Aktuelle Debatte nachhaltiges Bauen – Löser: Wir sollten die aktuelle Situation als Chance begreifen und unsere Art des Bauens hinterfragen
Redebeitrag des Abgeordneten Thomas Löser (BÜNDNISGRÜNE) zur Ersten Aktuellen Debatte auf Antrag der Fraktion BÜNDNISGRÜNE zum Thema: „Zukunftschancen für den Freistaat nutzen – sächsische Bauwirtschaft jetzt klimaneutral und umweltfreundlich aufstellen“
65. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Mittwoch, 01.02.2023, TOP 3
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
bauen, bauen, bauen – lange galt dieses Motto als Patentrezept für verschiedene Herausforderungen unserer Zeit. Es kurbelt die Wirtschaft an, es schafft Wohnraum, es schafft Gewerberäume.
Im Moment sehen wir, dass sowohl die öffentliche Hand als auch private Bauwillige Bauprojekte streichen oder verschieben. Wir haben erst gestern gehört, dass die Vonovia dieses Jahr alle Neubauprojekte im Wohnungsbau einstellen wird. Das betrifft in Sachsen vor allem Leipzig und Dresden.
Die Gründe dafür sind schnell aufgezählt: Baugrundstücke sind teuer wie nie, die Preise für Bauleistungen haben ein Hoch erreicht, Preissteigerungen in bestimmten Segmenten von bis zu 30 Prozent, durch weltweite Krisen sind etablierte Baustoff-Kreisläufe und Lieferketten gestört, Finanzierungskosten steigen nach einer Jahre andauernden Niedrigzinsphase wieder an.
Aus BÜNDNISGRÜNER Sicht wollen wir deshalb heute die Frage stellen, ob in dieser unfreiwilligen Pause des Baubooms Chancen liegen, ob wir die Art, wie wir bauen, kritisch hinterfragen sollten und wo die Zukunft im Bauen liegt.
Also ganz allgemein formuliert: Wie wollen wir in Zukunft bauen? Welchen Flächenbedarf legen wir beispielsweise im Wohnungsbau zu Grunde?
Seit Jahren steigt die bewohnte Fläche in Deutschland pro Kopf. Können oder wollen wir uns das noch leisten?
Wie können wir ressourcenschonend, in Einklang mit den Klimazielen und mit regionaler Wertschöpfung Bauaufgaben lösen? Mit welchen Stoffen bauen wir in Zukunft? Sind Zement, Beton, Kies, Stahlbeton in Teilen oder ganz zu ersetzen? Bauen wir in Zukunft mit dem traditionellen und schönen Rohstoff Holz? Bauen wir mit Carbonbeton und CO2 freiem Zement? Brauchen wir die endlichen Rohstoffe wie Kies und Sand noch in dem Umfang, oder können wir diese durch neue Technologien oder Recyclingbaustoffe ersetzen? Reden wir ernsthaft über das Bauen mit Lehm, Stroh, und dämmen wir in Zukunft unsere Gebäude mit nachwaschsenden Rohstoffen statt dem erdölbasierten PVC Wärmedämmverbundsystem? Wie bringen wir das Bauen mit Holz in die Breite? Wie begeistern wir Kommunen, diese Verfahren auch in der Bauleitplanung und Genehmigung zu unterstützen und offensiv dafür zu werben?
Heute Morgen durften wir ja beim parlamentarisches Frühstück des Holzbaukompetenzzentrum Sachsen hören, wie gut das Zentrum bereits arbeitet und wie groß das Interesse am nachhaltigen Bauen mit Holz bei Architekten und Bauherren und Handwerksbetrieben ist. Ich freue mich darüber sehr und möchte Minister Schmidt ausdrücklich danken, dass er das Thema auf die Agenda seines Hauses gesetzt hat.
Es ist bitter, aber wahr: Krisen sind Umbrüche, Krisen verändern Rahmenbedingungen, Krisen bergen Chancen. So haben die Beschränkungen durch die Corona-Pandemie erstmals zu einer Verringerung des CO2-Ausstoßes im Verkehrsbereich geführt und gleichzeitig haben sich Arbeitsbedingungen durch die rasante Verbreitung digitaler Prozesse in manchen Branchen grundlegend verändert.
Der Krieg in der Ukraine brachte einen Aufschwung bei den Privatinvestitionen in Solaranlagen und die Debatte über den notwendigen Ausstieg aus fossilen Energieträgern ist in der breiten Öffentlichkeit angekommen und wird geführt. Wir erleben ja zur Zeit ein reges Interesse bei dem Thema, wie man Denkmalschutz und nachhaltige Energie verbinden kann.
Genauso wie jeder von uns auf die Corona-Pandemie oder den Ukrainekrieg verzichtet hätte, muss jeder von uns mit den geänderten Bedingungen umgehen. Wir kommen auch in Sachsen und gerade in der Bauwirtschaft nicht daran vorbei.
Das Klima schützen, damit auch unsere Kinder und Enkel eine Lebensgrundlage haben werden, das ist die drängendste Aufgabe der Gegenwart.
Die stellt sich besonders auch im Bausektor, denn er verursacht 40 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen. Dazu zählen neben der teils sehr energieaufwändigen Herstellung von Baustoffen wie Zement, Stahl und Glas auch die Beheizung und Kühlung der Gebäude.
Wir sind mit Vertretern der Baubranche im Gespräch – erst vorgestern mit dem Verband der Bauindustrie Ost – und ich erlebe dort eine große Offenheit gegenüber Nachhaltigkeitsthemen. Aber aus der Sicht der Fachleute kam auch die ganz klare Einschätzung, dass grundlegende Veränderungen erst dann eintreten werden, wenn die rechtlichen Rahmenbedingungen die erforderlichen Vorgaben gerecht und verbindlich für alle gelten.
Klar ist, wir brauchen auch die Rahmengebung seitens der Politik. Wir als Politik müssen das Ziel vorgeben. Wir müssen im Rahmen der Bauordnung die baurechtlichen Möglichkeiten schaffen, wir müssen als Freistaat auch Vorbild sein und selber vorangehen. Da können die ersten fünf Häuer in Holzbauweise nur ein erster Schritt sein.
Ja, wir haben mit diesen öffentlichen Bauten oder mit der Förderung des Holzbaukompetenzzentrums schon einiges erreicht in Sachsen.
Ich möchte aber einladen, dort nicht stehen zu bleiben, sondern weiter zu denken: Ein Kompetenzzentrum für nachhaltige Baustoffe, deutliche Stärkung der Kreislaufwirtschaft, viel größere Anstrengungen für die Sanierung im Bestand oder einfach schon eine Kampagne der Staatsregierung für die Vorteile von energetischer Sanierung.
Unsere Planungsbüros, unsere Handwerks- und Baubetriebe, unsere Mieterinnen und Mieter und nicht zuletzt der Klimaschutz würden davon profitieren.
Diese Riesenaufgabe der Bauwende – oder des neuen Bauens – ist neben der Energiewende eine ganz zentrale Aufgabe in der ökologischen Modernisierung unserer Volkswirtschaft. Es ist eine gewaltige Aufgabe und es ist ein Prozess und eine große Chance.
Ich glaube, Sachsen hat dabei riesige Potenziale, auch in der Bundesrepublik bei diesen Themen voranzugehen und von anderen, die diesen Weg bereits gehen, zu lernen. In diesem Sinne freue ich mich auf die Debatte und danke für die Aufmerksamkeit.