Aktuelle Debatte Cannabis – Čagalj Sejdi: Kontrolle gewinnen wir mit Regulierung zurück, nicht mit Verboten

Redebeitrag der Abgeordneten Petra Čagalj Sejdi (BÜNDNISGRÜNE) zur Ersten Aktuellen Debatte auf Antrag der Fraktion CDU: „Nein zur Cannabisfreigabe – zum Schutz unserer Kinder und zum Erhalt der öffentlichen Ordnung“

86. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Donnerstag, 21.03.2024, TOP 1

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Präsident,
werte Kolleginnen und Kollegen,

es ist an der Zeit, dass wir uns der Realität stellen und eine Diskussion auf Basis wissenschaftlicher Fakten führen, anstatt mit Halbwahrheiten und Scheinargumenten.

Sie, liebe CDU, sprechen von einem Kontrollverlust. Doch was wir tatsächlich verlieren, ist die Chance auf Kontrolle über einen Markt, der längst in den Händen des Schwarzmarktes ist. Ein Markt, in dem Dealer nicht nach dem Alter fragen, in dem Qualität nicht kontrolliert wird und Konsument*innenenschutz ein Fremdwort ist.

Fakt ist: Die Verbotspolitik ist gescheitert. Auch in Sachsen ist der Cannabis-Konsum deutlich angestiegen. Die Zahl der männlichen Cannabisnutzer hat sich auf 9,7 Prozent mehr als verdoppelt, bei Frauen stieg sie von 3,8 Prozent auf 5,3 Prozent.

Die Kontrolle gewinnen wir zurück, indem wir regulieren, nicht indem wir verbieten.

Die Entkriminalisierung wird zu weniger Strafverfahren im Bereich Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz führen. Für Erwachsene ist künftig der Besitz von bis zu 25 Gramm Cannabis erlaubt. Dies entlastet polizeiliche Ermittlungsarbeit erheblich. Wenn der Besitz diese Menge nicht überschreitet, braucht es kein Strafverfahren.

Natürlich erfordert jede fundamentale Veränderung der Rechtslage zunächst einen Übergangsprozess. Hier gilt es, unsere Justiz zu unterstützen.

Es ist eine Frage der Gerechtigkeit, Handlungen, die künftig nicht mehr unter Strafe stehen, nicht weiterzuverfolgen.

Das Scheinargument von der Einstiegsdroge ist genauso so alt, wie es haltlos ist – und klar widerlegt. Es gibt keinen kausalen Zusammenhang zwischen Cannabiskonsum und dem späteren Gebrauch anderer Drogen.

Etwa 23 Prozent aller Erwachsenen haben bereits Cannabis konsumiert, aber weniger als 1 Prozent davon hat einen aktuellen Konsum anderer Drogen.

Die wahren Einstiegsgründe? Das sind zum Beispiel soziale Ausgrenzung und fehlende Perspektiven. Statt Cannabis zum Sündenbock zu erklären, müssen wir diese realen Probleme angehen.

Die sächsische CDU malt das Bild einer Gesellschaft im Drogenrausch, sollte Cannabis entkriminalisiert werden.

Erfahrungen aus Kanada und US-Bundesstaaten zeigen: Regulierte Legalisierung kann den illegalen Markt schwächen und den Zugang für Minderjährige erschweren. Regulierung gewährleistet eine kontrollierte Abgabe, bei der Alter und Qualität streng überwacht werden.

Erfahrungswerte aus Kanada, wo Cannabis 2018 mit ähnlicher Regulierung freigegeben wurde, weisen darauf hin, dass der Konsum unter Jugendlichen nicht zunimmt. Natürlich gibt es in diesen Ländern dennoch suchtkranke Menschen, aber wie bereits erwähnt, liegt dies auch an den sozialen Umständen in den Gesellschaften, an fehlenden Hilfs- und Präventionsangeboten und anderen Problemen.

Die Behauptung, dass die Legalisierung von Cannabis die Hemmschwelle senkt und zu erhöhten Konsum führt, ist ebenfalls nicht belegt.

Daten der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EBDD) zeigen: Es gibt keinen Zusammenhang zwischen der nationalen Rechtslage und dem jeweiligen Cannabiskonsum.

In Italien ist zum Beispiel die Konsumrate nach einer Strafverschärfung angestiegen, in Griechenland trotz Lockerung gesunken. Ein Vergleich in Deutschland zeigt ebenfalls keinen Zusammenhang zwischen der Verfolgungsintensität in den Bundesländern und der jeweiligen Intensität des Cannabisgebrauches.

Werte Kolleginnen und Kollegen,
was wir brauchen, ist eine offene und sachliche Diskussion über Cannabisregulierung. Es ist an der Zeit, dass wir uns der Realität stellen und eine Politik verfolgen, die auf wissenschaftlichen Fakten basiert, anstatt an überholten Vorurteilen festhält.

Wir BÜNDNISGRÜNE setzen uns weiterhin dafür ein, dass Prävention, Entkriminalisierung und Gesundheits- und Jugendschutz Hand in Hand gehen – für eine zukunftsfähige und fortschrittliche Drogenpolitik.

Vielen Dank!