Längeres Gemeinsames Lernen – Melcher: Es ist an uns, die Schullandschaft weiter zu bestärken und zu ermutigen
Redebeitrag der Abgeordneten Christin Melcher (BÜNDNISGRÜNE) zum Antrag der Fraktion DIE LINKE: „Längeres Gemeinsames Lernen in Sachsen: Bilanz der Einführung der Gemeinschaftsschule im Freistaat Sachsen jetzt!“ (Drs 7/13709)
73. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Mittwoch, 05.07.2023, TOP 11
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
vor ziemlich genau einem Jahr haben wir hier im Hohen Hause im Rahmen einer Aktuellen Debatte auf Antrag der SPD-Fraktion bereits eine Zwischenbilanz des längeren gemeinsamen Lernens gezogen.
Sofern mit dem Antrag der LINKEN der Eindruck entsteht, wir hätten mit Einführung der Gemeinschaftsschule einen Haken an das Thema gemacht, so kann ich sagen: Das ist mitnichten der Fall.
Richtig ist, dass erst seit gestern ein offizieller Bericht vorliegt, obwohl dies 2020 vom Landtag beschlossen wurde. Das Kultusministerium hat dieses Versäumnis bereits eingeräumt.
Auch wenn dieser Antragspunkt berechtigt ist, war vorher abzusehen, dass dieser Bericht recht schmal ausfallen wird. Nun sind es 7 Seiten geworden. Bis heute existiert eben nur eine Handvoll Gemeinschaftsschulen und Oberschulen+, daher sind die Erfahrungen noch überschaubar.
Das wissen ganz sicher auch die Kolleginnen und Kollegen der Fraktion DIE LINKE, mindestens seit ihrer letzten Kleinen Anfrage zum Thema.
Insofern vermute ich, es geht ganz offenbar nicht vordergründig um einen Sachstandsbericht. Vielmehr schwingt im Antrag der Vorwurf mit, längeres gemeinsames Lernen sei in Sachsen zwar möglich, aber nach wie vor nicht erwünscht.
Das finde ich aus zweierlei Gründen schwierig.
Zum einen haben wir mit der Änderung des Schulgesetzes 2020 den Weg für das längere gemeinsame Lernen eröffnet. Aus BÜNDNISGRÜNER Sicht war dies ein Meilenstein. Wir haben uns nach zähem Ringen auf ein optionales Modell verständigt, das heißt, alle an Schule Beteiligten müssen im Boot sein und die Gemeinschaftsschule wollen.
Das löst eben keine Revolution aus, aber dennoch haben sich Schulen auf den Weg gemacht. Diesen politischen Erfolg und dieses Engagement von Schulen sollten wir nicht madig machen lassen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
ich wünsche mir, dass die ersten Schritte zum längeren gemeinsamen Lernen nicht klein geredet werden. Vielmehr ist es an uns, die Schullandschaft zu bestärken und zu ermutigen.
Zweitens: Geht es offenbar darum, die Erfolge klein zu reden. Das ist vielleicht auch ihre Aufgabe als Opposition.
Auch wir haben den Volksantrag maßgeblich mit unterstützt. Die inhaltlichen Differenzen und Rahmenbedingungen sind bekannt und die Meinungen dazu ausgetauscht.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
wir haben das Schulgesetz geändert, es gibt eine Schulordnung und einen Leitfaden. Eine Plenardebatte darüber, ob es eine gezielte Förderung der Gemeinschaftsschulen braucht oder eine proaktive Schulverwaltungspraxis, damit die Gemeinschaftsschule, ich zitiere, die „Standard-Schulform“ im sächsischen Schulsystem wird – ganz ehrlich: Eine solche Debatte ist in ihrem Verlauf vorhersehbar.
Aber was viel schwerer wiegt: Sie hilft den Schulen überhaupt nichts.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
ich hätte es begrüßt, anhand des Antrags tatsächlich eine Bilanz zu erwirken, etwa durch eine Sachverständigen-Anhörung im Schulausschuss.
Wir haben als BÜNDNISGRÜNE-Landtagsfraktion mehrere Veranstaltungen zum Thema gemacht. Dabei ging es natürlich auch um bestehende Hürden und Regelungslücken bei Gründung und Betrieb einer Gemeinschaftsschule oder Oberschule+.
Es wurde sehr deutlich: Das ist eine Entwicklung, für die wir mit der Schulgesetzänderung lediglich den Startschuss gegeben haben. Ich bin zuversichtlich, dass es auf dem weiteren Weg noch Veränderungen geben kann und wird.
Ob diese Veränderungen das Schulgesetz adressieren, die Schulordnung oder den Leitfaden, ob es mehr Unterstützung durch die Schulaufsicht und durch Netzwerkarbeit geben wird, wie die Lehrkräfte-Aus- und Fortbildung künftig aussehen soll – all das muss aus meiner Sicht mit der Schulpraxis ausgelotet werden und dann auch im politischen Raum.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
der vom Kultusministerium gestartete Beteiligungsprozess „Bildungsland Sachsen 2030“ spricht jedenfalls eine deutliche Sprache, wo die Reise hingehen soll.
In einer Empfehlung der Expert*innen-Räte heißt es: „Schulträger sollten auf Beschluss der Schulkonferenz räumlich getrennte Schulen zu Schulverbünden und Schulen am gemeinsamen Standort zu Schulzentren unter einer Leitung und gemeinsamer Stellen- und Mittelbewirtschaftung zusammenfassen zu können.“
Wir BÜNDNISGRÜNE stehen unverändert zur Gemeinschaftsschule. Aus unserer Überzeugung ist das längere gemeinsame Lernen die Zukunft, aus programmatischen und aus pragmatischen Gründen gleichermaßen.
Lassen wir uns die Erfolge nicht klein reden, stärken wir positive Entwicklungen und blicken wir zuversichtlich in die Zukunft!
Wir werden Ihren Antrag ablehnen. Vielen Dank.