Kita-Moratorium – Melcher: Mehr Qualität in der frühkindlichen Bildung schaffen wir nur gemeinsam mit den Kommunen

Redebeitrag der Abgeordneten Christin Melcher (BÜNDNISGRÜNE) zum Antrag der Fraktionen CDU, BÜNDNISGRÜNE und SPD: „Kita-Moratorium zur Sicherung der „demografischen Rendite“ (Drs 7/17127) sowie dem Antrag der Linksfraktion „Starke Kitas für starke Kinder“ – Jetzt!: Moratorium für den Erhalt und die langfristige Sicherung der Kita-Standorte in Sachsen“ (Drs 7/17077)

92. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Donnerstag 26.09.2024, TOP 2

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

am vergangenen Freitag riefen Kitas im ganzen Land die Alarmstufe rot aus, auch heute wird direkt vor dem Landtag demonstriert.

Nachdem es viele Jahre vor allem darum ging, ausreichend Kitaplätze zur Verfügung zu stellen, ist die Bedarfsdeckung inzwischen kein Thema mehr. Die Kinderzahlen sinken – und zwar deutlich.

Gleichzeitig ist die Betreuungsrelation oft nicht kindgerecht. Die personellen Lücken sind tagtäglich spürbar.

Es entsteht eine paradoxe Situation: Es wird aufgrund weniger Kinder in den Einrichtungen weniger Personal beschäftigt – obwohl es für eine pädagogisch hochwertige Arbeit eigentlich mehr Erzieherinnen und Erzieher bräuchte.

Im Jahr 2023 wurden rechnerisch rund 265.600 sogenannte 9-Stunden-Kinder in sächsischen Kitas betreut. In diesem Jahr sind es etwa 1.700 Kinder weniger.

1.700 Kinder, für die der Freistaat im kommenden Jahr keinen Landeszuschuss zahlen würde, wenn der bisherige Mechanismus beibehalten wird: eine Pauschale pro betreutem Kind und Jahr bei gleichbleibendem Personalschlüssel.

Für dieses Haushaltsjahr sind gut 920 Millionen Euro veranschlagt. Schon im kommenden Jahr dürfte sich die sogenannte „demografische Rendite“ auf mindestens 14,5 Millionen Euro belaufen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
wir BÜNDNISGRÜNE sind überzeugt: Diese demografische Rendite muss zu einem pädagogischen Plus werden! Die Erzieherinnen und Erzieher in Sachsen brauchen endlich mehr Zeit für unsere Kinder.

Liebe Kolleginnen und Kollege,
ein Blick auf die beiden vorliegenden Anträge zeigt: Dieser Punkt ist nicht der strittige. Beide Anträge werben für ein Kita-Moratorium. Beide wollen die Landeszuschüsse auf dem derzeitigen Niveau fortschreiben. Beide sprechen von bzw. für mehr Qualität in der frühkindlichen Bildung.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
am Antrag der Linksfraktion missfallen mir aber insbesondere zwei Dinge:

Erstens suggeriert die Fraktion, sie hätte das Moratorium erfunden – dabei hat die GEW bereits im Mai ein solches gefordert. Auch wir BÜNDNISGRÜNE haben uns im Frühjahr entsprechend geäußert. Im Wahlkampf haben praktisch alle Parteien Unterstützung zugesichert – einschließlich des Kultusministers.

Der Kultusminister ließ sich übrigens schon im Juni vergangenen Jahres wie folgt zitieren: „Wenn wir die Qualität weiter stärken wollen, sollten wir an dem Personaltableau in den Kindertageseinrichtungen festhalten, um den Rückgang der Kinderzahlen als demografische Rendite zu nutzen. Eine bessere kindbezogene Förderung wäre die Folge.“

Auch in der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion teilte das Kultusministerium zudem mit, man habe im Entwurf „zum Doppelhaushalt 2025/2026 einen Vorschlag eingebracht, mit dem der ‚eingesparte‘ Landeszuschuss eingesetzt wird zur Gegenfinanzierung einer Verbesserung der Personalausstattung“.

Die Frage „Wer hat’s erfunden?“ können wir also getrost einem Schweizer Kräuterbonbon-Hersteller überlassen.

