Situation des Sports – Kummer: Wenn uns die Ehrenamtlichen fehlen, bröckelt das Fundament des Breitensports

Redebeitrag der Abgeordneten Ines Kummer (BÜNDNISGRÜNE) zur Großen Anfrage der Fraktion DIE LINKE: „Situation des Sports in Sachsen“ (Drs 7/10401)
70. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Donnerstag, 27.04.2023, TOP 7

– Es gilt das gesprochene Wort –

 

Sehr geehrter Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

in den vergangenen Jahren war ich sehr oft im Gespräch mit dem Landessportbund und den Kreissport- und Stadtsportbünden.

Eines ist mir bereits seit längerem bewusst. Und ich bin froh, dass ich anlässlich der hier heute zur Debatte stehenden Großen Anfrage das gesamte Bild in den Blick nehmen kann:
Der Breitensport befindet sich seit der Corona-Pandemie in einer Abwärtsspirale. Mitgliederschwund, sinkende Einnahmen und damit weniger Möglichkeiten für die Vereine, zu investieren. In Sportstätten und in Ehrenamtliche.

Nicht nur die Betonfundamente der Sportstätten bröckeln, sondern das gesamte ideelle Fundament des Breitensports, die Ehrenamtlichen.

Und die Spirale dreht sich weiter nach unten, denn nun sind wir in der Energiekrise. Ich hatte im Januar ein sehr eindrückliches Gespräch mit vielen Vertreter*innen aus der Breitensportlandschaft.

Die Vereine kriechen auf dem Zahnfleisch. Sie können mit ihren Ressourcen mit Ach und Krach das Nötigste stemmen. Feste, Ausflüge, Umsetzung von innovativen Ideen müssen pausieren, dafür ist kein Geld da. Fehlen aber diese schönen motivierenden Dinge, dann bleiben Ehrenamtliche weg und Neue kommen erst recht nicht hinzu.

Energiesparen ist für alle Sportvereine zur Notwendigkeit geworden. Aber klimafreundliches Verhalten, Investitionen in nachhaltige Sportstätten werden nicht prioritär gefördert.

Sportvereine stärken den sozialen Zusammenhalt in unserer Gesellschaft. Darüber sind wir uns alle einig. Damit sie das auch in Zukunft tun können, müssen wir uns mit den Problemen von heute ebenso auseinandersetzen wie mit den Herausforderungen von morgen.

Die sächsische Gesellschaft wird immer älter. Das hat Auswirkungen darauf, wie Sport getrieben wird, welche Sportanlagen gebraucht werden.

Es gibt weniger Nachwuchs: Nachwuchs bei den Sporler*innen und demzufolge auch für den Spitzensport und Nachwuchs für das Ehrenamt.

Viele der bestehenden Sportanlagen sind sanierungsbedürftig. Geld, um das abzustellen, ist knapp. Außerdem dürfen wir auch die Augen nicht vor den klimatischen Veränderungen verschließen. Und schlussendlich müssen wir auch dafür Sorge tragen, dass der soziale Zusammenhalt in den Vereinen nicht verlorengeht, weil sich Menschen ausgegrenzt fühlen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
wir müssen die Sportvereine und die Sportanlagen so aufstellen, dass sie krisenfest sind.

Erfreulicherweise erholen sich die Mitgliederzahlen in den Vereinen. Anders sieht es jedoch mit den Ehrenamtlichen aus. Die Landesregierung hat dazu keine aktuellen Zahlen. Schade!

Aber fehlende Zahlen bedeuten nicht, dass es kein Problem gibt. Ich weiß aus meinen Gesprächen, dass die Ehrenamtlichen fehlen. Wir haben viele helfende Hände während der Pandemie verloren, die nicht zurückgekommen sind. Viele Ehrenamtliche werden aufgrund ihres Alters in den nächsten Jahren aufhören – auch hier zeigt sich der demographische Wandel. Neue Menschen sind schwer zu motivieren; gerade jetzt, wo so viel auf den Schultern weniger Engagierter lastet.

Ich habe das eingangs schon gesagt: Wenn die Ehrenamtlichen fehlen, bröckelt das Fundament und damit der Breitensport.

Wir müssen diejenigen, die ihre Kraft und Energie in die Vereinsarbeit stecken, wertschätzen. Deshalb möchte ich an dieser Stelle meinen herzlichsten Dank und meine Hochachtung für all jene aussprechen, die sich in ihrer Freizeit und meist auf eigene Kosten Sommer wie Winter auf den Platz stellen, sich die Nächte um die Ohren schlagen mit Buchhaltung, ihre Wochenenden opfern für Fortbildungen. Ohne sie wäre der Breitensport tot.

Es muss der Staatsregierung ein Anliegen sein, die Ehrenamtlichen zu halten und Anreize zu schaffen, damit sich wieder mehr Menschen für das Ehrenamt begeistern.

