Pflege – Kuhfuß: Die Entlastung in der häuslichen Pflege war und ist für uns von hoher Priorität
Redebeitrag der Abgeordneten Kathleen Kuhfuß (BÜNDNISGRÜNE) zum Antrag der Fraktion DIE LINKE: „Armutsfalle Pflege wirksam bekämpfen: Eigenanteile in der Pflege deckeln! Für ein menschenwürdiges Leben im Alter!“ (Drs 7/13387)
71. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Donnerstag, 01.06.2023, TOP 11
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Kolleg*innen,
die soziale Pflegeversicherung besteht seit 1995 und wurde zur Unterstützung pflegebedürftiger Menschen eingeführt. Sie sollte dazu beitragen, dass Pflegebedürftige soweit wie möglich selbstbestimmt leben können. Sie sollen selbst entscheiden können, ob sie Pflegeleistungen von Fachpersonal in stationären Pflegeeinrichtungen oder selbstorganisiert ganz oder teilweise durch ambulante Pflegedienstleistungen und Angehörige, Bekannte oder Nachbarn in Anspruch nehmen.
Dabei ist die soziale Pflegeversicherung nicht als „Vollkaskoversicherung“ konzipiert. Dies hat in der kürzeren Vergangenheit zu großen finanziellen Belastungen der Pflegebedürftigen und ihrer Angehörigen geführt. Sei es durch die gestiegenen Gehälter der Pflegefachkräfte, die endlich angemessen nach Tarifverträgen bezahlt werden, oder durch die Energiekrise und Inflation.
Nichtsdestotrotz ist die Pflegeversicherung eine wichtige Säule unserer Sozialversicherung. Sie bietet einen immensen Schutz in einer immer älter werdenden Gesellschaft mit steigender Lebenserwartung und dadurch bedingt steigendem Risiko, pflegebedürftig zu werden. Die Geburtenraten in Deutschland sinken, das Modell der Versorgung innerhalb der Familie funktioniert in unserer heutigen Berufswelt nur noch eingeschränkt.
Seit fast 30 Jahren fängt die soziale Pflegeversicherung mit ihren vielfältigen Leistungen wie Pflegegeld, Zuschuss zu den Kosten der vollstationären Pflege, Kurzzeitpflege, Verhinderungspflege etc. dieses Lebensrisiko auf. In der Vergangenheit waren bereits Anpassungen notwendig, so wurden 2012 Demenzerkrankte stärker in die Leistungsansprüche einbezogen. Weitere Anpassungen erfolgten 2015 und 2017 und hier dann auch die Festlegung von 5 Pflegegraden anstelle der bis dato geltenden 3 Pflegestufen. Dies führte auch zu einer Vergrößerung des anspruchsberechtigen Personenkreises. Zum 1. Januar 2022 erfolgte dann die Einführung eines Leistungszuschlages zu den Leistungen der vollstationären Pflege. Dieser ist in der Höhe davon abhängig, wie lange die pflegebedürftige Person bereits in der vollstationären Pflegeeinrichtung lebt.
Am Freitag der vergangenen Woche wurde nun eine weitere Pflegereform im Bundestag beschlossen. Diese sieht weitere Leistungsverbesserungen vor, dazu zählen:
- Erhöhung des Pflegegeldes um fünf Prozent ab 2024
- Das Pflegeunterstützungsgeld kann ab 2024 kalenderjährlich beansprucht werden und beträgt zehn Arbeitstage je pflegebedürftiger Person. Es ist eine Entgeltersatzleistung wie das Kinderkrankengeld.
- Die Leistungszuschläge in der vollstationären Pflege werden jeweils um Fünf-Prozent-Punkte erhöht.
- Weitere Dynamisierungen der Geld- und Sachleistungen sind für 2025 und 2028 festgelegt.
- Das Entlastungsbudget ab Juli 2025, welches Kurzzeit- und Verhinderungspflege zusammenfasst.
Wir BÜNDNISGRÜNE begrüßen die Einigung innerhalb der Ampelkoalition und die damit verbundene Unterstützung pflegender Angehöriger, da diese den Großteil der Betreuung der Pflegebedürftigen in Deutschland übernehmen. In Sachsen werden 84,5 Prozent der pflegebedürftigen Menschen zu Hause versorgt. Das sind 262.468 Menschen. Die Entlastung in der häuslichen Pflege war und ist für uns von hoher Priorität, da hier die Hauptlast der pflegerischen Versorgung liegt.
Im Koalitionsvertrag der Ampelregierung ist ebenfalls vereinbart, die Eigenanteile in der stationären Pflege zu begrenzen und die Leistungszuschüsse zu prüfen, um die Eigenanteile weiter abzusenken. Hier gibt es sicherlich noch weiteren Bedarf, die Entwicklung der Eigenanteile zu beobachten. Wir möchten, dass für jeden Pflegebedürftigen Pflege finanzierbar bleibt und die Zahl derer, die beim Sozialamt Hilfe zur Pflege beantragen müssen, eingegrenzt wird.
Während es vor 1995 der Regelfall war, dass die Kosten für einen Pflegeheimplatz durch das Sozialamt getragen wurden, sollte dies mit der Pflegeversicherung nicht mehr sein. Jedoch können wir die Leistungen nicht weiter ausweiten, ohne auch auf die Finanzierung der sozialen Pflegeversicherung zu schauen. Hier findet sich in der Pflegereform als Antwort nur die Anhebung des Beitragssatzes. Dies ist für uns BÜNDNISGRÜNE keine nachhaltige Lösung. Zu einer gerechteren Finanzierung gehört es, die von der Pflegeversicherung getragenen Pandemiekosten und die Rentenbeiträge für pflegende Angehörige aus Steuermitteln zu erstatten. Permanent steigende Beiträge in der gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung (GKV+SPV) führen zu einer ungerechten Beitragslast der Versichertengemeinschaft in der GKV und SPV. Daher muss die Finanzierung der sozialen Pflegeversicherung auf eine breitere Basis gestellt werden und dies ist mit dieser Pflegereform noch nicht geschehen.
In unseren Augen ist der Antrag der Linksfraktion aufgrund der Verabschiedung des Pflegeunterstützungs- und –entlastungsgesetzes zeitlich überholt. Des Weiteren fordert die Linksfraktion ein Mehr an Leistungen, wie z.B. ein Landespflegegeld, ohne die Frage zu beantworten, wie sich dies finanzieren lässt.
Daher lehnen wir den Antrag ab. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!