Zweitens: Selbst wenn heute nur der Antrag der Linksfraktion auf der Tagesordnung gestanden hätte, hätten wir BÜNDNISGRÜNE diesem nicht ohne Änderungen zustimmen können. Dafür enthält er zu viele Ungenauigkeiten. Diese kursieren leider ebenso in der öffentlichen Debatte, weshalb ich dazu noch einige Worte verlieren möchte.

  1. Der Freistaat Sachsen ist nicht Träger der Kindertagesbetreuung in Sachsen – das sind die Kommunen.
  2. Die Erzieherinnen und Erzieher sind in aller Regel keine Landesbediensteten – deshalb kann der Freistaat selbst keine Fachkräfte „halten“ oder Kurzarbeit und Entlassungen verhindern.
  3. Die Kita-Bedarfsplanung ist eine kommunale Pflichtaufgabe – deshalb kann der Freistaat keine Gewähr für die langfristige Sicherung der Kita-Standorte übernehmen.

Ein Kita-Moratorium versetzt die Kommunen als Träger der Kindertagesbetreuung in die Lage, ihr Personal im derzeitigen Umfang weiterbeschäftigen zu können.

Ein Kita-Moratorium hat dabei dabei keinen unmittelbaren Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit oder Unwirtschaftlichkeit einer Kita. Gibt es nicht genug Kinder für eine Einrichtung oder sind Betriebs- oder Investitionskosten zu hoch, wird auch ein Moratorium eine drohende Schließung nicht verhindern können – das gehört zu einer ehrlichen Debatte dazu.

Das Moratorium, das wir heute beschließen wollen, sichert die Landeszuschüsse auf bisherigem Niveau.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
damit ist ein erster Schritt getan – ein erster Schritt, dem weitere folgen müssen.

Dazu zählt eine erneute Anpassung des Kitagesetzes. Wir brauchen mehr Personal, um Kinder besser in ihrer Entwicklung fördern zu können und um Erzieherinnen und Erzieher zu entlasten. Der Bund hat grünes Licht für eine Fortsetzung des Kita-Qualitätsgesetzes gegeben.

Für uns BÜNDNISGRÜNE ist klar: Wenn wir es schaffen, jetzt alle ins Boot zu holen, ist ein ordentlicher Qualitätsschub in der frühkindlichen Bildung möglich!

Damit meine ich ganz explizit auch die kommunale Familie. Sie ist maßgeblicher Kostenträger bei der Kindertagesbetreuung. Mir ist bewusst, dass sogenannte „Standarderhöhungen“ hier nicht auf breite Gegenliebe stoßen, solange nicht gleichzeitig eine Dynamisierung beschlossen wird.

Ich möchte an dieser Stelle an die Verhandlungen zum Doppelhaushalt 2023/24 erinnern. Dort ist es uns gelungen, beides zu adressieren: die Qualität in den Einrichtungen UND die Entlastung der Kommunen.

Wir brauchen einen Schulterschluss mit der kommunalen Familie – denn nur gemeinsam schaffen wir mehr Qualität in der frühkindlichen Bildung!

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

zuletzt möchte ich einen Dank aussprechen: Ich freue mich, dass es gelungen ist, zusammen mit den Koalitionspartnerinnen von CDU und SPD noch einen letzten gemeinsamen Antrag einzubringen. Es freut mich, weil das Anliegen, ich hatte es bereits gesagt, in den vergangenen Wochen und Monaten von allen Seiten Unterstützung erfuhr. Es ist so wichtig, in diesen aufgeregten Zeiten Wort zu halten. Es wäre nicht vermittelbar, wenn es im Landtag keine Mehrheit für ein mehrheitlich gewolltes Anliegen gibt.

Ich freue mich auch deswegen über diesen Antrag, weil er einen guten Abschluss bildet für eine fünfjährige gute und konstruktive Zusammenarbeit mit den Bildungspolitikerinnen und Bildungspolitikern in CDU und SPD. Ich möchte mich an dieser Stelle sehr herzlich bei den Kolleginnen und Kollegen bedanken, insbesondere bei Sabine Friedel.

Ebenso gilt mein Dank dem Kultusminister und seinem Haus für eine stets sachliche und faire Zusammenarbeit.

Es lohnt sich immer, sich für unsere Jüngsten und für beste Bildung einzusetzen. Ich bitte daher heute um Zustimmung zu unserem Antrag. Vielen Dank.

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