Bildung – Melcher: Lehrkräftegewinnung & Eindämmung des Unterrichtsausfalls steht ganz oben auf der bildungspolitischen Agenda

Redebeitrag der Abgeordneten Christin Melcher (BÜNDNISGRÜNE) zum Antrag der Fraktion DIE LINKE: „ABC-Sofortprogramm-Sachsen: Schule und Lernen – gerecht und sozial. Jetzt!“ (Drs 7/10875)
56. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Mittwoch, 21.09.2022, TOP 14

– Es gilt das gesprochene Wort

Sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

im März diesen Jahres sprachen wir hier im Hohen Haus über einen ähnlichen Antrag Ihrer Fraktion, liebe Kolleginnen und Kollegen der Linksfraktion. Damals forderten Sie eine „Ausbildungs- und personalpolitische Offensive gegen den Lehrermangel“, heute heißt es „ABC-Sofortprogramm-Sachsen“. Anders als damals benennt Ihr Antrag dieses Mal aber zumindest Stellschrauben zur Linderung des Personalmangels, was ich ausdrücklich begrüße.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

wir müssen nicht um den heißen Brei herum reden. Fakt ist: Es gelingt uns nicht, den Unterricht an sächsischen Schulen vollumfänglich abzusichern. Im ländlichen Raum, in den MINT-Fächern sowie an Förder- und Oberschulen sind die personellen Lücken besonders groß. Zu Schuljahresbeginn konnten nur zwei Drittel der ausgeschriebenen Stellen mit geeigneten Bewerberinnen und Bewerbern besetzt werden. Gleichzeitig steigen die Schüler*innenzahlen.

Was ich aber zurückweisen muss, ist, dass der Eindruck suggeriert wird, „die Politik“ hätte sich mit dem Mangel abgefunden. Das ist falsch.

Die Gewinnung von Lehrkräften und die Eindämmung des Unterrichtsausfalls stehen ganz oben auf der bildungspolitischen Agenda.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

es wurden und werden sehr viele Maßnahmen ergriffen, um den Lehrkräftemangel zu lindern: Das Lehrer-Maßnahmepaket 2016, das Handlungsprogramm 2018, aber auch das Bildungsstärkungsgesetz 2020 mit der Verankerung der Schulassistenz im Schulgesetz – ich will mir nicht ausmalen, wo wir stünden, wenn wir tatsächlich untätig geblieben wären, so wie es der Antrag suggeriert. Und aufgrund der Fülle des Getanen verwundert es auch nicht, dass der Antrag an einigen Stellen redundant, an anderen widersprüchlich ist.

Einige Beispiele:

  1. Sie wollen mehr Hochschulabsolventinnen und -absolventen eines fachwissenschaftlichen Studiums den Seiteneinstieg ermöglichen. Das wollen wir auch, und das passiert auch: 121 Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger wurden im August eingestellt. Doch auch dieses Reservoir ist irgendwann erschöpft – der Fachkräftemangel trifft bekanntlich längst nicht nur den Bildungsbereich.
  2. Sie wollen eine schnelle, vereinfachte und unbürokratische Anerkennung von ausländischen Abschlüssen. Das wollen wir auch, deshalb wurde im vergangenen Jahr die Fach- und Servicestelle Berufsanerkennung im Kultusministeriums eingerichtet. Natürlich kann man immer mehr Tempo fordern, aber seien Sie versichert: Wir sehen das Potenzial und wir sehen die Chancen. Wir sind dran.
  3. Sie schlagen vor, mehr Personal aus der Verwaltung an die Schulen abzuordnen, gleichzeitig wollen Sie die Unterstützungssysteme deutlich ausbauen, etwa durch zusätzliches Personal – in der Verwaltung. Das zeigt eindrücklich, wie kurz die Personaldecke ist – und dass sie nicht länger wird, wenn man daran zieht.

Das sind leider die Realitäten den wir uns stellen müssen.

Ein letzter Aspekt, der mich mit Blick auf Ihren Antrag beschäftigt hat: Laut Titel geht es auch um ein gerechtes und soziales Bildungssystem. Im Antrag selbst finden sich aber nur die bekannten Forderungen nach kostenfreiem Schulessen und kostenfreier Schülerbeförderung. Das ist mir ehrlich etwas zu wenig, wenn es um Bildungsgerechtigkeit geht. Gerecht und Sozial ist nicht gleich kostenlos.
Bildungsgerechtigkeit umfasst mehr als die Frage, was der Schulbus kostet. Für uns BÜNDNISGRÜNE geht es hierbei vor allem darum, die knappen Ressourcen dort hinzulenken, wo sie am dringendsten gebraucht werden. Deswegen setzten wir uns für die Erarbeitung eines Sozialindex‘ ein. Gießkanne kann nicht das Prinzip sein, wenn die Ressourcen knapp sind.

Wir werden Ihren Antrag ablehnen. Vielen Dank.