Aktuelle Debatte Stundenausfall – Melcher: Unterrichtsversorgung gemeinsam mit den Lehrkräften verbessern und nicht gegen sie
Redebeitrag der Abgeordneten Christin Melcher (BÜNDNISGRÜNE) zur Aktuellen Debatte auf Antrag der Fraktion CDU: „Gemeinsam den Unterricht absichern – Maßnahmen umfassend und generationengerecht ausgestalten!“
11. Sitzung des 8. Sächsischen Landtags, Donnerstag, 26.03.2025, TOP 1
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
am 11. März dieses Jahres erlebte das sächsische Schulpersonal eine überraschende Tageslektüre: 21 Maßnahmen zur Verbesserung der Unterrichtsversorgung.
Während der Wunsch nach Verbesserung zu begrüßen ist, wirft die Art und Weise ernsthafte Fragen auf. Denn das Maßnahmenpaket ging gleichzeitig an die Lehrkräften und Schulleitungen, an die bildungspolitischen Sprecher*innen, aber eben auch gleichzeitig an die Presse. Manch einer mag sagen maximale Transparenz, ich sage: maximal unsensibel.
Gerade bei Maßnahmen mit solch weitreichenden Folgen stößt man eben willentlich alle gegen den Kopf, wenn man sie nicht vorher einbezieht. Und so hat diese Tageslektüre zu recht auch für massiven Unmut gesorgt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
die frühzeitige Einbeziehung der Interessensvertretungen hätte vor allem auch einen notwendigen Realitätscheck geliefert. Der Realitätscheck erfolgt nun per Protestbriefe, Stellungnahmen, E-Mails oder eben auch auf der Straße.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
ich habe in den vergangenen Tagen das Gespräch mit den Interessensverbänden gesucht, und alle sagen mir: Natürlich müssen wir die Unterrichtsversorgung verbessern, aber eben nicht auf Kosten der Lehrkräfte, insbesondere nicht der älteren. Und auch nicht auf dem Rücken der Lehrkräfte, die sich besonders verdient gemacht haben und eben mehr als Dienst nach Vorschrift machen.
Ich bekomme auch unzählige Rückmeldung aus der Schullandschaft. Auch hier: viel Unverständnis, Unmut und Frust: Warum jetzt? Warum werden die Ergebnisse der Arbeitszeitstudie nicht abgewartet? Wer soll die Aufgaben übernehmen, wo jetzt die Anrechnungsstunden wegfallen?
Es wird befürchtet, dass noch mehr Lehrkräfte wegen Überlastung ausfallen, dass noch mehr Hochschulabsolvent*innen in die anderen Bundesländer abwandern, dass noch mehr Lehrkräfte die Altersgrenze nicht erreichen werden.
Aber es gibt eben auch viele konstruktive Vorschläge. Ein Schatz, den man heben kann, wenn man das Gespräch auf Augenhöhe sucht.
Diese Vorschläge sind ganz konkret: Warum schauen wir nicht einmal kritisch auf die Stundentafel? Warum stärken wir das LaSub nicht mehr als Dienstleister für die Lehrkräfte und Hochschulabsolvent*innen? Was ist eigentlich aus der Flexi-Teilzeit geworden aus dem Handlungsprogramm von 2017? Warum muss es denn jetzt verpflichtend sein? In diesem Zusammenhang möchte ich erwähnen, dass das 2017-Modell vorsah, dass die Ausgleichsphase der Mehrarbeit ab 2023 beginnen sollte. Davon sind wir weit entfernt.
Aber genau solche falschen Versprechungen führen eben dazu, dass die Lehrkräfte einfach kein Vertrauen mehr haben in beschlossene Maßnahmen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
was ich damit sage: Wir tun gut daran, miteinander ins Gespräch zu kommen, um die Unterrichtsversorgung gemeinsam mit den Lehrkräften zu verbessern und nicht gegen sie.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
ich teile auch einige Punkte aus dem Maßnahmenpaket, wie mehr Praxis in der Ausbildung, weniger Prüfungen, die Anerkennung von Ein-Fach-Lehrkräften oder auch die Stärkung multiprofessioneller Team. Es muss aber auch kommen. Und nicht wie im Haushalt dann doch keine Verbesserung bei den multiprofessionellen Team. Was ist denn das für ein Signal?
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
aber einige Punkte sorgen eben zu Recht auch für Kritik. So zum Beispiel: Die Neuregelung der Altersermäßigung. Diese Regelung trifft wieder die Lehrkräfte, die alle Strapazen der Bildungspolitik der vergangenen 35 Jahre aushalten mussten. Es sind genau die Lehrkräfte, die vor 20 Jahren in Zwangsteilzeit gesteckt worden und dann nie die Chance auf die Verbeamtung hatten. Genau diese sollen jetzt wieder das Nachsehen haben und im Alter auf Altersermäßigung verzichten. Das muss man als Schlag ins Gesicht begreifen.
Ein weiterer Punkt, der zurecht für Kritik sorgt, ist die Reduzierung der Anrechnungsstunden für Fachberater*innen. Sie spielen eine zentrale Rolle bei der Unterstützung und Fortbildung von Lehrkräften, insbesondere von Seiteneinsteigern. Wenn hier gekürzt wird, drohen noch mehr Seiteneinsteiger*innen das Handtuch zu werfen, als es ohnehin schon tun.
Oder der Wegfall der GTA-Koordination. Ich hatte es gestern schon gesagt: Mit der Kürzung im Haushalt bei GTA hat man das Gefühl, Sie wollen den Ganztag kaputt machen. Dabei kommt im nächsten Jahr der Rechtsanspruch.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
die Debatte macht deutlich: Es muss noch einiges nachgebessert und vor allem zurückgenommen werden. Wir haben dazu heute auf BÜNDNISGRÜNE Initiative auch eine Anhörung im Landtag beschlossen. Damit eben alle miteinander reden können.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
abschließend möchte ich betonen: Ich hätte mir heute in der Debatte auch etwas Demut gewünscht, insbesondere von der CDU. Es sind vor allem Ihre Fehler in der Bildungspolitik, die die Lehrkräfte und auch die Schülerinnen und Schüler ausbaden müssen.
Ehrlichkeit ist der erste Schritt zur Erkenntnis.
Vielen Dank!