Behördensprachgesetz – Lippmann: Unser Leitbild ist der verfassungstreue Beamte, der sprechen kann, wie er will
Redebeitrag des Abgeordneten Valentin Lippmann (BÜNDNISGRÜNE) zum Gesetzentwurf der AfD-Fraktion: „Sächsisches Gesetz über den behördlichen Gebrauch der deutschen Sprache (Sächsisches Behördensprachgesetz – SächsBSprG)“ Drs 7/15580
87. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Donnerstag 02.05.2024, TOP 7
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
ich habe mich inzwischen schon daran gewöhnt, dass sich die Lesung im Plenum manchmal doch eher anfühlt wie eine Nachhilfestunde im Staatsorganisationsrecht und Beamtenrecht. Das gilt ganz besonders, wenn Anträge oder Gesetzentwürfe der AfD hier in diesem Hohen Hause verhandelt werden. Und noch spannender wird es, wenn die besagte Fraktion versucht, ihre rechte Ideologie mittels des Rechts durchzusetzen.
Der hier zur Debatte stehende Gesetzentwurf beispielsweise gehört eindeutig in die Kategorie: Schlecht gemeint, noch schlechter gedacht und sauschlecht gemacht. Und ich halte das für ganz bewusst so schlecht umgesetzt. Die AfD bringt mit solchen Gesetzen meines Erachtens ganz bewusst ihr Rechtsverständnis zum Ausdruck, welches Recht als Mittel zur Durchsetzung einer Ideologie und nicht zum Schutz der Rechtsunterworfenen begreift. Es wird bewusst versucht, das Recht in jeder Sekunde interpretationsfähig zu halten, um die Normen zu dehnen, wie es gerade zur Ideologie passt. Im Gegensatz zu Ihnen habe ich mehrere ihrer geistigen Vordenker gelesen.
In der Logik Carl Schmitts wäre Ihr Gesetzentwurf ideal, stellt er doch in der Frage des Verbotenen die Legitimität durch die Unbestimmtheit der Norm stets über die Legalität, zur vertiefenden Lektüre sollten Sie seine geistige Schande mit dem Titel „Der Führer schützt das Recht“ vielleicht auch mal lesen und nicht nur davon träumen.
Es könnte vielleicht auch daran liegen, dass sich einige der Juristen, die mal der Fraktion angehörten, gerüchtehalber wohl besser mit Gesetzen auskennen, die in der Zeit vor 1945 erlassen wurden und verfassungsrechtliche Standards bewusst negiert haben. Aber gut, dass die einbringende Fraktion der Verfassung nicht unbedingt zugeneigt ist, dürfte für dieses Hohe Haus keinen Neuigkeitswert haben.
Zu den verfassungsrechtlichen Kernelementen gehört das Bestimmtheitsgebot. Es besagt, dass aus der Norm selbst erkennbar sein muss, welches Verhalten welche Rechtsfolgen nach sich zieht. Das dient der Rechtssicherheit und ist elementar in einem freiheitlichen Staat. Denn unbestimmte Normen bergen die Gefahr, dass Bürger*innen aus Furcht vor Sanktionen jedes abweichende Verhalten unterlassen und zu stummen Befehlsempfänger*innen verkommen.
Gemessen hieran ist Ihr Gesetzentwurf schlechterdings verfassungswidrig.
Zu der Frage der Bestimmtheit gehört bereits der Ausgangsgedanke: Wer soll durch die Norm adressiert werden? Das erschließt sich aus dem Gesetzentwurf nicht. Es werden ganz allgemein die Behörden adressiert. Das wäre noch halbwegs nachvollziehbar, würde nicht bereits in § 2 Absatz 1 festgelegt, dass das Verbot von Sparschreibungen und Sonderzeichen auch in der mündlichen Kommunikation verboten seien.
Verstehen Sie nicht? Ich auch nicht. Eine Behörde an und für sich wird wohl kaum mündlich kommunizieren. Und auch im normalen Sprechakt erscheinen, anders als uns das Lustige Taschenbuch glauben machen will, keine Sprechblasen über dem Kopf der redenden Person, die es ermöglichen, zu erkennen, ob SparSCHREIBUNGEN und Sonderzeichen verwendet werden – oder ist das dann Aufgabe der Sprachpolizei, die sie bisher hinter jedem Baum wittern, aber folgelogisch erst mit Ihrem Gesetz denkbar machen?
Mehr oder weniger geneigte, aber juristisch interessierte Leser*innen werden sich anschließend der Begründung zuwenden, um den Willen des potenziellen Gesetzgebers zu ergründen – und jämmerlich enttäuscht. Denn dort findet sich nichts außer die stumpfe Reproduktion längst wissenschaftlich überholter Annahmen, die damit nur noch Behauptungen sind.
Wenn nun aber als Arbeitsschritt davon ausgegangen werden soll, dass es sich um eine Sprachregelung für Beamt*innen handeln soll, dann wird völlig beiseite gelassen, dass es sich hier um einen wesentlichen Grundrechtseingriff handelt. Denn nicht nur was ich sage, sondern auch wie ich es sage ist selbstverständlich Teil der Meinungsfreiheit. Und die gilt im Rahmen ihres Treueverhältnisses – auch wenn das die AfD überraschen mag – auch für Beamt*innen.
Hier sieht man nun jene Sprechverbote, die die Rechtsextremen so gern für die Gegenseite herbeifabulieren, Wort für Wort geschrieben. Und übrigens: Bei manchen Reden aus der AfD bin ich mir nicht sicher, ob das Gesagte gesprochene Sparschreibweise ist oder nur Genuschel. Stets ist es aber intellektuell spärlich, wie dieser Gesetzentwurf zeigt.
Der einreichenden Fraktion dürfte die Unbestimmtheit ihres spärlichen Gesetzentwurfes wohl bewusst gewesen sein. Deswegen hat sie als eine Art „salvatorische Klausel“ eine Verordnungsermächtigung angefügt. Und dabei leider wohl den Blick in die Verfassung vergessen. Sonst wäre ihnen aufgefallen, dass von Verfassungs wegen, Zweck und Ausmaß der erteilten Verordnung im Gesetze bestimmt sein müssen.
Das gilt umso mehr, wenn die Verordnungen Grundlage für Grundrechtseingriffe darstellen sollen. Das ist sowieso nur in einem begrenzten Umfang zulässig – ich werfe hier mal den Begriff des Wesentlichkeitsgrundsatzes in den Raum. Aber das scheint ja nur was für Connaisseure des Rechtsstaates zu sein und nicht für die wahren Ideologen in diesem Haus.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
zu guter Letzt kann ich es Ihnen nicht ersparen, Ihnen Ihre wirren Ausführungen zur Verfassungstreue von Beamt*innen aus dem letzten Plenum in Erinnerung zu rufen. Da wurde so getan, als wäre der Beamte oder die Beamtin nicht in der Lage zu erkennen, was man darf, weil diese angeblich ominöse freiheitliche demokratische Grundordnung zu unbestimmt und kompliziert ist.
Das ist doch blanker Hohn. Ihr Leitbild ist der wertefreie Beamte, der auch gern Verfassungsfeind sein darf, solange er nicht gendert.
Unser Leitbild ist der verfassungstreue Beamte, der sprechen kann, wie er will.
Viele Dank!