Schuldenbremse – Schubert: Wir stehen für eine Anpassung der sächsischen Schuldenbremse

Redebeitrag der Abgeordneten Franziska Schubert (BÜNDNISGRÜNE) zum Antrag der Fraktion DIE LINKE: „Überprüfung der Schuldenbremse längst überfällig: Landtagsbeschluss zur Drucksache Nr. 7/2139 endlich umsetzen – Arbeitsgruppe einsetzen!“ (Drs 7/12169)

65. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Donnerstag, 02.02.2023, TOP 3

– Es gilt das gesprochene Wort

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin,
sehr geehrte Damen und Herren,

die LINKE fordert also die Einrichtung einer Arbeitsgruppe, in die aus allen Fraktionen zwei Abgeordnete entsandt werden.

Das Anliegen verstehen wir. Was wir aber nicht verstehen, ist der Vorschlag zur Umsetzung. Ich wundere mich, dass ausgerechnet die Linke die Zusammenarbeit mit der AfD vorschlägt.

Vielleicht geht es aber auch eher darum, mal zu schauen, wo die Koalition steht.

Ich kann Ihnen sagen, wo wir als BÜNDNISGRÜNE stehen: Wir stehen für eine Anpassung der sächsischen Schuldenbremse. Wir vertreten dabei die Auffassung, dass

  1. eine Integration der wirtschaftlichen Entwicklung – also eine Konjunkturkomponente – erfolgen sollte und damit einhergehend eine anwendbare Regelung geschaffen werden muss für den Fall, dass wir konjunkturelle Kredite aufnehmen müssen;
  2. die Rückbetrachtung der letzten vier Jahre als Berechnungsgrundlage der sogenannten Normallage nicht mehr zeitgemäß ist;
  3. und wir die Haushaltsausgleichsrücklage weiterentwickeln müssen, um mehr Willkürfreiheit und damit eine Entpolitisierung von tatsächlichen Finanzrahmenbedingungen ins System zu bringen.

In Grundgesetz Artikel 109 steht, auf konjunkturelle Schwankungen ist symmetrisch und ausgleichend zu reagieren. Wir brauchen also auch in Sachsen eine Regelung, die das kann und auch in Krisenzeiten öffentliche Investitionen ermöglicht. Die sächsische Schuldenbremse macht im Moment das Gegenteil: Konjunkturelle Abschwünge werden zusätzlich verschärft; es ist de facto unmöglich, konjunkturbedingte Kredite aufzunehmen.

Lassen Sie mich ein Wort zum Mysterium „Haushaltsausgleichsrücklage“ sagen: Bei jeder Haushaltsaufstellung wird erklärt, Sachsen müsse in diese Rücklage greifen, ja sie regelrecht aufzehren, würde damit nahezu zwischen finanzieller Skylla und Charybdis segeln. Später zeigt sich,oh Wunder, dass die Rücklage trotz Entnahmeankündigungen stetig wächst. Ich bin seit 2014 im Landtag. Und ich kann mich nicht daran erinnern, dass die vom Finanzministerium eingeplanten Entnahmen aus der Haushaltsausgleichrücklage auch nur einmal wie geplant vollzogen werden mussten. Im Gegenteil – und da schauen wir mal auf die Zahlen: Waren 2016 noch 982 Millionen Euro in der Rücklage, konnte Ende 2022 ein Volumen von 2,6 Milliarden Euro ausgewiesen werden. 2020 war das einzige Jahr, in dem der Rücklage kein Geld zugeführt werden konnte. In all den anderen Jahren wurde mehr Geld reingeschoben als rausgenommen.

Woher kommt das, warum geht das? Das ist auch Ergebnis der sächsischen Normallagenberechnung, denn unsere SäHO bleibt da auch eher vage, was die Höhe der HAR angeht. Zur Normallage komme ich jetzt nochmal etwas detaillierter: Für die Berechnung werden die vier zurückliegenden Jahre – und damit nur die Vergangenheit – betrachtet. Das kontinuierliche Wachstum nominaler Steuereinnahmen wird damit ausdrücklich in Sachsen nicht berücksichtigt. Ist-Zahlen und Prognosen finden auch nicht ausreichend Beachtung. Im Ergebnis werden sogenannte „Überschüsse“ erwirtschaftet. Die bleiben in Sachsen erstmal liegen. Das Grundgesetz sieht regelmäßige „Überschüsse“ nicht vor. Der sächsische Haushalt wird dadurch viel stärker belastet, als es politisch sein dürfte.

Symmetrisch ausgleichend ist ein makroökonomisch basiertes Verfahren. Hessen arbeitet damit. Der Bund auch. Die Bundesregelung war auch Vorbild für den Europäischen Fiskalpakt. Ein bewährtes Verfahren. Die sächsische Normallagenberechnung wäre entsprechend anzupassen und aus der Haushaltsausgleichsrücklage würde ein Konjunkturkonto. Wenn auf diesem Konto ein negativer Schwellenwert überschritten wird, ist die Überschreitung konjunkturgerecht durch eine geringere Obergrenze der Nettokreditaufnahme in den Folgejahren zurückzuführen. Und das ist solide, verantwortungsvoll und transparent. Und deswegen wollen wir da auch hin.

Im Übrigen: Der Stabilitätsrat, dessen Aufgabe es ist, die Haushaltssituation der Länder zu beobachten und drohende Haushaltsnotlagen frühzeitig zu erkennen, macht das und nutzt ein makroökonomisches Verfahren. Auch für und mit Sachsen. Vielleicht kann mir bei Gelegenheit mal jemand erklären, warum das Verfahren da geeignet ist, und bei uns nicht.

Eine Schuldenbremse hat vor allem die Aufgabe, die Staatsverschuldung zu begrenzen. Und die Idee, die mit Blick auf folgende Generationen unbedingt zu unterstützen ist. Dieser Pakt mit der Zukunft kann jedoch nicht erfüllt werden, wenn der Fokus zu sehr auf Sparen zum Selbstzweck liegt.

Professor Truger von den Wirtschaftsweisen hat erst im September 2022 ausgeführt, welche Folgen die sächsische Regelung bei zunehmender Inflation für unseren Haushalt hat. Das kann auch im Anhörungsprotokoll zum Haushaltsgesetz nachgelesen werden. Die fraktionsübergreifende Diskussion hielt sich dazu in Grenzen; auch die Antragstellerin fiel nicht durch rege Beteiligung auf.

Ihren Antrag lehnen wir ab. Weil wir das vorgeschlagene Format nicht für zielführend erachten.