Petitionsausschuss – Hammecke: Die Anliegen der Petent*innen sind so vielfältig wie die Menschen in Sachsen
Redebeitrag der Abgeordneten Lucie Hammecke (BÜNDNISGRÜNE) zum Bericht des Petitionsausschusses (Berichtszeitraum 1. Januar bis 31. Dezember 2022) Drs 7/14388
76. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Donnerstag, 21.09.2023, TOP 4
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrter Herr Präsidentin,
werte Abgeordnete,
alle Jahre wieder sprechen wir hier in ja scheinbar vergleichbarer Manier über die vergangene Arbeit des Petitionsausschusses – wobei der Anschein der Routine aufkommen könnte. Und natürlich sind die Arbeitsabläufe im Petitionsausschuss nach nun fast vier Jahren in diesem Gremium für die Abgeordneten und die Mitarbeiter*innen bis zu einem gewissen Grad sicherlich Routine.
Das heißt für uns 28 Abgeordnete, denn der Petitionssausschuss ist der personell größte Ausschuss im Landtag. Aber für die restlichen 91 Abgeordnete sicherlich nicht. Denn die Arbeitsweise im Petitionsausschuss ist sicherlich einzigartig und nicht mit der Arbeit in anderen Ausschüssen zu vergleichen. Ich scherze manchmal, allerdings in der völligen Überzeugung, dass es stimmt, dass in keinem Ausschuss so viel abgestimmt wird wie im Petitionsausschuss. Der Ausschuss arbeitet aber auch in einer Art und Weise, die dem restlichen Landtag völlig fern ist – und der Öffentlichkeit natürlich auch. Deshalb ist es richtig und wichtig, dass der Petitionsausschuss und seine Anliegen einmal im Jahr hier den öffentlichen Raum im Hohen Haus bekommen.
Denn so öffentlichkeitswirksam Petitionen sein können, so fern ist doch die Ausschussberatung – und deshalb vielleicht mit ein paar Mythen aufräumen.
1. Man braucht eine bestimmte Anzahl an Unterschriften, um eine Position einzureichen – Falsch.
Eine einzelne Person hat das Recht, sich an den Petitionsausschuss zu wenden, und das Anliegen wird mit genauso viel Ernsthaftigkeit behandelt, wie eine Petition mit sehr vielen Unterschriften. Das unterscheidet das Petitionsrecht von zum Beispiel Volksanträgen.
2. Man muss aus Sachsen kommen – Falsch.
Jeder Mensch hat das Recht, sich an den Petitionsausschuss zu wenden. Das ist ein in der Verfassung verbrieftes Recht. Artikel 35: Jede Person hat das Recht, sich einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen schriftlich mit Bitten oder Beschwerden an die zuständigen Stellen und an die Volksvertretung zu wenden.
3. Man muss mindestens 18 Jahre alt sein, wie beim Wählen – Falsch.
Auch hier gilt das oben geschriebene Recht. Jeder Mensch, auch unter 18 Jahre alt zu sein, kann sich an den Landtag wenden.
All diese Voraussetzungen führen dazu, dass die Anliegen der Petent*innen so vielfältig und viele sind, wie die Menschen, die sich an den Petitionsausschuss wenden.
Ein Blick in den Bericht bestätigt diesen Eindruck sehr schnell. Denn die Anliegene der Menschen sind Ergebnis von gesellschaftlichen Realitäten, die sich wandeln, neu ergeben, aufbrechen oder verheilen.
Und auch wenn wir im Rahmen unserer Arbeit in unseren Wahlkreisen stets in regem Austausch zu Bürger*innen, stehen, uns Briefe und Schreiben und Social Media Kommentare erreichen, existiert doch ein gewisser Vorfilter, gerade wenn es sich nicht um perfekt lobbyierte Interessen handelt.
Diesen Vorfilter gibt es bei der Petitionsarbeit nicht – und das sorgt für eine Themenvielfalt, die ihresgleichen sucht. Man kann zwar Sprecherin für diverse Themenfelder einer Fraktion sein, aber das bedeutet nicht, dass man sich nicht im Petitionsausschuss mit völlig anderen Themen befassen muss – ich möchte sagen: befassen darf.
Nicht alle Petent*innen werden mit dem Ergebnis Ihrer Befassung zufrieden sein, das liegt leider in der Natur der Sache, denn der Petitionsausschuss kann viele Dinge eben auch nicht:
Natürlich Gerichtsurteile verändern oder befürworten, aber auch Gesetzesänderungen aus dem Ausschuss heraus, manchmal sind wir aber auch einfach nicht zuständig – aber an vielen Stellen können wir für Klarheit Sorgen, wir können anstoßen Ermessensspielräume zu nutzen, erklärend tätig werden, in Zusammenarbeit gerade mit der kommunalen Ebene den ein oder anderen Stein ins Rollen bringen. Und das ist viel wert.
Und deswegen ist die Arbeit des Ausschusses so vielfältig wie auch lehrreich. Denn einem gibt sich im Petitionsausschuss eigentlich niemand hin: der Illusion der Erhabenheit der eigenen Argumente.
Und deshalb möchte ich nachdenklich auf die Debatte von gestern Abend verweisen. Sowohl Herr Heinz als auch Herr Richter trafen meiner Meinung nach passende Worte, um eine Sorge zu beschreiben, die auch ich teile. Die Instrumentalisierung dessen, was der Petitionsausschuss ist, und was er sein sollte. Und mit Blick auf das nächste Jahr und die anstehende Landtagswahl möchte ich den Wunsch äußern, dass sich dies nicht weiter verschlimmert. Das würde dem Anspruch, den dieser Ausschuss eigentlich an seine Arbeit hat, nicht gerecht werden. Und dafür gibt es in diesem Parlament sehr viele genau richtige Orte für diese Debatte.
Dabei möchte ich nicht behaupten, dass Petitionen unpolitisch seien, dass Stellungnahmen der Staatsregierung als eine Grundlage unserer Arbeit unpolitisch sind. Nichts läge mir ferner. Aber die Grenzen des Wirkens des Petitionsausschusses anzuerkennen und transparent zu machen, sind eine wichtige Voraussetzung für eine Arbeit in ihm.
Ich möchte an dieser Stelle schließen mit dem Dank für die gute Zusammenarbeit im Ausschuss der vergangenen Jahre, den Petent*innen, den Mitarbeiter*innen im Ausschusssekretariat und meinen Kolleg*innen, allen voran der Ausschussvorsitzenden Simone Lang.
Denn eines möchte ich hier noch einmal klar stellen. ALLES, was wir hier beschließen, ALLES, was wir hier normalerweise ohne viel Aufregung am Mittwochabend eines jeden Plenums beschließen, denn seien wir mal ehrlich, auch wenn wir über drei Petitionen uns hier streiten, dann sind immer noch 40 bis 50 weitere Petitionen, die wir beschließen, viele auch ohne abweichende Meinung – all dies geht mit Namen und Unterschrift der Ausschussvorsitzenden raus, all die Kritik, aber auch der ungerechtfertigte Hass, kommt bei Simone Lang an. Das sollte allen bewusst sein, wenn man sich – teils polarisierend-populistisch – in der Debatte um Petitionen äußert. Deshalb vielen Dank Simone.
Ihr Vorwort in dem Jahresbericht öffnet sie mit den schönen Worten: „Petitionen sind Seismografen für Gerechtigkeitsfragen“. Eine treffende Beschreibung und gelungene Einleitung für ein Werk, das auch auf den folgenden Seiten lehrreich ist.
Mit diesen Worten, möchte ich enden.
Vielen Dank