Regierungserklärung – Schubert: Unser politischer Umgang miteinander wird entscheidend dafür sein, wohin die Reise des Freistaates geht
Redebeitrag der Abgeordneten Franziska Schubert (BÜNDNISGRÜNE) zur Regierungserklärung zum Thema: „Mutig neue Wege gehen. In Verantwortung für Sachsen.“
7. Sitzung des 8. Sächsischen Landtags, Mittwoch, 12.02.2025, TOP 2
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
die ‚mutigen neuen Wege‘, die Sie, Herr Ministerpräsident, im Titel Ihrer Regierungserklärung benennen, bedeuten vor allem, dass es ein abenteuerlicher Weg wird:
- Diesen Weg zu Mehrheiten wird die Regierung nicht alleine gehen können. Sie braucht demokratische Verbündete. Das bedeutet eine Lernkurve für alle Beteiligten. Prozesse werden herausfordernd sein – Stillstand darf keine Option sein. Darin sehe ich die gemeinsame Verantwortung für Sachsen. Das Wort gemeinsam hat irgendwie gefehlt im Titel.
- Und dafür werden unser politischer Umgang miteinander, unser Verhalten und unsere Kommunikation entscheidend dafür sein, wohin die Reise des Freistaats geht.
Als BÜNDNISGRÜNE verstehen wir uns als konstruktive Kraft. Für uns ist klar: Mehrheiten müssen immer aus der demokratischen Mitte heraus gefunden werden, mit den Fraktionen, die stabil auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung stehen. Eine entscheidende Verantwortung dafür werden Sie, Herr Ministerpräsident, tragen.
„Demokratie ist kein Zuschauersport“ – diesen klugen Satz sagte Robert Habeck vor kurzem. Demokratie ist ebenso wenig ein Selbstläufer wie das Gelingen einer Minderheitsregierung. Deshalb kann ich nur appellieren, als demokratische Mitte zusammenzustehen und das eigene Verhalten und die Kommunikation zu hinterfragen. Ich weise schon mal vorsorglich freundlich darauf hin, dass es mit moralischer Erpressung nicht funktionieren wird. Niemand ‚treibt‘ die CDU in die Arme einer als gesichert rechtsextrem eingestuften Partei – eine solche Entscheidung trifft sie stets selbst dafür oder eben dagegen; auch im Wissen um die eigene historische Verantwortung.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
von diesen grundsätzlichen Überlegungen komme ich nun zu einem inhaltlichen Aufriss.
Angesichts der Tatsache, dass es sich beim Koalitionsvertrag um die Vorlage einer Regierung handelt, die keine sichere parlamentarische Mehrheit hat, ist der Vertrag sehr umfangreich und wird wohl kaum in der Bandbreite realistisch umsetzbar sein. Dennoch:
Als BÜNDNISGRÜNE sehen wir unterstützenswerte Ansätze, wichtige Projekte, die fortgeführt werden sollen, und auch Forderungen, die wir in den vergangenen Jahren vor- und auch vorangebracht haben. Als Bürgerrechts- und Umweltpartei fällt uns jedoch besonders kritisch auf, dass es eklatante Fehlstellen beim Bereich der Bewahrung der Schöpfung gibt und dass ungute Entwicklungen in der Innen- und Rechtspolitik drohen.
Klimaschutz ist keine Nebensache, sondern eine Zukunftsfrage.
Diese Fehlstelle ist ein Haushalts- und Wirtschaftsrisiko für den Standort Sachsen. Die Klimakrise betrifft Sachsen. Und da möchte ich gerne reagieren auf das Thema Weinbau: Unsere Kleinen Anfragen sind keine Beschäftigungstherapie für die Staatsregierung, sondern sie stellen beispielsweise die Frage nach der Verantwortung der Staatsregierung für lokal produzierte Qualität. Es ist relevant, das, was hier in Sachsen vor Ort produziert wird, als öffentliche Hand abzunehmen; das ist Wirtschaftsförderung und es stärkt die regionalen Kreisläufe.
Bei der Anpassung an den Klimawandel braucht nicht nur die Wirtschaft Hilfe, sondern auch die Kommunen. Denn alles das, was wir jetzt nicht schaffen, anzupassen, wird später finanzielle Folgen haben und die kommunalen Finanzen weiter unter Druck setzen. Wir wollen, dass der Ausbau erneuerbarer Energien weiterhin entschlossen vorangetrieben wird. Er darf nicht ausgebremst werden. Und es ist nicht dienlich, immer wieder von einer gescheiterten Energiewende zu sprechen – sie ist nicht gescheitert; die positiven Zahlen aus 2024 sind Fakten. Unternehmen brauchen Planungssicherheit für nachhaltige Investitionen, attraktive Rahmenbedingungen für Arbeits- und Fachkräfte sowie ein freundliches Willkommensklima und Weltoffenheit.
Und unser höchstes Gut sind unsere Kinder, egal woher sie kommen. Kinder und Jugendliche müssen in unseren Fokus.
