Datum: 27. März 2025

Gedenkstättenbesuche – Maicher: Schulen und Gedenkstätten sollten hier ernsthaft unterstützt und nicht einfach nur verpflichtet werden

Redebeitrag der Abgeordneten Dr. Claudia Maicher (BÜNDNISGRÜNE) zum Antrag der Fraktion BSW: „Gegen das Vergessen – Gedenkstättenbesichtigungen in der Schule als Mahnung für die Zukunft verbindlich einführen!“

11. Sitzung des 8. Sächsischen Landtags, Donnerstag, 26.03.2025, TOP 8

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

die Kooperation von Schulen und Gedenkstätten ist ein wichtiges Entwicklungsfeld des historisch-politischen Lernens in Sachsen. Wir BÜNDNISGRÜNE wollen, dass mehr Schülerinnen und Schüler Lernorte des Erinnerns besuchen können. Denn in dem anschaulichen und auch emotionalen Zugang zu Geschichte liegt ein besonderes Potenzial. Hier gelingt die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit politischer Gewaltherrschaft und mit Menschen- und Freiheitsrechten in unserer Gegenwart auf besondere Weise.

Wenn dieses Potenzial verstärkt genutzt werden soll, brauchen wir eine Unterstützung engagierter Lehrkräfte. Die Landesservicestelle „Lernorte des Erinnerns und Gedenkens“ macht genau das. Sie bietet für Fahrten an Orte innerhalb Sachsens finanzielle Unterstützung und verknüpft inzwischen circa 50 Lernorte. Sie berät außerdem zu Finanzierung, Reiseorganisation und Programmgestaltung. Diese vorhandenen Strukturen müssen weiter gefördert werden.
Im Haushaltsentwurf des SMK stehen nun aber deutlich weniger Mittel für Demokratieerziehung und politische
Bildung. Das würde auch diese außerschulischen Aktivitäten einschränken. Die Staatsregierung geht also gerade in die entgegengesetzte Richtung.

Auch die Gedenkstätten müssen so ausgestattet sein, dass sie den Bedarf aufnehmen und gute Lernangebote machen können. Es ist ein großer Unterschied, ob eine Klasse nur durch eine Ausstellung geht oder ob pädagogisches Personal einen Halbtags-Workshop anbieten kann und auf individuelle Sichtweisen eingeht. In den vergangenen Haushalten haben wir die Mittel für Gedenkstättenpädagogik aufgestockt. Im Entwicklungskonzept der Gedenkstättenstiftung hat ein weiterer Aufwuchs pädagogischer Stellen aber weiterhin hohe Priorität. Auch an dieser Stelle hilft der Haushaltsentwurf der Staatsregierung nicht weiter.

Ohne bessere Unterstützung bleiben mehr Gedenkstättenbesuche ein frommer Wunsch und diese Initiative ein pro forma Antrag. Es fehlt der konkrete Auftrag an die Staatsregierung. Gerade bei den Unterstützungsmaßnahmen wäre mit „Verbindlichkeit“ viel gewonnen.

Das Wort „verbindlich“ scheint mir im Antrag jedoch anders gemeint zu sein, nämlich als Einführung einer Verpflichtung. So hat sich das BSW ja auch im Wahlkampf geäußert. Das ist aber viel zu einfach gedacht und passt aus zwei Gründen nicht:

Erstens bringt eine Pflicht noch gar nichts. Auf qualitativer Ebene kann man mit einem Pflichtbesuch keinen Haken an die Sache machen. Zweitens wird eine Pflicht eher nach hinten losgehen. Das sage nicht ich, sondern eine übergroße Mehrheit der KZ-Gedenkstätten.

Die Forderung kam auch schon von der letzten Unionsfraktion im Bundestag und war sichtlich ein Reflex auf die erschreckende Zunahme antisemitischer Vorfälle. Es ist aber naiv zu glauben, dass man hier mit Druck viel erreichen kann. Es ist besser, zu schauen, was pädagogisch funktioniert.

Freiwilligkeit bedeutet im Gedenkstätten-Kontext eben nicht „Unverbindlichkeit“, sondern ist ein wichtiges pädagogisches Prinzip. Die Erfahrung zeigt, dass Zwang häufig sogar Ablehnung verstärkt.

Es kommt viel mehr darauf an, dass Besuche pädagogisch gut vorbereitet und begleitet werden können. Nur so kann man junge Menschen bei der Verarbeitung von Eindrücken unterstützen und antisemitischen oder demokratiefeindlichen Einstellungen in der Klasse begegnen.

Statt einer Pflicht sind die Bedingungen zu verbessern, wie Gedenkstättenbesuche, aber auch Stadtrundgänge oder Projekttage besser im Schulalltag integriert werden können. Bislang greift die BSW-Fraktion hier nur ein einzelnes pädagogisches Mittel heraus, ohne es in ein breiteres Konzept zur Stärkung von historisch-politischer und Demokratie-Bildung einzubetten. Das funktioniert so nicht.

Ebenso isoliert, statt an der vorhandenen Erinnerungskultur in Sachsen orientiert, ist die Eingrenzung auf NS-Gedenkstätten. Wir gedenken hier einer doppelten Diktaturgeschichte, ohne Nationalsozialismus und SED-Diktatur gleichzusetzen, ohne weiter zwischen verschiedenen Opfergruppen zu polarisieren. Viele Gedenkorte haben eine doppelte Geschichte. Es ist deshalb angebracht, Besuche zum Thema SBZ/DDR ebenfalls zu unterstützen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
wir BÜNDNISGRÜNE teilen das Anliegen, mehr Gedenkstättenbesuche möglich zu machen. Das sollte aber gemeinsam mit Schulen und Gedenkstätten angegangen werden und nicht einfach mit so einer Deklaration.