Bessere Berufsanerkennung – Melcher: Zugewanderte sollen in Sachsen zügig in ihrem erlernten Beruf arbeiten können

Redebeitrag der Abgeordneten Christin Melcher (BÜNDNISGRÜNE) zum Antrag der Fraktionen CDU, BÜNDNISGRÜNE und SPD: „Ausländische Fachkräfte für den Freistaat Sachsen gewinnen – Berufsanerkennungsprozesse optimieren – Integration in Arbeit und Gesellschaft erleichtern“ (Drs 7/16135)

88. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Freitag 03.05.2024, TOP 8

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

der Fachkräftemangel in sächsischen Unternehmen ist längst Realität. Offene Stellen können nicht besetzt und Aufträge nicht angenommen werden. Wer einen Handwerker braucht, muss mitunter lange warten.

Was zunächst nur für einige Engpassberufe galt, ist inzwischen die Regel. Aus allen Richtungen tönt der Ruf: Uns fehlen die Leute! Der Fachkräftemangel ist zu einer Gefahr für den Wirtschaftsstandort Sachsen geworden und gefährdet unseren Wohlstand.

Um dem zu begegnen, müssen wir alle Potenziale heben. Wir müssen mehr in die schulische Bildung investieren. Jeder und jede Schulabgängerin ohne Abschluss ist eine zu viel.

Wir müssen mehr in die berufliche Aus- und Weiterbildung investieren und das Versprechen „Kein Abschluss ohne Anschluss“ endlich für alle einlösen.

Und wir müssen die Menschen in den Blick nehmen, die aus anderen Ländern zu uns kommen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
dieser Antrag gehört in eine Reihe: Wir haben als Koalitionsfraktionen mit einem umfassenden Antrag die berufliche Bildung in den Blick genommen. Im vergangenen Jahr haben wir hier im Hohen Hause die berufliche Weiterbildung thematisiert.

Heute vervollständigen wir die Trias. Sachsen ist ein Einwanderungsland – und das ist gut so.

Denn ohne die Fach- und Arbeitskräfte aus dem Ausland ist der Mangel auf dem hiesigen Arbeitsmarkt nicht zu beheben – erst recht nicht vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung.

Uns BÜNDNISGRÜNEN geht es dabei immer auch um die individuelle Perspektive. Wir wollen, dass die Menschen, die zu uns kommen, hier arbeiten können. Arbeit ist ein wesentlicher Motor der Integration.

Und neben dem berechtigten Interesse, den Fachkräftebedarf unserer Wirtschaft zu decken, steht das nicht minder wichtige Anliegen der zugewanderten Menschen: Dass sie hier arbeiten können, dass sie hier arbeiten dürfen.

Wir BÜNDNISGRÜNE wollen, dass zugewanderte Menschen hier in Sachsen in ihrem erlernten Beruf arbeiten können.

Im Moment sind die Verfahren für die Anerkennung von ausländischen Abschlüssen komplex und sie dauern sehr lange. Ein Jahr muss ein Arzt in Sachsen auf seine Anerkennung warten! Die Zahl der Anlaufstellen ist groß.

Selbst als Inländerin ist es nicht einfach, den Überblick zu behalten: Geht es um einen reglementierten oder einen nicht reglementierten Beruf? Ist er bundes- oder landesrechtlich geregelt – und welcher Träger bietet eigentlich die Ausgleichsmaßnahme an, die auferlegt wurde?

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
bei der Professionalisierung der Berufsanerkennung setzen wir BÜNDNISGRÜNE drei Schwerpunkte:

Erstens: Wir wollen, dass alle Menschen gut beraten werden.

Die Möglichkeiten für eine gezielte Anwerbung und Zuwanderung von Fachkräften wurden zuletzt durch das Fachkräfteeinwanderungsgesetz des Bundes nochmals erweitert. Das steigert den Beratungsbedarf sowohl quantitativ als auch qualitativ. Gleichzeitig übergibt der Bund die Beratung an die Bundesagentur für Arbeit, also an die bestehenden Regelstrukturen. Das ist ein konsequenter Schritt!

Für uns BÜNDNISGRÜNE ist es wichtig, dass tatsächlich alle einen fairen Zugang zum Arbeitsmarkt erhalten. Es spielt keine Rolle, ob es die Ingenieurin ist, die mit einem Fachkräftevisum einreist, der Asylbewerber, der einen Abschluss als Lehrer in der Tasche hat, oder die Frau mit einer Duldung, die eigentlichen Krankenschwester ist, aber als Reinigungskraft arbeitet. Alle brauchen Beratung für ihre individuelle Situation!

Wir werden deshalb genau im Auge behalten, ob die Beratungsangebote in den Regelstrukturen gut aufgestellt sind und dass künftig für alle Zielgruppen eine bedarfsgerechte Beratung sichergestellt wird.

Unterstützung und Beratung beim Zugang auf den Arbeitsmarkt erhalten Menschen mit Migrationsgeschichte und Unternehmen in Sachsen schon jetzt von den Arbeitsmarktmentoren. Diese Unterstützung wollen wir verstetigen und vor allem im ländlichen Raum ausbauen.

Zweitens: Wir wollen, dass allen Zugewanderten ein Sprach- und Integrationskurs angeboten wird. Es gibt den Kreis derer, die an einem Integrationskurs teilnehmen müssen – wir haben die im Blick, die teilnehmen wollen, aber auf die Erlaubnis eines Amtes angewiesen sind.

Es macht Menschen mürbe, wenn sie wollen, aber nicht dürfen. Wir setzen uns dafür ein, dass zugewanderten Menschen innerhalb von drei bis sechs Monaten Angebote zum Spracherwerb gemacht werden. Das kann auch, wenn es angezeigt ist, ein Fachsprachkurs für Medizinerinnen sein oder ein anderer berufsfeldbezogener Sprachkurs. Beispielhaft sei hier der Sprachkurs für ukrainische Lehr- und Assistenzkräfte genannt, den das Landesamt für Schule und Bildung zusammen mit Weiterbildungsträgern organisiert hat. Wir brauchen mehr von solchen passgenauen Angeboten!

Drittens: Wieder im eigenen Beruf arbeiten können, DAS muss schneller gehen!

Wir wollen deshalb mit unserem Antrag Hürden bei der Berufsanerkennung identifizieren und abbauen. Wir wollen transparenter machen, wer zuständig ist, welche Nachweise es braucht und welche Behörden beteiligt sind. Und wir wollen erreichen, dass erforderliche Ausgleichsmaßnahmen zeitnah erfolgen können.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
unsere sächsische Gesellschaft, unser Arbeitsmarkt braucht Zuwanderung! Um hier voranzukommen, ist es notwendig, dass wir die Berufsanerkennung optimieren, dass wir alle gut beraten und dass Spracherwerb schnell und bedarfsorientiert ermöglicht wird.

Mit dem heutigen Antrag machen wir uns damit auf den Weg. Ich bitte um Zustimmung, vielen Dank!