Unterbringung von Geflüchteten – Čagalj Sejdi: Wir brauchen eine gesamteuropäische Lösung
Redebeitrag der Abgeordneten Petra Čagalj Sejdi (BÜNDNISGRÜNE) zur Beschlussempfehlung des Haushalts- und Finanzausschusses: „Nachträgliche Genehmigungen gemäß Artikel 96 Satz 3 der Verfassung des Freistaates Sachsen zu über- und außerplanmäßigen Ausgaben und Verpflichtungen“ (Drs 7/14379)
76. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Mittwoch, 20.09.2023, TOP 8
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrter Präsident,
liebe Kollegen und Kolleginnen,
es tut mir leid, das ich meine Rede so negativ beginnen muss, aber: Es ist aus meiner Sicht Unsinn und blanker Populismus, diese Drucksache heute hier im Plenum zur Debatte zu stellen.
Denn: Die Schaffung und Unterhaltung von Aufnahmeeinrichtungen sowie die Zahlung von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz sind gesetzliche Verpflichtungen, denen wir uns nicht nach Gutdünken entziehen können, wenn wir keine Lust darauf haben.
Die Aufnahme Geflüchteter und die Gewährung des Existenzminimums sind bundesgesetzlich geregelt. Nichts davon können wir auf Landesebene beeinflussen. Auch die Weiterleitung der Mittel des Bundes an die Kommunen ist nicht verhandelbar. Das wurde so bei der MPK beschlossen. PUNKT.
Damit könnte ich meine Rede eigentlich schon beenden. Denn mehr gibt es zu dieser Drucksache nicht zu sagen.
Liebe Kollegen und Kolleginnen,
ich werde meine Rede noch nicht beenden. So wie die AfD jede Gelegenheit nutzt, gegen geflüchtete Menschen zu hetzen, werde ich nicht müde an die Humanität zu appellieren.
Es geht hier nicht nur um eine gesetzliche Verpflichtung. Wir haben eine humanitäre Verantwortung, denjenigen, die vor Krieg und Verfolgung fliehen, Schutz zu gewähren.
Und Schutzgewährung heißt für mich ganz klar: menschenwürdige Unterbringung, medizinische Versorgung und finanzielle Mittel, um das Existenzminimum zu sichern.
Das kostet Geld, ja. Und natürlich stellt sich die Frage: „Woher nehmen?“
Es braucht Lösungen mit dem Bund. Die Gelder, die der Bund mit dem MPK-Beschluss bereitgestellt hat, reichen nicht. Vor allem, da es sich um eine einmalige Zahlung handelte. Bis November soll nun eine Arbeitsgruppe Lösungen erarbeiten. Ich hoffe sehr, dass wir eine tragfähige und dauerhafte Lösung finden.
Langfristig müssen wir anerkennen, dass das bestehende System nicht mehr trägt. Die Realität ist doch die: Menschen sind auf der Flucht. Heutzutage mehr als jemals zuvor. Laut dem UNHCR ist die Zahl der Geflüchteten weltweit auf eine neue Rekordhöhe gestiegen. Ende 2022 haben sich 108,4 Millionen Menschen auf der Flucht befunden.
Das können Sie nicht ausblenden. Damit müssen Sie umgehen.
Was ist denn Ihre Lösung? Eine Mauer mit Stacheldraht rund um Sachsen? Die muss auch finanziert werden. Oder wollen Sie, dass Geflüchtete auf der Straße leben, so wie in Griechenland, weil sie ohne Arbeitserlaubnis ihren Lebensunterhalt nicht sichern können? Dann können Sie sich sicher sein, dass die Kriminalitätsraten steigen und Konflikte eskalieren.
Sie bieten keine Lösungen an. Sie hetzen nur! Das ist gefährlich, das ist verantwortungslos. Denn Sie geben jenen recht, die meinen, es ist legitim, Geflüchtete zu beleidigen, zu bedrohen oder gar Gewalt anzuwenden. Inzwischen müssen wir über Schutzzonen um Unterkünfte von Geflüchteten diskutieren. Das sind Mehrausgaben, die Sie mitzuverantworten haben!
Liebe Kollegen und Kolleginnen,
ich wehre mich dagegen, dass wir uns abschotten, uns verbarrikadieren, damit Menschen vor den Toren Europas sterben.
Wir brauchen eine gesamteuropäische Lösung, eine Koalition der Willigen, die die Realität anerkennt.
Wir brauchen solidarische Verteilmechanismen. Wir brauchen eine Außenpolitik, die Fluchtursachen bekämpft. Wir müssen Menschen das Recht geben, hier zu arbeiten, ihren Lebensunterhalt zu vereinen. Und wir müssen ihnen auch die Arbeitsplätze geben.
Und vor allem sollten wir die Chancen sehen, die diejenigen, die zu uns kommen, uns bieten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sollten langfristig umdenken. Auf der einen Seite werben wir im Ausland Fachkräfte an, auf der anderen Seite tun wir alles, um Geflüchtete die ins Land kommen, das Leben schwer zu machen.
Erst vergangene Woche hat der MDR einen Beitrag gebracht über Menschen, die arbeiten wollen, die einen Job haben, diesen aber nicht ausüben können, weil ihnen die Landesdirektion den Umzug zu ihrem Arbeitsort nicht erlaubt. Diese Menschen sind dann weiterhin auf die hier kritisierten Gelder angewiesen.
Und das ist noch längst nicht alles. Mir werden so viele Fälle zugetragen, von Menschen, die keine Arbeitserlaubnis bekommen, Menschen, die trotz Arbeitsvertrag abgeschoben werden,
von Menschen, die unter ihren Qualifikationen arbeiten müssen, weil sie ihren Beruf nicht anerkannt bekommen. Oder von Einbürgerungen, die nur schleppend vorangehen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
das kann doch nicht sein! Ich habe schon mit vielen Geflüchteten gesprochen. Ein Punkt, der allen wichtig war: ein selbstbestimmtes Leben, den Lebensunterhalt aus eigener Kraft sichern.
Wir sollten Menschen ausbilden, sie arbeiten lassen und aufhören, ihnen Steine in den Weg zu legen. Dann müssen wir auch nicht mehr Unsummen in die Hand nehmen, um Unterbringung und Sicherung ihres Existenzminimums zu finanzieren.