Untersuchungsausschuss Förderpraxis – Lippmann: Die AfD ist mit ihrem Vorhaben auf ganzer Linie gescheitert
Redebeitrag des Abgeordneten Valentin Lippmann (BÜNDNISGRÜNE) zum Bericht des 2. Untersuchungsausschusses der 7. Wahlperiode zur Förderpraxis bei Asyl- und Integrationsmaßnahmen (Drs 7/16700)
92. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Donnerstag 26.09.2024, TOP 1
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
acht Monate nach seiner Einsetzung ist der mit Abstand kürzeste Untersuchungsausschuss Sachsens im weiten Feld der puren Erkenntnislosigkeit zu Ende gegangen.
Ältere erinnern sich vielleicht noch, die AfD wollte schon wieder einen Skandal aufklären, das permanente Geraune über die vermeintliche illegale Finanzierung von Trägern und Verbänden sowie angebliche Fördersümpfe mit harten Fakten unterlegen.
Ich nehme es schon mal vorweg: Sie sind auf ganzer Linie gescheitert. Das konnte auch gar nicht anders kommen, denn wer Verschwörungserzählungen mit Fakten zu untermauern versucht, wird stets daran scheitert, dass das genauso wenig möglich ist wie eine Division durch Null.
Apropos Nullen: Der einzige Sumpf, den wir finden konnten ,war jener, in den sich regelmäßig die AfD-Abgeordneten bei der Simulation ihrer Pseudoaufklärung verirrt haben.
Nach acht Monaten muss man schlicht konstatieren: Sie sind am Zeitplan, an sich selbst, vor allem aber an der Realität gescheitert.
Als BÜNDNISGRÜNE haben wir von Anfang an keinen Aufklärungsbedarf in Gestalt eines Untersuchungsausschusses gesehen. Das Ministerium von Frau Köpping hatte bereits bei Einsetzung erhebliche Fehler bei der Vergabe eingeräumt, Maßnahmen für die Zukunft getroffen und personelle Konsequenzen gezogen.
Aber eine im historischen Kontext zu betrachtende unbürokratische Hilfe für Menschen in größter Not eignet sich natürlich hervorragend, um die eigene blaubraune Echokammer mit Verdrehungen und Halbwahrheiten zu bespielen.
Aufgrund der zeitlichen Limitierung der 7. Wahlperiode war von Anfang an offenkundig, dass es der AfD nicht um echte Aufklärung und Verbesserung von Förderverfahren gehen konnte, sondern das schärfste Schwert der Opposition auf billigste Art und Weise instrumentalisiert wurde, um plumpe Propaganda gegen die Zivilgesellschaft zu betreiben.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
wie von Feinden des Rechtsstaats nicht anders zu erwarten, versuchte die AfD schon im Einsetzungsantrag in verfassungswidriger Weise Privatgeheimnisse auszuhorchen – hier kann nur spekuliert werden, welche Listen politischer Gegner damit erweitert werden sollten.
Dagegen erscheinen die nicht gewahrten Anforderungen an Bestimmtheit und Normenklarheit im Einsetzungsantrag schon fast verzeihlich. Das kann bei der Übersetzung der Befehle aus dem Russischen schon mal passieren.
Als leidenschaftlicher Parlamentarier und Demokrat muss ich jedoch auch Ehre einräumen, wem diese gebührt. Den AfD-Abgeordneten ist in diesem Untersuchungsausschuss wahrlich eine Meisterleistung gelungen. Nach intensiver Recherche, ausführlicher Diskussion, längerer Beratung und wiederholten Versuchen haben Sie es tatsächlich geschafft: Sie haben eine zulässige Frage gestellt.
