Justiz/Videoverhandlungen – Lippmann: Es bedarf einer datenschutzsicheren technischen Ausstattung und ausreichend Know-how bei den Beteiligten
Redebeitrag des Abgeordneten Valentin Lippmann (BÜNDNISGRÜNE) zum Antrag der Fraktionen CDU, BÜNDNISGRÜNE und SPD: „Digitalisierung der Sächsischen Justiz: Videoverhandlungen im Freistaat Sachsen“ (Drs 7/10138)
62. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Donnerstag, 15.12.2022, TOP 10
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
mit unserem Antrag wollen wir die Möglichkeiten von Videoverhandlung in sächsischen Gerichten näher ausleuchten, um daraus weitere Schritte und Möglichkeiten abzuleiten.
Die Möglichkeit von Videoverhandlungen gibt es schon länger: Der Einsatz von Videokonferenztechnik in gerichtlichen Verfahren findet seinen Ausgangspunkt im strafprozessualen Zeugenschutz. Die audiovisuelle Vernehmung von Zeugen (§ 247a Strafprozessordnung) wurde durch das Zeugenschutzgesetz 1998 eingeführt. 2004 wurde im Strafprozess die zeitgleiche Bild- und Tonübertragung vom Vernehmungsort in das Sitzungszimmer für bestimmte Fälle zugelassen. Schließlich wurde mit der Reform der Zivilprozessordnung 2001 die einverständliche Nutzung von Videotechnik in § 128a Zivilprozessordnung aufgenommen, welcher zuletzt 2013 geändert wurde und durch Verweisnormen entsprechend auch für andere Verfahren, wie beispielsweise Sozialgerichtsverfahren, Arbeitsgerichtsverfahren oder Verwaltungsgerichtsverfahren gilt.
Damit hat die Videoverhandlung in Gerichtsverfahren eigentlich schon ein alter Hut. Zumindest was die Gesetzeslage betrifft, allerdings weniger in der Praxis.
Interessant wurde sie erst durch Corona. Plötzlich stand die Justiz vor ganz neuen Herausforderungen: nicht ausreichend große Sitzungssäle, um den Mindestabstand einzuhalten, bauliche Veränderungen durch Plexiglasscheiben oder die Maskenpflicht in Gerichtsgebäuden. Und Videoverhandlungen. Damals wurde sie als „Wunderkasten“ gefeiert (so der Deutsche Anwaltsverein), als „kleiner Boom“ (LTO) und Gerichtspräsidentinnen ermunterten Anwaltschaft „es doch einmal auszuprobieren“ (Präsidentin LG München).
Dass es bei der Umsetzung hapert, liegt auf der Hand: Es bedarf einer datenschutzsicheren technischen Ausstattung der Gerichte und Justizbehörden, es braucht aber auch das Know-how bei den Beteiligten. Einigen dürfte das Video einer Gerichtsverhandlung bekannt sein, in welcher ein Anwalt versehentlich einen Katzenfilter eingestellt hatte und den Richter überzeugen wollte, er sei keine Katze („Im not a cat“).
An den Herausforderungen setzt unser Antrag an, um überhaupt mal zu schauen, wie die Möglichkeit bisher genutzt wurde und welche technischen Voraussetzungen vorliegen. Und so schlecht sieht es gar nicht aus: So wurden im Jahr 2021 am OLG Dresden 139, am LG Leipzig sogar 241, am Landgericht Dresden hingegen nur 45 Videoverhandlungen durchgeführt. Am Sozialgericht Leipzig werden seit August 2021 zehn Videoverhandlungen pro Tag durchgeführt.
Sowohl das OLG Dresden als auch sämtliche Landesgerichte sind mit entsprechenden Videokonferenzanlagen ausgestattet, die die Durchführung von Videokonferenzen auf sogenannten SIP-Standards ermöglichen. Darüber hinaus sind die Gerichte mit „Einzelkomponenten“ (Laptops?) und Webkonferenzsoftware ausgestattet – und an ausgewählten Standorten sind Videovernehmungslösungen möglich.
Als Software dient den Gerichten eine Serverlösung („ON-Premise“) von WebEx, die exklusiv für den Freistaat zur Verfügung gestellt wird und als interne Infrastruktur genutzt wird.
Nach Stellungnahme des Hauses wird die Sächsische Lösung in der Fachliteratur sogar als „Königsweg“ bezeichnet (passt ja zum Freistaat). Datenschutzrechtliche Vorgaben müssen aber zwingend mitgedacht werden. Insbesondere muss sichergestellt sein, dass die Daten durch die Nutzung bestimmter Anbieter nicht in Drittstaaten übermittelt werden und dass etwaige Auftragnehmer die Daten nicht zu eigenen Zwecken nutzen dürfen.
Der Einsatz von Videokonferenztechnik ist Ausdruck einer modernen, digitalen und bürgernahen Justiz. Zuletzt hat das Bundesministerium der Justiz unter Marco Buschmann einen Gesetzesentwurf vorgelegt, um das Instrument der Videoverhandlungen zu stärken – was grundsätzlich zu begrüßen ist. Ob eine Pflicht zur Videoverhandlung die Lösung ist, hängt allerdings auch mit der entscheidenden Frage der Finanzierung und Ausstattung zusammen. Und zwar nur im Bereich Digitalisierung, sondern auch im Bereich Personal, Stichwort: Pakt für den Rechtsstaat.
Wir werden deshalb mit dem aktuellen Haushalt insgesamt 90 Millionen Euro für die Digitalisierung von Rechtsstaat und Justiz, vorrangig zur Umsetzung der eAkte, einstellen. Denn diese muss bis 2026 umgesetzt sein.
Warum die AfD jetzt extra einen Änderungsantrag bemüht, um zukünftige Entwicklungen zu berichten, erschließt sich mir nicht ganz und dem bedarf es aus unserer Sicht auch nicht. Uns geht es vorrangig um den Status Quo und die Umsetzung gerade mit Blick auf die Corona-Zeit. Kleiner Tipp: Sowas kann man auch durch Kleine Anfragen erfragen, aber sicher wollten sie nur unserem Antrag einfach irgendetwas entgegensetzen und wussten auch nicht so richtig was.
Vielen Dank