Feuerwehren – Lippmann: Wenn wir mehr Sicherheit im Freistaat wollen, dann müssen wir an den Strukturen der Feuerwehren arbeiten
Redebeitrag des Abgeordneten Valentin Lippmann (BÜNDNISGRÜNE) zur Großen Anfrage der Fraktion DIE LINKE: „Bestandsaufnahme zur Situation der Feuerwehren im Freistaat Sachsen“ (Drs 7/10322)
65. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Donnerstag, 02.02.2023, TOP 4
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren,
man kann der Staatsregierung nicht vorwerfen, dass ihre Ausführungen zu der Großen Anfrage wortkarg gewesen wären. Rund 129 Seiten nahm die schriftliche Antwort ein, wenngleich es nur 67 Seiten Text waren. Der Rest waren Anlagen. Und doch ist der Informationsgewinn erstaunlich gering. Ich habe mir mal den Spaß gemacht, und nachgezählt: Auf den 67 Seiten Text findet sich 42 Mal der Textbaustein: „Darüber hinaus liegen der Staatsregierung keine entsprechenden Erkenntnisse vor. Die Staatsregierung ist dem Sächsischen Landtag nur für ihre Amtsführung verantwortlich. Sie ist daher nur in solchen Angelegenheiten zur Auskunft verpflichtet, die in ihre Zuständigkeit fallen und muss nicht auf Fragen eingehen, die außerhalb ihres Verantwortungsbereichs liegen.“
Und dann folgt 40 Mal der Verweis darauf, dass der Sachverhalt Fragen beträfe, die von den Gemeinden als kommunale Selbstverwaltungsaufgabe wahrgenommen werden. Das betrifft Fragen wie die Aufstellung, Ausrüstung, Unterhaltung und den Einsatz einer leistungsfähigen Feuerwehr nach Brandschutzbedarfsplan, dem Betrieb und Unterhalt von integrierten Rettungsleitstellen, über die Grundsätze des Redundanzsystems hinausgehende Informationen oder bundesländerübergreifende Zusammenarbeit im Brandschutz.
Dabei ist der Staatsregierung überhaupt kein Vorwurf zu machen, denn so ist die Rechtslage in Sachsen. Deutlicher könnte vor diesem Hintergrund jedoch der Reformbedarf im sächsischen Gesetz über den Brandschutz, Rettungsdienst und Katastrophenschutz kaum hervortreten.
Für einen sicheren Bevölkerungsschutz im Freistaat brauchen wir einheitliche Konzepte und Standards, das ist die erste Erkenntnis dieser Großen Anfrage. Es geht keineswegs darum, die kommunale Selbstverwaltung zugunsten einer zentralen Struktur völlig aufzugeben. Dennoch darf die Heterogenität der Aufgabenerfüllung nicht dazu führen, dass es im Ernstfall zu vermeidbaren Schutzlücken kommt. Das Bild ist so viel beschworen, die Mahnung so häufig wiederholt, dass es schon fast redundant wirken mag und doch: Ich erinnere erneut an die Waldbrände im Sommer. Sie sollten uns allen vor Augen führen, dass eine geordnete und geregelte kommunenübergreifende Zusammenarbeit im Brandfall häufig unerlässlich ist. In einer derart brenzligen Situation darf keine vermeidbare Zeitverzögerung aufgrund von Abstimmungsproblemen entstehen.
Nicht ohne Grund dürfte sich der Vorsitzende der im Nachgang eingerichteten Waldbrandkommission, Herman Schröder, in einem Interview dahingehend geäußert haben, dass die Expert*innen nicht vorrangig aufgrund ihres spezifischen Wissens berufen sind. Vielmehr verstehen sie ihre Aufgabe auch darin, Führungsstrukturen zu untersuchen und in Verwaltung- und Gremienwesen neue Ansätze zu verankern.