Die mitunter schwer auszuhaltenden Schmerzen, Sie auf dem Weg zu dieser Leistung beobachten zu müssen, führt mich zu einer wichtigen Erkenntnis: Wenn Herr Mayer und Herr Barth zu viel Tagesfreizeit haben, sollen sie sich bitte künftig ein sinnstiftendes Hobby suchen und vor allem eines, wo sie zumindest basale Fähigkeiten besitzen. Es wäre für die Demokratie und dieses hohe Haus zielführender als noch mehr Hirnzellen beim Fremdschämen in Untersuchungsausschüssen verlieren zu müssen.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
abseits von AfD-Getöse ergaben sich aus dem Untersuchungsausschuss dann aber auch tatsächlich relevante Fragestellungen für den Freistaat. Diese adressieren aber nicht unmittelbar die geförderten Initiativen, sondern betreffen das Vorgehen des Rechnungshofes gegen eben diese.
Ich muss an dieser Stelle ganz klar sagen: Der Sächsische Rechnungshof hat in den vergangenen Monaten und gerade im Zusammenhang mit diesem Untersuchungsausschuss viel Vertrauen und Glaubwürdigkeit verloren.
Dieser ganze Untersuchungsausschuss basierte im Wesentlichen auf seinem Prüfbericht und genau dieser erwies sich in gleich mehreren Befragungen als wenig tragfähig. Eine Reihe von aufgestellten Behauptungen und mit dem Prüfsiegel der unabhängigen Finanzkontrolle versehenes Geraune hielt einfachsten Nachfragen nicht stand.
So konnte auf Nachfrage kein einziger Beleg für die schwerwiegende Unterstellung genannt werden, dass Vereine Gelder erhielten, um damit den Wahlkampf zugunsten der Regierung zu beeinflussen. Ebenso fehlte es an stichhaltigen Belegen für durch Parteien angeblich gegründete Vereine oder gar Verstöße gegen die Parteienfinanzierung.
Ganz abgesehen davon, dass Quellennachweise in diesem Bericht so hemdsärmelig waren, dass jeder Fördermittelempfänger bei der Abgabe derartiger Berichte wahrscheinlich gegrillt worden wäre. Es wirkte, als hätte man willkürlich Bundesverfassungsgerichtsentscheidungen zitiert, die mit der Sache nichts zu tun hatten.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
mit diesem Bericht ist der Rechnungshof nicht nur weit über das Ziel hinausgeschossen, er hat sich leider auch zum Katalysator einer Erzählung gemacht, die bei den Antidemokraten auf großen Anklang gestoßen ist. Für eine Institution, die vom Vertrauen in ihre Fachlichkeit und Unabhängigkeit lebt, ein schweres Menetekel.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
vor allem aber die Annahme, dass einem geförderten Verein beinahe dieselben Anforderungen an Neutralität zukommen wie einem Ministerium, kann nur als juristische Absurdität bezeichnet werden und wurde nicht ohne Grund im Rechtsgutachten von Prof. Hufen eindeutig widerlegt.
Politische Bildung und Demokratiearbeit sind nicht neutral, sondern stets auf ethische Werte und Verfassungsziele gerichtet. Und auch die sächsische Verfassung ist nicht neutral, sondern wehrhaft.
Eine Debatte um ausufernde unklare Neutralitätspflichten kommt in einer Zeit auf, in der die Lage für Geflüchteten- und Demokratieinitiativen ohnehin schon schwierig genug ist. Gerade jetzt brauchen die Vereine keine absurden Neutralitätspflichten, die ihre Arbeit zusätzlich erschweren und jedweden Einsatz gegen Rechtsextremismus als Rechtsbruch tabuisieren.
Die Vereine brauchen neben einer klaren unbürokratischen Finanzierung vor allem eine Regierung, die ihre Interessen wahrnimmt und verteidigt.
Sehr geehrte Damen und Herren,
abschließend möchte ich nicht unerwähnt lassen, dass es an Heuchelei kaum zu überbieten ist, wenn sich die AfD nun zum Sachwalter der politischen Neutralität aufschwingt. Wer sich von Putin und Lukaschenko als Vasallen einspannen lässt, ist nicht neutral, sondern eine Gefahr für die Demokratie.
Und mir ist jede Demokratieinitiative in Sachsen tausendmal lieber als ein von Lukaschenko gesteuerter Zwiebelbaron, der politische Gefangene ausbeutete und sich dafür nicht mal schämt.
Vielen Dank.