Wir haben Probleme in diesem Land – die müssen wir anerkennen. Viel zu viele junge Menschen gehen ohne Schulabschluss ab und viel zu viele junge Menschen folgen mittlerweile wieder rechtem und rechtsextremem Gedankengut. Das ist ein Zukunftsrisiko und wir dürfen kein einziges Kind auf der Strecke verlieren; da müssen wir mit aller Kraft arbeiten. Es geht doch nicht nur darum, dass Sachsen beim PISA-Test gut abschneidet! Es geht darum, dass wir junge Menschen so bilden, dass sie als empathische Menschen ins Leben starten, die hilfsbereit sind, die ein Bewusstsein haben für die aus der deutschen Geschichte erwachsende Verantwortung, die ihre Talente, Fähigkeiten entwickeln dürfen, deren Kreativität unser Land voranbringen wird.
Wer die Zukunft gestalten will, muss junge Menschen ernst nehmen, ihre Anliegen hören und ihnen echte Mitspracherechte und vielfältige Chancen geben – in der Schule, in der Gesellschaft, in der Politik. Es ist nicht nur der krasse Lehrermangel und Unterrichtsausfall; es ist der Rückzug und das Sterben von freien Bildungs- und Jugendangeboten insbesondere in den ländlichen Räumen, die gefährlich sind – auch für unsere Demokratie. Die gesellschaftlichen Kosten, die hier auflaufen, sind enorm. Mir ist das besonders wichtig; mich hat das vor 25 Jahren politisiert, denn hier haben wir Entwicklungen, die wir nicht laufen lassen können – es darf keine Kürzungen geben bei der Kinder- und Jugendsozialarbeit.
Wirtschaft und Haushalt: Verantwortung übernehmen
Eng damit verbunden ist die Frage nach der Zukunft für unseren Wirtschaftsstandort Sachsen und seine Chancen. Ich hab mich sehr gefreut, dass heute mehrfach die Ansiedlung von TSMC angesprochen wurden ist. Ein kleines Detail fehlte hier auch noch: Die TSMC-Ansiedlung ist nicht nur aus sächsischer Anstrengung allein heraus gelungen, sondern wurde durch den grünen Wirtschaftsminister Robert Habeck überhaupt erst ermöglicht.
Was wir allerdings sehen: Sachsen hätte sich längst strategischer aufstellen können im Bereich Investitionen. Wir brauchen Investitionen in die Infrastruktur und zwar in der ganzen Bandbreite: auch in die grüne, auch in die blaue Infrastruktur. Haushalte, die die Zukunft verspielen, sind nicht solide.
Wir haben in der letzten Legislatur sehr dafür gekämpft, dass eine Anpassung der sächsischen Schuldenbremse kommt, um eben diesen Investitionsstau bewältigen zu können. Es ist eine historisch vertane Chance, dass uns das miteinander nicht gelungen ist.
Als BÜNDNISGRÜNE werden wir auch in den kommenden Jahren dafür arbeiten, dass sich das politische Verständnis für nachhaltiges und zeitgemäßes Wirtschaften auf die Höhe der Zeit begibt. Und wir werden auch dafür streiten, dass die Kommunen wieder die finanziellen Grundlagen erhalten, dass sie Spielräume bekommen, um Lebensqualität vor Ort zu sichern.
Starke Zivilgesellschaft in einem starken Europa
Unsere Demokratie lebt von einer starken Zivilgesellschaft. Vereine, Initiativen, ehrenamtliches Engagement, Kunst und Kultur – sie alle sorgen dafür, dass unser Land zusammenhält. Während die Regierung über Maßnahmen für mehr innere Sicherheit spricht, wird die Förderung von vielen zivilgesellschaftlichen Projekten infrage gestellt. Es droht der Rotstift. Das passt nicht zusammen. Innere Sicherheit heißt, präventiv zu arbeiten und gegen die größte Gefahr für unsere innere Sicherheit mit aller Kraft zu arbeiten – das Wiedererstarken von Rechtsnationalismus, Rechtsextremismus und jede Form von Antisemitismus. Wer die innere Sicherheit stärken will, muss unsere Demokratie stärken – er muss die Menschen stärken, die sie jeden Tag verteidigen. Das heißt auch, dass alle, die für Demokratie auf die Straße gehen, nicht diffamiert werden; sondern Ihnen gebührt ein Dank, dass sie zeigen, wer das Fundament unserer Gesellschaft ist.
Zur äußeren Sicherheit brauchen wir ein starkes Europa – und ein Sachsen, dass sich den zentralen europäischen Errungenschaften, dem Frieden in Freiheit, der Humanität und seinen Nachbarn verpflichtet fühlt. Dafür stehen wir als BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ein.
Sachsen steht vor gewaltigen Aufgaben. Die nächsten Jahre können nur dann gelingen, wenn man sich auf ein ernsthaft gutes Miteinander stützt; auf ein Geben und Nehmen; auf Großzügigkeit und Freiheit. Wir sind bereit, daran konstruktiv mitzuarbeiten. Aber wir erwarten von der Regierung und ihrem Chef, sich an der Sache zu orientieren und am Blick für das Gesamte. Dazu wird es mehr verbale Impulskontrolle und Ernsthaftigkeit im Umgang miteinander brauchen. Dann dürfen Sie, dann können Sie auf uns zählen. Ich wünsche allen Kräften der demokratischen Mitte, die notwendige Besonnenheit für die neuen Prozesse mitzubringen, aufeinander zuzugehen und anstatt stetig das Trennende zu betonen, das Verbindende wieder deutlicher in den Vordergrund zu stellen.