Aktuelle Debatte Polizeieinsatz Riesa – Lippmann: Es gibt noch viel aufzuarbeiten, aber definitiv nicht die Phantomschmerzen der AfD zu therapieren
Redebeitrag des Abgeordneten Valentin Lippmann (BÜNDNISGRÜNE) zur Ersten Aktuellen Debatte der Fraktion AfD: „Demokratieproblem in Riesa: Wer steht über dem Gesetz?“
7. Sitzung des 8. Sächsischen Landtags, Mittwoch, 12.02.2025, TOP 3
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
die Titel aktueller Debatten der AfD bilden mitunter eine ganz eigene literarische Gattung. Gerne kombinieren sie eine unbelegte Behauptung mit einer allgemeinen, offen gehaltenen Frage.
So sollen wir heute bei der beliebten Rubrik „Was will uns der Autor damit sagen?“ darüber sinnieren, welches Demokratieproblem es in Riesa gibt und wer über dem Gesetz steht.
Die Antwort dürfte in typischer Komplexitätsreduktion der Autoren und Einreicher einfach sein: Es gib kein Demokratieproblem in Riesa. Und niemand steht über dem Gesetz.
Und so könnten wir uns nach dieser kurzen Antwort jede Menge plumpe Polemik und paradoxe Propaganda ersparen, wüssten wir nicht alle, dass die in Riesa gestählten rechtsextremen Recken heute vor allem mal wieder die Wahrheit zurechtbiegen wollen, um sich als Opfer zu inszenieren.
Glaubt man den fast schon tränenreichen Ausführungen einiger AfDler, so irrten am 16. Januar hunderte verwirrte AfDler auf der Suche nach ihrer Zusammenkunft stundenlang orientierungslos durch ein von demokratischem Gegenprotest in Schutt und Asche gelegtes Riesa und fanden selbst bei der Staatsmacht keine Hilfe.
Was wie eine biblische Erzählung klingt, ist allerdings vor allem ein langweiliges Märchen, das man seit einer Sondersitzung des Innenausschusses vor drei Wochen versucht mit immer neuen Schaurigkeiten an den Mann und die Frau zu bringen.
Also beleuchten wir mal die Fakten:
- Die AfD hat dem Innenausschuss einen umfassenden Fragenkatalog vorgelegt. Die Antworten sind bis heute nicht vollständig. Aber weil man an Fakten nicht interessiert ist, reicht es immerhin noch für eine Propaganda-Debatte.
- Die AfD hat ihren Parteitag durchführen können. Dass es erheblichen Gegenproteste gibt, ist Ausdruck einer starken Zivilgesellschaft und einer lebendigen Demokratie. Übrigens sage ich Ihnen das als BÜNDNISGRÜNER. Wir sind Gegendemos bei Parteitagen gewohnt, sogar heftigste wie beim Bielefelder Parteitag 1999 und haben danach nicht das Ende der Demokratie besungen.
- Das zentrale Demokratiedefizit, dass es in Riesa gab, war der Parteitag der AfD selbst und das heute erneut zu Tage getretene Denken, dass Demokratie bedeute, dass Verfassungsfeinde unwidersprochen antidemokratische Hetze verbreiten können. Der Sinn von Versammlungs- und Meinungsfreiheit ist aber nicht, Ihnen Widerspruchsfreiheit zu verschaffen, sondern Gegenprotest zu ermöglichen. Wenn Sie das nicht verstanden haben, haben Sie ein Demokratiedefizit.
- Es steht niemand über dem Gesetz und die Versammlungslage in Riesa fand im Rahmen der Verfassung und des Versammlungsgesetzes statt. Für einen derart komplexen Einsatz, wie ihn die Sicherheitsbehörden zu bewältigen hatten, gab es verhältnismäßig wenig Komplikationen. Ich bin der Letzte, der Sicherheitsbehörden über den Grünen Klee lobt, und ich stimme auch nicht mit dem Innenminister überein, dass es sich um ein lehrbuchartiges Meisterstück gehandelt hat. Aber den Behörden ist im Großen und Ganzen ein Ausgleich zwischen den Grundrechten der Versammlungen und jenen der Parteitagsgänger gelungen – im Fachjargon auch praktische Konkordanz genannt. Wenn Sie das stört, werte AfD, stellen Sie sich über das Gesetz.
- Wenn Sie die große geistige Leistung des Grundgesetzes nicht erkennen vermögen, dass unser freiheitlicher Rechtsstaat stets die gesellschaftliche Zumutung in sich trägt, dass der Staat selbst einen Parteitag einer verfassungsfeindlichen Partei wie Ihrer mit aller Macht schützt und dabei mehr als nur einmal die Grenzen der Verhältnismäßigkeit im Umgang mit dem Gegenprotest überschreitet, dann ist das Ihr Problem, aber kein Demokratieproblem.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
es gehört zum Konzert des rechtsextremen Raunens, immer wieder einen Kontrollverlust des Staates zu suggerieren. Aber wenn der Einsatz in Riesa eines gezeigt hat, dann, dass es sich dabei um ein Phantasma handelt. Zu den Ereignissen in Riesa gibt es noch viel aufzuarbeiten, aber definitiv nicht Phantomschmerzen der AfD zu therapieren.