Bildungszeit – Melcher: So stärken wir das Ehrenamt und sichern zugleich unsere wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit
Redebeitrag der Abgeordneten Christin Melcher (BÜNDNISGRÜNE) zum Volksantrag „5 Tage Bildungszeit in Sachsen“ – „Gesetz über den Anspruch auf Bildungsfreistellung im Freistaat Sachsen (Sächsisches Bildungsfreistellungsgesetz – SächsBFG)“
11. Sitzung des 8. Sächsischen Landtags, Donnerstag, 26.03.2025, TOP 4
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
liebe Gäste aus der Zivilgesellschaft,
die sächsische Bevölkerung hat von ihrem Beteiligungsrecht Gebrauch gemacht. Das ist gelebte Demokratie. Denn genau diese Beteiligung braucht es, um das Vertrauen in unsere politischen Institutionen zu stärken.
Mehr als 55.600 Unterschriften wurden für den Volksantrag „5 Tage Bildungszeit für Sachsen“ gesammelt. Das sind nicht nur 188 Ordner, das sind über 55.600 Menschen in Sachsen, die sich einsetzen für ihr Recht auf Bildungsfreistellung.
Das ist eine beeindruckende Zahl, die vor allem dem Einsatz der vielen Ehrenamtlichen zu verdanken ist, die den Volksantrag aktiv bekannt gemacht haben. Ich danke allen Bürgerinnen und Bürgern, die sich engagiert haben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
die Sächsinnen und Sachsen fordern uns auf, ein Bildungsfreistellungsgesetz zu verabschieden. Sie legen einen Volksantrag vor, der 5 Tage im Jahr Zeit für die individuelle Weiterbildung sichert: Zeit für berufliche Qualifikation, Zeit für politische und kulturelle Bildung, Zeit für Ehrenamt.
Wir BÜNDNISGRÜNE sind der festen Überzeugung, dass dieses Engagement den gebührenden Ernst verdient. Daher bitte ich Sie, sich bei der weiteren Beratung an der konstruktiven Lösungssuche zu beteiligen und sich von den Erfahrungen aus vierzehn anderen Bundesländern leiten zu lassen.
Denn ja, liebe Kolleginnen und Kollegen, fast alle andere Bundesländer – mit Ausnahme von Bayern und Sachsen – haben bereits Bildungsfreistellungsgesetze. Sachsen hingegen gehört zu den letzten Bundesländern, die noch keine gesetzliche Grundlage für eine Weiterbildungszeit geschaffen haben. Wer sich weiterbilden möchte, muss in Sachsen oftmals seinen Jahresurlaub opfern. Das ist nicht zeitgemäß! Es wird Zeit, dass Sachsen hier nachzieht!
Die Auswertung der Praxis anderer Länder zeigt: Bildungsfreistellung wird zu einem erheblichen Teil genutzt, um sich beruflich weiter zu qualifizieren – und ja, diese berufliche Qualifikation geht oft über die aktuelle Position hinaus. In einem Bundesland wie unserem Freistaat, das sich gleich mehreren Strukturwandelprozessen stellen muss, ist das von größtem gesellschaftlichen Interesse.
Doch auch im Bereich der berufsbezogenen Weiterbildung herrschen eklatante Weiterbildungsbedarfe! Fragen Sie beispielsweise unsere kleinen und mittleren Unternehmen, wie wichtig digitale Kompetenzen für ihre Belegschaft sind. Vor allem digitale Anwendungskompetenzen werden unerlässlich! Eine gesetzlich verankerte Bildungszeit ist ein Hebel, um Menschen und Unternehmen für die Herausforderungen des digitalen Wandels zu rüsten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
immer wieder wird die Sorge geäußert, dass ein Recht auf Bildungsfreistellungsgesetz Unternehmen übermäßig belasten könnte. Doch ein Blick in andere Bundesländer zeigt: Diese Sorge ist nicht ganz begründet. In der Realität nehmen maximal zwei Prozent der Beschäftigten jährlich Bildungsfreistellung in Anspruch. Wir unterstützen dennoch eine rechtsverbindliche Regel.
Auch das Recht auf die Kandidatur für ein politisches Amt wird nur von weniger als einem Prozent der Bürgerinnen und Bürger wahrgenommen oder das Recht Verfassungsbeschwerde oder auf die Gründung einer Partei. Dennoch bestehen all diese Rechte zum Schutz und zur Stärkung von uns allen.
Der Gesetzentwurf sieht zudem die Möglichkeit vor, die Freistellung aus betrieblichen Gründen abzulehnen. Das heißt, das Recht gilt vorbehaltlich untragbarer betrieblicher Einschränkungen.
Selbstverständlich wollen wir als BÜNDNSGRÜNE eine gesamtgesellschaftliche Lösung erarbeiten. Uns liegt dabei am Herzen, auch finanz- und personalschwächere kleinere und mittlere Unternehmen zu berücksichtigen.
Auch da können wir von Erfahrungen anderer Bundesländer profitieren: In Rheinland-Pfalz und Hessen unterstützt das Land Unternehmen durch Lohnkostenerstattung, wenn Mitarbeitende Bildungsfreistellung in Anspruch nehmen. Wir fordern die Koalition auf: Machen Sie ernst mit Ihrer Unterstützung für KMU! Bieten Sie eine pauschalierte Lösung zur Lohnkostenerstattung an, um die Ausfälle, wenn sie auch gering sind, abzufedern.
Liebe Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete,
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind auch Bürgerinnen und Bürger. Sie engagieren sich ehrenamtlich in Vereinen, sie sind Teil unseres demokratischen Gemeinwesens.
Ein Bildungsfreistellungsgesetz ist nicht nur eine Frage der wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit, sondern auch eine wichtige Säule für den Erhalt ehrenamtlich getragener Strukturen. Deshalb setzen sich auch der Landessportbund, der Feuerwehrverband und die Kirchen für eine gesetzliche Regelung ein. Und entsprechend sieht der Gesetzentwurf auch die Freistellung zum Zweck der ehrenamtlichen Weiterbildung vor.
Lassen Sie uns deshalb gemeinsam dafür sorgen, dass unser Freistaat nicht länger Schlusslicht bleibt.
Vielen Dank.