Die Große Anfrage der Linksfraktion benennt Maßnahmen, wie etwa die Übungsleiterpauschale, das Ehrenamtsförderprogramm „Wir für Sachsen“ oder den Empfang für Ehrenamtliche im Sächsischen Landtag.

Aber Stimmen in der Praxis haben ganz andere Ideen: Abminderungsstunden für Mitarbeiter in der öffentlichen Verwaltung, Bildungsurlaub, Parkausweise, um vor öffentlichen Sportanlagen kostenfrei zu parken.

Ich denke, hier ist noch viel Luft nach oben: Wir haben im Doppelhaushalt 2023/24 einen weiteren Baustein hinzugefügt und Gelder eingestellt, damit unter anderem Kursgebühren für Übungsleiter übernommen werden können. Dazu gibt es jetzt erste Überlegungen im Innenministerium, wie dies erfolgen kann. Mein Wunsch an die Staatsregierung an dieser Stelle: Nicht kleckern, sondern klotzen! Das Geld ist da, machen Sie endlich etwas daraus!

Die zweite große Aufgabe, die wir angehen müssen, ist der Sanierungsstau bei den Sportstätten. Auch dazu hat die Staatsregierung leider keine Daten. Auch hier weiß ich aus meinen Gesprächen, dass es den Sanierungsstau tatsächlich gibt.

Das bedeutet:

  1. Es braucht eine Bestandsaufnahme: Was haben wir für Sportstätten?
  2. Welche Sportstätten müssen saniert werden, um sie in Zukunft benutzten zu können?
    Wir werden, und davon bin ich überzeugt, zu der Feststellung gelangen, dass wir viel mehr Geld benötigen als bisher, um alle sanierungsbedürftigen Sportstätten auf Vordermann zu bringen.
  3. Braucht es eine Priorisierung: Welche Sportstätten sind unbedingt notwendig? Können Kommunen Synergien herstellen? Und welche Sportstätten können mehrfach genutzt werden? Ich denke zum Beispiel daran, Schulsporthallen am Abend für Vereine zur Verfügung zu stellen oder bestehende Hallen zu Mehrzweckhallen umzubauen.

Diesen Prozess haben wir hier im Parlament alle gemeinsam mit dem einstimmigen Beschluss zur Sportstättenstatistik angeschoben. Und ich bin froh, dass die Staatsregierung in ihrem Bericht, der Ende März veröffentlich wurde, ebenfalls zu dem Ergebnis gekommen ist, dass wir eine Sportstättenstatistik brauchen. Also legen wir los!

Krisenfeste Sportstätten bekommen wir aber nur, wenn Sportstätten in Zukunft auch nachhaltig gebaut und/oder saniert werden. Förderungen in der Zukunft müssen sich an diesen Kriterien orientieren.

Der dritte Punkt, den ich heute hier ansprechen möchte, ist der soziale Zusammenhalt.
In unserer Gesellschaft werden die Spaltungen immer häufiger. Sie führen zu Ausgrenzungen, im schlimmsten Fall zu Gewalt. Auch Sportvereine sind davor nicht gefeit.
Im Sportverein darf jeder mitmachen. Das hat positive Kraft, weil der unmittelbare Kontakt zu unterschiedlichster Menschen zu Austausch, Unterstützung und sozialen Beziehungen führt.

Das kann aber auch explosiv oder zerstörerisch sein, weil unterschiedliche Meinungen aufeinanderprallen. Erst vor ein paar Wochen erreichte mich die Bürgeranfrage eines Vereines, wie denn umgegangen werden soll mit rechtsextremistischen Äußerungen eines Mitgliedes.

Ich bin sehr froh, dass die Staatsregierung vielfältig zur Prävention von Gewalt und Diskriminierung unterstützt. Durch Finanzierung der Projekte: Im Sport vereint für Demokratie, Integration durch Sport oder durch die Unterstützung der Fanprojekte

Aber wir BÜNDNISGRÜNEN wären nicht die BÜNDNISGRÜNEN, wenn wir nicht mehr fordern würden. So ist zum Beispiel die Frauenförderung im Sport für mich noch nicht da, wo sie sein sollte. Beim Thema Repräsentanz in Gremien des Spitzensportes stoßen Frauen nach wie vor an eine „gläserne Decke“ und solange Frauen nicht in Spitzenpositionen Entscheidungen treffen können, können sie die weibliche Perspektive nicht einbringen.

Viele Sportlerinnen und Trainerinnen haben weniger von der Ressource Zeit übrig, weil Frauen statistisch immer noch mehr Care-Zeit erledigen als Männer. Das – ich hier möchte ich einen Kreis schließen – betrifft auch das ehrenamtliche Engagement bei Frauen.

Hier und aber auch in den zuvor genannten Bereichen werden wir in Zukunft noch viele neue kreative Ideen entwickeln müssen, um Sportvereine und die Sportanlagen so aufstellen, dass sie krisenfest sind. Zurücklehnen und Abwarten ist für mich, ist für meine Fraktion keine Option.