Aktuelle Debatte Entlastungspaket – Schubert: Bürger*innen erwarten gemeinsames Handeln und schnelle Lösungen

Redebeitrag der Abgeordneten Franziska Schubert (BÜNDNISGRÜNE) zur Zweiten Aktuellen Debatte zum Thema: „Das dritte Entlastungspaket der Ampelregierung – wer wird hier in Sachsen eigentlich entlastet?“
56. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Mittwoch, 21.09.2022, TOP 10

– Es gilt das gesprochene Wort

Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

gleich vorweg: Wir reden heute über das dritte Entlastungspaket des Bundes. Das heißt, innerhalb eines Jahres hat die Bundesregierung bereits mit drei Maßnahmepaketen fortlaufend daran gearbeitet, dass die wirtschaftlichen, energiepolitischen und sozialen Auswirkungen des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine in Deutschland abgemildert werden. Das auf 65 Milliarden Euro angelegte Entlastungspaket des Bundes geht die hohen Energiekosten und gestiegenen Preise an.

Und auch, wenn es das dritte Entlastungspaket ist, fehlen noch Bausteine. Ja, das ist so. Beispielsweise der Gaspreisdeckel, für den ich mich ausdrücklich ausspreche, und der scheitert am Bundesfinanzminister Christian Lindner. Oder, so wie es heute die Bonner Oberbürgermeisterin Katja Dörner forderte, Hilfen für kommunale Stadtwerke. Und – da bin ich ganz bei Rico Gebhardt, was selten genug vorkommt – durch gezielte Eingriffe in den Markt. Es ist inakzeptabel, wie die Preise entstehen – da machen Konzerne Gewinne, die ich nur als sittenwidrig bezeichnen kann. Das muss aufhören; diese Gewinne müssen abgeschöpft werden und die Preisbildung braucht staatliche Eingriffe. Der Koalitionsausschuss hat sich dazu bekannt und das muss zügig kommen.

Krisen steht man durch, wenn man zusammensteht. In den vergangenen Wochen benahmen sich CDU/CSU in ihrer Oppositionsrolle allerdings so selbstgerecht, dass ich nur feststellen kann: Gut, dass diese Partei im Bund nicht mehr in Regierungsverantwortung steht. Durch faktenfreies Rumpolter von der eigenen Verantwortlichkeit für den energie- und sicherheitspolitischen Zustand dieses Landes abzulenken, ist billig. Ganz zu schweigen von den gestern veröffentlichten, äußerst lesenswerten Lobbyrecherchen zu Gazprom. So viele Versäumnisse, so wenig Einsicht. Und auch heute erlebten wir seitens der CDU hier in diesem Hohen Haus ein Niveau-Limbo im Sinne von: „erst die Partei, dann das Land“. Wir sind als Sachsen ein eher kleines Licht in der Bundesrepublik und Zusammenhalt ist darum besonders wichtig. Ich bin sehr enttäuscht über die Unfähigkeit einiger Kollegen bei der CDU, über den eigenen gekränkten Stolz hinwegzukommen und – statt sich an der Lösungsfindung zu beteiligen – lieber Parteikalkül vor das Wohl des Landes stellt. Ein reflexartiges „wir erteilen eine Absage an ein eigenes sächsisches Hilfspaket“ spricht Bände und ist in hohem Maße wirtschafts- und gesellschaftsfeindlich. Bewegt Euch, Kollegen, so mein eindringlicher Appell, damit wir das zusammen hinbekommen. Für unseren Freistaat; so viel Verantwortung muss sein.

Wir müssen die Lösung der Krisen als gemeinsame Aufgabe auf Bundes- und Landesebene angehen. Die Bürgerinnen und Bürger erwarten von den Parlamenten und Regierungen in Bund und Ländern, dass sie schnelle Lösungen für die aktuellen Krisen entwickeln und dass wir uns alle jenseits unserer Parteiprogrammatik bewegen. Dass wir alle unsere Verbindungen nutzen, um Rückmeldungen einzuspeisen in die Debatten auf Bundesebene. Krisen bewältigen wir nur gemeinsam, pragmatisch und in geteilter Verantwortung. Es ist nicht damit getan, mit dem Finger immer nur Richtung Bund zu zeigen. Es gibt für diese Situation genau einen Schuldigen und das darf nicht vergessen werden: Es ist der Psychopath im Kreml – der Despot und Kriegsverbrecher Putin.

