Flächenverbrauch – Kummer: Wir BÜNDNISGRÜNE setzen uns für ein Netto-Null-Ziel beim Bodenverbrauch ein

Redebeitrag der Abgeordneten Ines Kummer (BÜNDNISGRÜNE) zur Großen Anfrage der Fraktion DIE LINKE: „Flächenverbrauch in Sachsen stoppen: Bestandsuafnahme, Perspektiven und wirksame Schutzmaßnahmen“ Drs 7/9989
76. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Donnerstag, 21.09.2023, TOP 6

– Es gilt das gesprochene Wort –

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

neun Fußballfelder. Rund 300 mal 200 Meter. Oder eben 6,3 Hektar. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie wissen, ich bin die sportpolitische Sprecherin meiner Fraktion, aber heute geht es nicht um Ballsport, sondern darum, wie wir mit dem Land in unserem schönen Freistaat umgehen. Mit unseren Feldern – also den Äckern, nicht den Sportplätzen – und unseren Wäldern. Oder technischer ausgedrückt: Mit der Ressource Boden. Neun Fußballfelder, das ist die Fläche, die wir in Sachsen jeden einzelnen Tag neu in Anspruch nehmen.

Diesen Wert hat das Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie für 2021 als Fünf-Jahres-Durchschnitt berechnet.

Nur als Beispiel: Nimmt man jeden Tag diese 6,3 Hektar vom Großen Garten hier in Dresden weg, ist nach 23 Tagen, also gut zwei Wochen, nichts mehr davon übrig.

Natürlich fällt es im Allgemeinen nicht so drastisch ins Auge. Es ist mal eine neue oder ausgebaute Staatsstraße hier, ein Gewerbegebiet dort. Noch ein weiteres Einfamilienhausgebiet, wo früher Kühe weideten oder noch ein neuer Supermarkt mit Superparkplatz am Stadtrand. Ein schleichender Prozess, von dem eigentlich alle wissen, dass das langfristig nicht so weitergehen kann. Denn wir brauchen gesunde Böden. Sie übernehmen viele Funktionen, angefangen beim Wasserhaushalt über die Artenvielfalt bis hin zur Ernährung der Bevölkerung.

Seit 2009 existiert in Sachsen das Ziel, die Flächen-Neuinanspruchnahme auf zwei Hektar pro Tag zu reduzieren. Dieser Wert ist abgeleitet vom Flächensparziel des Bundes und wurde in den vergangenen 14 Jahren regelmäßig um das zwei- bis dreifache überschritten.

Gleichzeitig werden perspektivisch immer weniger Menschen in Sachsen leben. Die aktuelle Bevölkerungsvorausberechnung geht davon aus, dass 2040 zwischen 200.000 und 300.000 Einwohnerinnen und Einwohner weniger im Freistaat wohnen werden als jetzt. Die Infrastruktur, die wir jetzt schon haben und die, die wir zusätzlich bauen, muss dann von viel weniger Schultern unterhalten und weiterfinanziert werden.

Was ist also zu tun? Wir BÜNDNISGRÜNE setzen uns für ein Netto-Null-Ziel beim Bodenverbrauch ein. Das bedeutet, dass vorranging bereits erschlossene Flächen genutzt werden sollen. Dafür sind zwei Dinge notwendig.

Erstens: Zugang zu den Grundstücken, die sich in den allermeisten Fällen in privatem Besitz befinden. Eine gezielte Ansprache der Eigentümerinnen und eine Vermittlung von Interessen kann am besten durch speziell geschulte Fachleute in den Kommunen gelingen. Sie kennen die Liegenschaften und können passende Anfragen vermitteln. Außerdem sollten die Kommunen in die Lage versetzt werden, gesetzlich vorhandene Vorkaufsrechte auch zu nutzen.

Zudem kann eine Beratung sinnvoll sein, wenn es darum geht, welche Flächen als geeignet betrachtet werden. Häufig werden Grundstücke verworfen, nur weil ihre Bebauung auf den ersten Blick mehr Kosten erzeugen würde, als sich störungsfrei auf der grünen Wiese auszubreiten.

