellung des Freistaates.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
zunächst könnte man mit Blick auf die Zahlen und die Presseberichterstattung meinen, dass die Lage des Weinbaus in Sachsen sehr gut sei und keines umfassenden Berichtes bedürfe. So haben sich die bestockten Rebflächen bis 2020 konstant erhöht, die Zahl der Winzerinnen und Winzer im Haupterwerb ist gestiegen und neben vielen Prämierungen für sächsischen Wein konnte erst kürzlich der Erfolg verbucht werden, dass nun mit Martin Schwarz auch eines der herausragenden Weingüter Sachsens in die Riege des VdP aufgestiegen ist.
Und dennoch muss konstatiert werden, dass der Weinbau in Sachsen vor ernstzunehmenden Herausforderungen steht. Als erstes muss auch hier der Klimawandel genannt werden. Denn während einige Konsumentinnen und Konsumenten fälschlicherweise frohlocken, dass mit zunehmender Erwärmung Sachsen demnächst eine Toscana-gleiche Rotweinregion werden könnte, bringt der Klimawandel erhebliche Probleme für den Weinbau mit sich. Zum einen führt die zunehmende Trockenheit zu deutlichen Herausforderungen bei der Bewässerung der Rebstöcke, insbesondere in Steillagen.
Zum anderen ändern sich auch die Bedingungen für Krankheiten, Schädlinge und abiotische Schäden im Weinbau. Reblaus, Sonnenbrand, Esca, Traubenwickler sowie bisher unbekannte Krankheiten und Schädlinge werden auch durch den Klimawandel begünstigt und machen neue und auch chemiearme bzw. chemiefreie Pflanzenschutzstrategien notwendig.
Gleiches gilt auch in den umgedrehten Fällen des zu hohen Niederschlages. Das Thema innovative pilzwiderstandsfähige Rebsorten zur Reduktion des Pflanzenschutzmitteleinsatzes und zur Steigerung der Nachhaltigkeit ist sehr wichtig und ein „dickes Brett“, weil gerade in starken Befallsjahren mit vielen Niederschlägen wie zum Beispiel 2021 sogar pilzwiderstandsfähige Sorten mit Fungiziden behandelt werden mussten.
In Bezug auf die Folgen des Klimawandels braucht es daher eine umfassende Bestandaufnahme, um anschließend mit einer gezielten und umfassenden Beratung und Unterstützung der Betriebe.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
die Weinbergsteillagen gehören zu den prägenden, landschaftlich und touristisch unverzichtbaren Elementen der sächsischen Kulturlandschaft. Genau dieses landschaftsprägende Element ist teilweise bedroht. Denn der Terrassen- und Steillagenbau ist mit großer Anstrengung und auch Kosten verbunden. Eine Flucht in die Ebene wäre mit dem zunehmenden Verlust dieses wichtigen Kulturgutes verbunden und muss durch eine weiter starke Unterstützung des Terrassen- und Steillagenbaus verhindert werden, der zweifelsohne eine Zukunft hat.
Hier bedarf es einer Prüfung, inwieweit die Förderrichtlinie zur Erhaltung der Steillagenbewirtschaftung im sächsischen Weinbau weiterentwickelt werden kann, um eine dauerhafte und nachhaltige Unterstützung zu gewährleisten. Das gilt insbesondere für die Förderung von Bewässerungsanlagen oder Begrünungsmaßnahmen, aber auch für einmalige Maßnahmen zur Umgestaltung der Weinberge zur Bewirtschaftungserleichterung. Es muss definitiv verhindert werden, dass die alten – kleineren – Weinberge verfallen, weil diese in der Steillage nur noch mit großen Mühen sinnvoll zu bewirtschaften sind.