Wir können selbst als Freistaat was tun – mit Geld und auch verwaltungsseitig, in dem wir Entlastungen schaffen für jene, die unsere Wirtschaft tragen. Ich denke da an das, was man für Unternehmen im Bereich der Finanzämter erleichtern könnte; ich denke z.B. an das, was das Innenministerium für kommunale Haushalt ähnlich wie zu Corona ordnen könnte.

Wir können etwas tun – und meine Lebenserfahrung hat mir gezeigt, dass nichts so unerträglich ist, wie das Verharren in passiver Haltung. Deshalb positionieren wir uns als BÜNDNISGRÜNE klar für ein ergänzendes sächsisches Hilfspaket. Alles andere ist für uns nicht verantwortbar.

Wir haben dazu eine Bestandsaufnahme vorgeschlagen, um eine Vorstellung über die Größenordnung zu bekommen. Das betrifft einerseits das Abfedern bei den Einrichtungen, die dem Freistaat zugeordnet sind, zum Beispiel Uniklinika, Hochschulen sowie Landesbeteiligungen, und andererseits Hilfen, die das Land Kommunen, Menschen und Wirtschaft zur Verfügung stellen kann. Wir haben im Zeitraum von jetzt bis Ende 2023 mit einem notwendigen Volumen von mindestens 1,5 Milliarden Euro zur Krisenbewältigung gerechnet.

Wir setzen uns dafür ein, dass die Erwartungen, die berechtigterweise an uns herangetragen werden, zum Beispiel beim Energiegipfel der Staatsregierung oder gestern beim Handwerkstag, nicht enttäuscht werden. Wir können als Freistaat etwas tun und das sollten wir auch, um für Kommunen, kleine und mittelständische Unternehmen, Familien, Landeseinrichtungen, Kultur und Soziales, das abzufedern, was durch die Maßnahmen des Bundes nicht berücksichtigt wurde.

Wir sind der Auffassung, dass es ein „Hilfspaket Kommunen“ braucht. Als Kreisrätin weiß ich, was da gerade aufläuft; beispielhaft sei nur der sprunghafte Anstieg bei den Pflegesätzen genannt. Ein Schutzschirm Kommunen muss kommunale Stadtwerke umfassen, die Wohnungswirtschaft, ÖPNV, Kliniken und medizinische Basisversorger. Soziale Beratung und Hilfsangebote, Übernachtungshäuser, Gewaltschutzeinrichtungen müssen in ihrer Struktur gehalten werden.

Darüber hinaus sollten Härtefallzahlungen für Privathaushalte ermöglicht werden; insbesondere bei denen, die nicht über Sozialtransferleistungen abgesichert sind. Ich möchte das auch ganz klar sagen: Gute Sozialpolitik bedeutet, jene zu stützen und aufzufangen, die für gute Arbeit sorgen, und jene in den Blick zu nehmen, die durch die Preissteigerungen trotz Erwerbsarbeit in massive finanzielle Nöte rutschen.

Ein weiterer Schwerpunkt liegt für uns auf dem verstärkten Ausbau Erneuerbarer Energien im öffentlichen Sektor und Energieeffizienzmaßnahmen im Privaten, worauf ich neben der Finanzierungsfrage in der zweiten Rederunde eingehen werde.

Wir haben verschiedene Herausforderungen zu bewältigen: erstens die akute Krisenbewältigung über Hilfen; zweitens vor Ort die energiepolitische Unabhängigkeit voranzubringen und drittens antizyklisch gegen die kommende Rezession vorgehen zu können.

