Bundeswehr in der Schule – Melcher: Natürlich darf es keine Anwerbeversuche und einseitige Information im Klassenzimmer geben
Redebeitrag der Abgeordneten Christin Melcher (BÜNDNISGRÜNE) zum Antrag der Fraktion DIE LINKE: „Schulfrei für die Bundeswehr“ (Drs 8/654)
4. Sitzung des 8. Sächsischen Landtags, Mittwoch, 18.12.2024, TOP 8
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
die Frage, ob die Bundeswehr an Schulen kommen soll, erhitzt die Gemüter. Angesichts der vielen bewaffneten Konflikte und Krisenherde weltweit hat die Frage wieder an Brisanz gewonnen.
Spätestens seit der Zeitenwende 2022 geht es nicht mehr nur abstrakt um Sicherheitspolitik und darum, wie diese im Unterricht thematisiert wird. Es geht um das große Ganze, um Krieg und Frieden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
seit 2010 kooperiert das Sächsische Kultusministerium mit dem Landeskommando Sachsen.
Gegenstand der Vereinbarung ist der Einsatz von Jugendoffizieren der Bundeswehr als Referenten in der Schule. Sie sollen, so heißt es, „die Schülerinnen und Schüler zur differenzierten Analyse von sicherheitspolitischen Themen […] befähigen“.
Dabei sind die Jugendoffiziere an den Beutelsbacher Konsens gebunden. Explizit ist formuliert: „Die Jugendoffiziere treten im Rahmen ihrer Tätigkeit nicht als Nachwuchswerber für die
Bundeswehr an Bildungseinrichtungen auf.“
Und das ist doch auch selbstverständlich! Natürlich darf es im Schutzraum Schule keine Anwerbung für den Dienst an der Waffe geben. Nur müssen wir eben auch zur Kenntnis nehmen, dass die Grenze zwischen Information und Werbung mitunter nicht ganz eindeutig ist.
Und seit dem Aussetzen der Wehrpflicht im Jahr 2011 – ein Jahr nach Unterzeichnung der sächsischen Kooperationsvereinbarung – dürften die Nachwuchssorgen bei der Bundeswehr eher größer als kleiner geworden sein.
Aber zu unterstellen, wie im Antrag, dass die Kinder und Jugendlichen „kriegstüchtig“ gemacht werden, ist wirklich übertrieben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
uns sind drei Aspekte wichtig:
Zum einen muss sichergestellt werden, dass weder Lernende noch Lehrende zur Teilnahme an Terminen der Bundeswehr gezwungen werden. Wir wollen, dass sowohl Lehrkräfte als auch die jungen Menschen und ihre Eltern im Vorfeld informiert werden, wenn Veranstaltungen unter Beteiligung von Jugendoffizieren geplant sind. Wir wollen auch, dass sie auf Antrag von solchen Veranstaltungen freigestellt werden können.
Zweitens teilen wir die Kritik an einer einseitigen Information der Schülerinnen und Schüler, sofern ausschließlich Jugendoffiziere über außen- und sicherheitspolitische Themen sprechen. Deshalb wollen wir, dass auch zivile Organisationen, beispielsweise aus der Friedensarbeit, eingeladen werden. Das würde auch dem Kontroversitätsgebot des Beutelsbacher Konsens‘ besser gerecht.
Drittens, das hatte ich bereits angedeutet, darf es keine Anwerbeversuche im Klassenzimmer geben. Derartige Versuche verstoßen aus unserer Sicht gegen das Überwältigungsverbot und auch die Schülerorientierung als Grundsätze der politischen Bildungsarbeit an Schulen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
zwei Punkte im Antrag der Linken finde ich problematisch: zum einen die wiederum ausschließliche Einladung an zivilgesellschaftliche Akteure statt an einen Jugendoffizier – Stichwort Kontroversität. Zum anderen das geforderte Verbot für die Bundeswehr, Werbe-, Lehr- und Unterrichtsmaterial für Schulen auch nur zu erstellen.
Gerade an beruflichen Schulen oder in Abschlussklassen der allgemeinbildenden Schulen muss zumindest informiert werden dürfen. Denn ob es uns gefällt oder nicht: Es gibt die Bundeswehr als Armee Deutschlands und sie braucht Soldatinnen und Soldaten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
ich sehe unsere Aufgabe nicht darin, die Bundeswehr zu diskreditieren und aus Schule und Gesellschaft zu verbannen. Unsere Aufgabe ist es jedoch, Schule als Schutzraum zu stärken und auf die Einhaltung des Beutelsbacher Konsens zu drängen.
Wir werden uns bei der Abstimmung deshalb enthalten. Vielen Dank.