Es ist deshalb auch die Aufgabe der Stadt- und Gemeinderäte genauso wie der Behörden, hier ganz klar deutlich zu machen, dass eine Neuinanspruchnahme von Landschaftsflächen keine Selbstverständlichkeit ist, auf die man in irgendeiner Weise ein Anrecht hätte, sondern dass damit sehr hohe gesellschaftliche Kosten einhergehen. Dabei geht es nicht nur um den mit Geld kaum auszugleichenden Verlust der Bodenflächen für den Hochwasserschutz, die Biodiversität, für Kaltluftschneisen oder Agrarproduktion, sondern auch um die Kosten für die Erschließung sowie die Unterhaltung der Infrastruktur in den kommenden Jahrzehnten. Sie kommen nämlich noch obendrauf auf die Kosten für die bereits vorhandenen aber ungenutzten Flächen.

Liebe LINKE, vielleicht ist es an dieser Stelle auch einmal notwendig zu reflektieren, wieviele Straßenbauvorhaben, Gewerbe- oder Neubaugebiete, die in den vergangenen 30 Jahren Flächenversiegelung erzeugt haben oder immer noch neu erzeugen, auf kommunaler Ebene auch die Zustimmung der Linksfraktionen erhalten. Es ist leicht, hier grüner als die grünen wirken zu wollen, wenn die Politik vor Ort das alles konterkariert.

Zweitens treten wir dafür ein, dass es einen Ausgleich geben muss, sollte doch neue Fläche in Anspruch genommen werden. Eine Pflicht zur Entsiegelung an geeigneter anderer Stelle ist dafür ein geeignetes Instrument. Ein Baustein ist dabei die Flächenkompensationsverordnung, die wir im Koalitionsvertrag vereinbart haben.

Die Große Anfrage der Linken zeigt, dass beim Thema Flächenversiegelung noch viel zu tun ist und auch, dass die regionale Verteilung recht unterschiedlich ausfällt.

Besonders wichtig ist allerdings, dass die Fakten auch auf dem Tisch liegen und für alle Beteiligten in sinnvoller Weise zur Verfügung stehen. Hier gibt es sicherlich Handlungsbedarf für ein gutes Monitoring.

Mir fehlt allerdings auch ein proaktives Handeln des sächsischen Regionalministeriums, wo es strategisch mit dem Flächenverbrauch im Freistaat hingehen soll.

Ich habe das Gefühl, dass da auch von Seiten der CDU das Problem ausgesessen wird.

Es klingt so banal, aber es ist lebenswichtig: Wir müssen unsere Lebensgrundlagen schützen. Deshalb kämpfen wir BÜNDNISGRÜNE nicht nur hier im Landtag, sondern viele unserer Rätinnen und Räte auch in den Kommunen um jeden Baum und jedes Fitzelchen Acker. Deswegen wollen wir Innen- vor Außenentwicklung, deswegen stehen wir für Entwicklungsachsen entlang eines leistungsstarken ÖPNV.

Und wir legen den Fokus auf nachhaltige Gewerbegebiete. Ein aktuelles Beispiel aus Zittau zeigt auf, wie es gehen könnte: Im Mai 2023 wurde dem Zittauer Stadtrat eine Machbarkeitsstudie für ein nachhaltiges Gewerbegebiet zur Kenntnis gegeben. In der langfristigen Stadtentwicklungsplanung ist dafür das ehemalige Neubaugebiet zum Rückbau vorgesehen, also kein Neubau auf der grünen Wiese. Insbesondere ökologische Voraussetzungen bei der Wärme- und Energieversorgung sind dabei für die Entwicklung des Gewerbegebietes einzuhalten. Daher ist beispielsweise eine leistungsfähige Photovoltaikanlage vorgesehen.

Es muss aber auch Lösungen für Kommunen geben, die vielleicht aus Gründen des Natur- oder Landschaftsschutzes keine neuen Gewerbe- oder Wohngebiete ausweisen können oder wollen. Wir finden, dafür muss es einen Ausgleichsmechanismus geben. Einen solchen ökologischen Finanzausgleich hat meine Fraktion anlässlich unserer Klausur in der Sächsischen Schweiz vor wenigen Wochen angeregt.

Wer den Fachleuten zuhört, die sich mit Flächenverbrauch beschäftigen – sei es im Bundesumweltamt, im Institut für Ökologische Raumentwicklung oder auch im Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie –, klingt es für manche vielleicht 1:1 wie ein grünes Wahlprogramm. Es ist aber die Stimme der Wissenschaft, die uns sagt, dass wir unseren Boden nicht verschwenden dürfen. Ich wünsche mir, dass wir dazu hier im Hause einen Konsens finden, der keine künstliche Fronstellung zwischen Wirtschaft und Umwelt aufmacht, sondern dass wir uns gemeinsam bemühen, den kommenden Generationen gesunde Böden statt zubetonierter Flächen zu erhalten.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.