Es braucht zügig eine Lösung, wie so ein Paket finanziert werden kann. Es geht um die Bereiche, die nicht von den Entlastungspaketen des Bundes abgedeckt sind, die wir aber in ihren Strukturen erhalten: Kommunen (da kann der Bund nicht ohne Weiteres reingehen), Wirtschaft, Haushalte, soziale, kulturelle, Sport-Einrichtungen.

Wir brauchen eine Anpassung der sächsischen Schuldenbremse.

Denn diese ermöglicht es in ihrer jetzigen Form nicht, konjunkturell bedingte Kredite aufzunehmen; Sachsen geht damit einen Sonderweg und dieser ist in solchen Zeiten eine Sackgasse. Wir brauchen daher einen zeitgemäßen Mechanismus, der uns in Krisen wie dieser handlungsfähig macht und auch wieder rausholt: ein Mechanismus, der Investitionen, Aufschwung, Zukunftsgestaltung und Entwicklung ermöglicht. Wir brauchen eine echte Konjunkturkomponente, mit der wir strukturell gut arbeiten können. Übrigens muss jede Hilfe des Bundes ko-finanziert werden. Auch das ist schon jetzt nicht ohne Weiteres möglich aus dem laufenden Haushalt.

Für uns BÜNDNISGRÜNE ist absehbar, dass wir für ein solches umfassendes und zukunftsweisendes Hilfspaket Kreditmittel brauchen werden. Es geht um eine Ausnahmesituation; Krediten stehe ich in Normalzeiten deutlich reservierter gegenüber, auch das ist kein Geheimnis. Niemand ruft hier zum Selbstzweck nach Schulden; mitnichten.

Die aktuelle Situation erfordert auch – mehr denn je – schnelles Handeln, um energiepolitisch unabhängiger zu werden. Die Energiewende wurde bisher aktiv ausgebremst. Die Bundesregierung arbeitet nun unter Hochdruck daran, was die Vorgängerregierungen jahrelang versäumt haben – zu unser aller Schaden. Wir müssen uns unabhängig machen von fossilen Energieträgern, um unser Klima zu schonen und unseren Wohlstand zu sichern. Wir wollen unter anderem für Bürgerinnen und Bürger konkrete Anreize und Unterstützung schaffen bei der Eigenproduktion und auch beim Energiesparen. Wir halten eine Investitionsoffensive zum Ausbau Erneuerbarer Energien in Sachsen für dringend notwendig. Die Vorbildwirkung der öffentlichen Hand kann dabei zum Konjunkturbaustein werden: Staatliche Immobilien können einen wesentlichen Beitrag leisten zu Energieeinsparung und beim Ausbau Erneuerbarer Energien: Erneuerbare auf Dächern und Flächen ausbauen, kein Neubau im Staatlichen Hochbau mehr ohne multifunktionale Bauweise, Energieeffizienzmaßnahmen beschleunigen, Energiesparpläne auf-/umsetzen. Von den Aufträgen profitiert das Handwerk und stabilisiert die Auftragslage. Bei Privathaushalten wollen wir den Einsatz von Photovoltaik anreizen, z.B. für Balkonkraftwerke; wir wollen eine Anschlusslösung für das 9-Euro-Ticket. Der Freistaat muss die Ko-Finanzierung sicherstellen.

Zum Abschluss möchte ich noch etwas loswerden:

Ich lehne Begrifflichkeiten wie „heißer Herbst“ in so einer krassen Situation ab. Es ist gut, im Plenum über die Krise zu debattieren, okay. Es ist auch ein Grundrecht, zu demonstrieren. Aber ich kann aus dieser Debatte nicht herausgehen, ohne auf die krasse, auch moralische Schieflage hinzuweisen, in der sich führende Köpfe der LINKS-Partei so deutlich und offen zeigen: Was Frau Wagenknecht, Herr Pellmann, Herr Ernst & Co. von sich geben, zeigt deutlich, wie russlandfreundlich die LINKE nach wie vor ist – auch noch nach Butscha und Isyum.

Auch, wenn die Entlastungspakete des Bundes noch nicht allumfassend sind – es wird gehandelt und wir sollten das auch in Sachsen tun. Lassen Sie uns dafür zusammenstehen.