Wir brauchen also Strukturen, die ein orchestriertes Zusammenwirken von Freistaat und Gemeinden auch jenseits des Katastrophenfalls ermöglichen. Und die dafür sorgt, dass die bereits vorhandenen Ressourcen bestmöglich genutzt werden. Dafür haben wir als Koalition im Koalitionsvertrag wichtige Punkte festgehalten, die hoffentlich dann bald auch in die überfällige Novelle des BRKG einfließen. Wir wollen insbesondere kleine Gemeinden bei ihrer Aufgabenerfüllung als örtliche Brandschutzbehörde unterstützen, indem wir gesetzlich die Möglichkeit einräumen, Stützpunktfeuerwehren zu bilden. Diese können auch überörtlich im Bedarfsfall tätig werden.
Eine koordinierte Zusammenarbeit von Freistaat und Kommunen auch jenseits des Katastrophenfalls ist für die Sicherheit in Sachsen unerlässlich. Wir wissen, dass aufgrund des Klimawandels Naturereignisse, die für Menschen bedrohlich sind, zunehmen werden. Es ist deswegen unsere Aufgabe, die uns zur Verfügung stehenden Mittel einzusetzen, um den Gefahren zu begegnen.
Dabei bietet die Digitalisierung auch im Bereich des Bevölkerungsschutzes ein großes Potenzial. Durch die Einführung eines digitalen und landesweit einheitlichen Nachweises über die Dienstbereitschaft von Behandlungseinrichtungen würde die Kommunikation wesentlich erleichtert.
Jeder Einwohner und jede Einwohnerin im Freistaat soll sich darauf verlassen können, dass ihr oder ihm im Bedarfsfall schnell und zuverlässig geholfen wird – unabhängig vom Wohnort, in der Stadt und auf dem Land. Die Feuerwehren müssen sich so aufstellen, dass garantiert ist, dass sie im Bedarfsfall zusammen mit dem Rettungsdienst an der Einsatzstelle eintreffen. Die Qualität im Rettungsdienst sollte auch dadurch gestärkt werden, dass das Staatsministerium des Inneren die landesweite Qualitätssicherung in einem Landesrettungsplan sichert. Dafür braucht es aber natürlich auch einen nicht unerheblichen Teil jener Daten, die derzeit der Staatsregierung nicht vorliegen.
Die Große Anfrage hat gezeigt, dass es im Bereich Brandschutz, Rettungsdienst und Katastrophenschutz noch viel Nachholbedarf gibt – gerade, was das Informationsdefizit angeht. Aber bereits mit dem Doppelhaushalt 2023/24 haben wir als Koalition den Grundstein für resiliente Strukturen gelegt. Nun ist es die Aufgabe der nächsten Jahre, das Potenzial zu nutzen und dabei auch all diejenigen stets im Blick zu haben, die sich in Organisationen des Brandschutzes, Rettungsdienstes und Katastrophenschutzes täglich zum Schutz der Bevölkerung einsetzen. Ich möchte die Gelegenheit nutzen, ihnen hier meinen Dank auszusprechen.
Angesichts der Herausforderungen der nächsten Jahre wird sich unser Engagement im Brandschutz, Rettungsdienst und Katastrophenschutz nicht auf einzelne Maßnahmen beschränken. Unser Ziel ist vielmehr, beispielswiese mit dem Institut für Bevölkerungsschutz, demographische und geographische Besonderheiten in Sachsen in den Blick zu nehmen und zu analysieren. Dies soll es ermöglichen, neuste wissenschaftliche Erkenntnisse in diesem Gebiet in die Praxis zu transferieren. Die Verzahnung von Wissenschaft und Praxis legt das Fundament für ein krisenfesteres Sachsen und ermöglicht eine Fortentwicklung auf höchstem wissenschaftlichen Niveau – übrigens auch dafür braucht es mehr Daten als bisher in bestimmten Bereichen. Gleiches gilt für die notwendige Risiko- und Gefahrenanalyse.
Somit bleibt mit Blick auf die Große Anfrage zu konstatieren: Wenn wir mehr Sicherheit im Freistaat wollen, dann müssen wir an den Strukturen der Feuerwehren in Sachsen arbeiten. Nur mit mehr Synergien bei der Beschaffung und Planung, besserem Austausch von Informationen und der stärkeren Koordination zwischen Land und Kommunen werden Sachsens Feuerwehren auf die großen Herausforderungen der Zukunft reagieren können.
Vielen Dank.