Aktuelle Debatte Bildungsland Sachsen 2030 – Melcher: Wir haben jetzt die Chance, die sächsischen Schulen zukunftsfest aufzustellen

Redebeitrag der Abgeordneten Christin Melcher (BÜNDNISGRÜNE) zur Zweiten Aktuellen Debatte der Fraktion CDU zum Thema: „Strategieprozess „Bildungsland Sachsen 2030“ – Fortentwicklung schulischer Bildung unter breiter fachlicher Beteiligung sicherstellen!“

87. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Donnerstag 02.05.2024, TOP 4

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrte Frau Präsidentin,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

wir haben zuletzt vor einem Jahr hier im Haus über das „Bildungsland Sachsen 2030“ gesprochen. Ich wiederhole gern, was ich damals zum Start der regionalen Bildungsforen sagte: Wir BÜNDNISGRÜNE begrüßen diesen Prozess außerordentlich! Er ist Ausdruck einer neuen Beteiligungskultur. Er ist klar und gut strukturiert. Es werden die richtigen Fragen aufgeworfen. Und es geht um Qualität, um die Schule der Zukunft. Dem liegt ein Konsens zugrunde, den ich gerne einmal beim Namen nennen möchte: Die sächsischen Schulen sind, ebenso wenig wie die Bildungspolitik, noch nicht gänzlich im 21. Jahrhundert angekommen. Ob eine Schule zukunftsfähig ist, zeigt sich bei Gebäuden und Ausstattung ebenso wie bei der inneren und äußeren Schulorganisation. Eine zukunftsfeste Schule zeichnet sich durch eine kindorientierte Pädagogik ebenso aus wie durch eine zeitgemäße Lern- und Prüfungskultur. Und das macht das „Bildungsland Sachsen 2030“ so wertvoll: Es haben sich viele Menschen viele Gedanken um die Schule der Zukunft gemacht. Sie haben Ideen entwickelt und verworfen, debattiert, mitunter auch gestritten. Nie aber ging es dabei um das Ziel, sondern stets um den Weg dorthin. Allen Beteiligten am Prozess möchte ich deshalb sagen: Vielen Dank für Ihre Ideen, Ihre Zeit und Ihr Engagement!

Nun geht es in die finale Phase. Das Kultusministerium wird ein Strategiepapier vorlegen, untersetzt mit konkreten Maßnahmen. Zur Erinnerung: In den vier Handlungsfeldern – Lernen, Steuerung, Professionalisierung und Infrastruktur – wurden Empfehlungen formuliert, um 16 strategische Ziele zu unterfüttern. Jetzt geht es an die Umsetzung. Auch hier werden Menschen eingebunden, die ganz nah dran sind. Das ist gut und richtig so. Beteiligung sichert die Akzeptanz aller, die an Schule wirken. Aus meiner Sicht brauchen wir aber noch mehr als das. Um den Prozess zu einem Erfolg zu machen, brauchen wir Verbündete. Wir brauchen die Menschen, die Schule anders machen wollen, fit für das 21. Jahrhundert. Menschen, die bereit sind, Dinge neu zu denken und Veränderung zu leben. Wir dürfen jetzt nicht nachlassen, genau diese Menschen mitzunehmen. Denn sie sind die Trägerinnen und Träger der Unterrichts- und Schulentwicklung, liebe Kolleginnen und Kollegen!

Was meine ich, wenn ich sage, dass sächsische Schulen noch nicht gänzlich im 21. Jahrhundert angekommen sind? Hier einige Beispiele: Fast alle Schulen in Sachsen haben Ganztagsangebote – gleichzeitig haben wir nur eine Handvoll gebundener, rhythmisierter Ganztagsschulen. Die Lehrpläne wurden 2019 grundlegend überarbeitet, politische Bildung, Medienbildung und Bildung für nachhaltige Entwicklung wurden als Querschnittsthemen verankert – gleichzeitig gibt es eine große Unzufriedenheit, auf dem Schulhof genauso wie am Abendbrottisch; Unzufriedenheit darüber, was die Schülerinnen und Schülern lernen, wie sie es lernen. Wir unterstützen als Land die Schulträger bei Neubau und Sanierung von Schulgebäuden – gleichzeitig ist das Landesprogramm seit Jahren überzeichnet; sanierte Schulen verfügen in aller Regel zwar über funktionsfähige Toiletten und erfüllen die Brandschutzauflagen, nicht aber die Anforderungen zeitgemäßer pädagogischer Konzepte.

Ich freue mich, dass sich nun viele Empfehlungen mit teils langjährigen BÜNDNISGRÜNEN Vorschlägen und Forderungen decken. Um nur einige Beispiele zu nennen:

  • mehr fächerverbindenden Unterricht,
  • Globalbudgets für Schulen,
  • Etablierung multiprofessioneller Teams,
  • Orientierungshilfe Schulbau,
  • Konzept zur Umsetzung des Rechtsanspruchs auf Ganztag im Grundschulalter.

Bei aller Wertschätzung für den Prozess und seine bisherigen Ergebnisse möchte ich noch auf einige Schwierigkeiten und Fehlstellen verweisen – im besten Fall als Achtungszeichen für das weitere Vorgehen:

Erstens: Klar ist, dass nicht alle Maßnahmen Geld kosten. Dennoch braucht es ausreichend finanzielle Ressourcen, damit die Umsetzung gelingt. Diese müssen zwingend im kommenden Landeshaushalt berücksichtigt werden – und zwar schon ab 2025. Denn der Prozess soll bis 2030 abgeschlossen sein – und nicht etwa 2030 beginnen, wie manch einer böswillig unkte.

Zweitens: Neben Geld braucht es den klaren politischen Willen. Wir haben bereits 2021 in einem Koalitionsantrag ein Konzept für die ganztägige Bildung und Betreuung gefordert. Das Kultusministerium hat dies – vorsichtig formuliert – nur halbherzig umgesetzt und ruht sich seither auf einem Pilotprojekt aus. Es bleibt zu hoffen, dass der Maßnahmenplan hier mehr Schubkraft entfaltet.

Drittens: Wir müssen die „blinden Flecken“ ausleuchten, das heißt, das mitdenken, was nicht explizit Thema war. Zwar soll das Bildungsland als Leitstrategie fungieren und andere Strategien einbinden. Dennoch gab es beispielsweise Kritik, dass das Thema Inklusion im Bildungslandprozess keine Rolle gespielt hat. Es wird sich zeigen müssen, ob es gelingt, hier wirklich ganzheitlich und vernetzt zu denken und zu planen.

Diese Achtungszeichen sollten wir mitnehmen auf dem Weg ins Bildungsland Sachsen 2030. Liebe Kolleginnen und Kollegen: Bei der Schule der Zukunft gibt es kein Erkenntnisproblem, alles liegt auf dem Tisch. Aber die Mühlen mahlen langsam. Wir haben jetzt die Chance, sächsische Schulen zukunftsfest aufzustellen – nutzen wir sie!

Vielen Dank.