Ebenso muss auch die Unterstützung gemeinsamer anwendungsorientierten Forschung im Weinbau durch die Nutzung von regionsübergreifenden Synergieeffekten vorangetrieben werden. Die Stärkung der önologischen Forschung und Wissenschaft ist in Zeiten der aktuellen Herausforderungen elementar für die Zukunft des Weinbaus in ganz Deutschland und Europa.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
sächsischer Wein ist zwar weiterhin im Vergleich der Menge eine Rarität, aber bundesweit zunehmend geschätzt und geliebt. Dennoch gibt es einen stetigen Konkurrenzdruck von Weinen vergleichbarer Qualität aus anderen Regionen Deutschlands und Europas. Darauf und auch auf grundsätzliche Änderungen beim Weingenuss muss man sich auch in Sachsen einstellen. Ein Thema ist dabei die ökologische Zertifizierung von Wein. Ich weiß, dass es einige Winzerinnen und Winzer gibt, die diesen Schritt aufgrund hoher bürokratischer Anforderungen meiden, obwohl sie die Voraussetzungen grundsätzlich erfüllen würden.
In Sachsen gibt es fünf Öko-Weinbaubetriebe. Diese befinden sich in der Umstellungsphase bzw. sind schon auf ökologische Produktion umgestellt. Da ist sicherlich noch Luft nach oben, zumal die Förderung mit einer Flächenprämie von 890 Euro je Hektar durchaus ein nicht unerheblicher Anreiz ist. Entscheidend ist aber, dass für immer mehr Konsumentinnen und Konsumenten die biologische Zertifizierung der Weine einen zentralen Aspekt der Kaufentscheidung darstellt. Hier darf Sachsen als Weinbauregion nicht den Anschluss verlieren.
Auch bei der Vermarktung kann sicherlich noch einmal eine Intensivierung erfolgen. Denn gerade bei den im Vergleich durchaus höherpreisigen Weinen muss vor allem die Vermittlung der hohen Qualität der entsprechenden sächsischen Weine verstärkt werden. Hier gibt es definitiv noch Marktanteile in Deutschland, aber auch Europa, die durch einen weiteren Ausbau des spezifischen Marketings erschlossen werden können. Dabei gilt es auch, ergebnisoffen die Einführung einer Pflichtabgabe für die Gebietsweinwerbung zu diskutieren. Für uns BÜNDISGRÜNE ist dabei aber klar, dass dies nur im größtmöglichen Konsens mit den Winzerinnen und Winzern und dem Weinbauverband in Sachsen erfolgen kann, den am Ende geht es darum, den Weinbau in Sachsen im Ganzen zu vermarkten.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
schließen möchte ich mit einer kleinen Anregung, an welcher Stelle sich vielleicht Marketing auch lohnen könnte. Der Politikwissenschaftler Knut Bergmann hat in seinem sehr lesenswerten Buch „Mit Wein Staats machen“ die Menü- und Weinkarten Deutscher Staatsempfänge sehr unterhaltend und erkenntnisreich aufgearbeitet und in das politische Gesamtgeschehen eingeordnet. Nach der Lektüre dieses Buches muss man zur Schlussfolgerung kommen, dass Staatsempfänge von Bundeskanzler oder Bundespräsident zumindest hinsichtlich der Weinauswahl ein Spiegel des gesellschaftlichen Genusses sind – im Guten wie im Schlechten, immerhin wurden in den 50ern und 60ern dort auch reihenweise nachgezuckerte Tropfen ausgeschenkt, heute unvorstellbar. Mit Blick auf ihre herausragende Qualität dürfen daher gerne auch mal ein paar mehr der großen Gewächse aus Sachsen auf den Karten der Staatsempfänge – quasi als verkorkte Botschafter des Freistaates – landen, vielleicht auch mal ein Aspekt für die Lobbyarbeit in Berlin.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
über Sachsens Weinbau könnte man ohne Probleme noch stundenlang reden – das verhindert aber die reglementierte Redezeit. Mit dem vorliegenden Antrag geht es uns als Koalition um eine wichtige Bestandsaufnahme. Ich bitte daher um Zustimmung, damit der Erkenntnis dann vielleicht auch die Wahrheit – ob mit oder ohne Wein – folgt.
Vielen Dank.