Ärztemangel – Kuhfuß: Wir sorgen für bessere Arbeitsbedingungen und eine Vereinbarkeit von Familie und Beruf
Redebeitrag der Abgeordneten Kathleen Kuhfuß (BÜNDNISGRÜNE) zum Antrag der Fraktion AfD: „Ärztemangel begegnen – Eigeneinrichtungen und Versorgungszentren stärker nutzen“ (Drs 7/13215)
73. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Donnerstag, 06.07.2023, TOP 8
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
dieser Antrag der AfD bringt mal wieder nichts Neues in die Debatte ein. Ich könnte auch nicht sagen, dass mich das überrascht. Folgt dieser Antrag doch dem gleichen Schema, das fast allem zugrunde liegt, was die Rechtspopulisten in unser Hohes Haus einbringen: Probleme werden nur dazu genutzt, um dann vermeintlich einfache Lösungen zu propagieren. Ziel ist, uns zu sagen, wie dämlich wir sind.
Das bringt uns aber alle nicht weiter. Ich würde sogar sagen, dass dies reine Lebenszeitverschwendung ist, wenn nicht sogar Sabotage an der Arbeit derer, die sich für wirklich zukunftsfähige Lösungen einsetzen – ob hier im Haus oder auch den Ministerien.
Denn komplexe Probleme, wie die flächendeckende Gesundheitsversorgung in Stadt und auch auf dem Land, lassen sich nicht mit ein paar Polikliniken hier und da oder dem Proklamieren, dass wir mehr Ärzt*innen brauchen, lösen.
Einen Mangel an Mediziner*innen haben wir in Sachsen so auch nicht: Derzeit gibt es in Sachsen laut der sächsischen Landesärztekammer fast 20.000 berufstätige approbierte Fachkräfte, noch vor zehn Jahren waren es ca. 15.000. Mit 25 Prozent Steigerung ist jetzt erstmal kein Mangel zu begründen.
Zur Wahrheit gehört aber, dass sich junge Ärzt*innen die schlechten Arbeitsbedingungen, die sich über Jahrzehnte eingeschlichen haben, nicht mehr gefallen lassen. Sie wollen keine 60 Stunden oder mehr in der Woche arbeiten und noch Sonntag zum Hausbesuch eilen. Und man kann von einer neuen Generation an medizinischen Fachkräften auch nicht verlangen, dass sie ein System in Schieflage weiter stabilisieren, indem sie sich selbst kaputt arbeiten.
Daher sorgen wir für bessere Arbeitsbedingungen und eine Vereinbarkeit von Familie und Beruf auch für Mediziner*innen. Wenn es sie interessiert wie, dann hören oder lesen sie gern in der AD vom 2. Februar dieses Jahres nach, wo wir uns intensiv damit befasst haben.
Weiter zur Frage der Medizinischen Versorgungszentren, auch MVZ genannt.
In Sachsen haben wir laut der kassenärztlichen Bundesvereinigung im Jahr 2021 225 MVZ, das sind zehn mehr als im Vorjahr. Gerade die großen Klinikstandorte übernehmen massiv Verantwortung für die Räume ringsum, um eine Versorgung sicherzustellen.
Diese oft fachübergreifenden medizinischen Versorgungsstandorte sind derzeit nicht im Fokus von Investitionsförderungen des Sächsischen Landtages und müssen aus meiner Sicht im nächsten Doppelhaushalt Mittel zugewiesen bekommen, um Kommunen und Gemeinden noch weiter zu befähigen, dieser baulichen Verantwortung gerecht zu werden.
Aber die Versorgung und die Attraktivität von Arbeitsplätzen von Ärzt*innen endet nicht im MVZ. Das neue Sächsische Krankenhausgesetz stellt hier wichtige Weichen, um Gesundheitszentren und damit eine weitere Versorgung vor Ort zu stärken.
Die Zusammenarbeit mit den spezialisierten Kliniken ist für Ärztinnen und Ärzte ein sehr motivierendes Moment, weil damit neben der Arbeit in der Praxis der Austausch und die Vernetzung zu den Spezialist*innen möglich ist.
Die wirklichen Bedarfe vor Ort können wir aus Dresden heraus aber gar nicht kennen, deshalb sieht das sächsische Krankenhausgesetz auch Regionalkonferenzen für die Landkreise und kreisfreien Städte vor, um die Expert*innen vor Ort bei der Planung der Gesundheitsversorgung einzubeziehen und so den konkreten Umständen am besten gerecht zu werden.
Jetzt schauen wir aus Sachsen erwartungsfroh auf die seit Jahren überfällige Reform im Bund, die schon Herr Spahn bewegen wollte. Die Novellierung der Bundesgesetzgebung ermöglicht dann die bessere Verzahnung zwischen ambulanter und stationärer Versorgung und damit auch zielgerichteter Leistungen für dien einzelne Patientin/den einzelnen Patienten.
Wir werden das Problem des Fachkräftemangels in der Gesundheitswirtschaft – der oft ein Mangel an real zur Verfügung stehenden ärztlichen Arbeitsstunden ist, nicht nur mit deutschen Fachkräften lösen.
Wir Sächsinnen und Sachsen sind besonders darauf angewiesen, dass Menschen aus anderen Ländern mit uns zusammen die Arbeit der nächsten Jahrzehnte leisten, weil unsere demographische Entwicklung es quasi unmöglich macht, ohne Migration den hohen Standard der Gesundheitsdienstleistungen abzusichern.
Der zweite sächsische Sozialbericht hat uns noch einmal aufgezeigt, dass der Bedarf alleine an Vollzeitstellen bspw. im Pflegebereich durch demographische Entwicklungen bis zum Jahr 2035 von ca. 52.000 auf 65.000 steigen wird.
Laut der Wirtschaftsweisen Monika Schnitzer brauchen wir pro Jahr 1,5 Millionen Zuwander*innen in Deutschland und eine dementsprechende Willkommenskultur, um unsere Wirtschaft und damit auch die Gesundheitswirtschaft am Laufen zu halten.
Menschen mit Migrationshintergrund werden aber nicht langfristig mit uns zusammenarbeiten, wenn die AfD eine Stimmung aus Hass und Rassismus übers Land trägt und der Teil der Bevölkerung, der diese ausländerfeindlichen Einstellungen teilt, den öffentlichen Diskurs beherrscht.
Das zeigt sich auch, wenn man mal nachfragt, wie viele Ärzt*innen aus Drittstaaten in Sachsen ihre Approbation beantragt und erhalten haben und dann aber ihre Tätigkeit nicht in Sachsen aufnehmen. So wurden in 2022 von 618 Anträgen auf Approbation 149 positiv beschieden. Die Zahl derer, die ihre Arbeit in Sachsen aufgenommen haben ist jedoch nur um 103 in 2022 gestiegen.
Es muss unser Ziel sein, dass diese Menschen alle hierbleiben wollen.
Wir brauchen eine gelebte Willkommenskultur für alle Menschen, um ein attraktives Umfeld für ausländische, aber auch deutsche Ärzt*innen zu schaffen.
Glauben Sie denn allen Ernstes, für junge Ärzt*innen ist es attraktiv, mit ihren Familien dorthin zu ziehen, wo bei nächster Gelegenheit ein von der AfD orchestrierter Fackelmarsch durch ihren Vorgarten stapft, wo die AfD Hass und Angst gegen hilfesuchende Menschen schürt.
Ich kann Ihnen sagen, dass Ihre Politik ganz bestimmt nicht zur Attraktivität von Sachsen beiträgt.
Nein, viel mehr noch, Sie gefährden unser Gesundheitssystem in Sachsen massiv und die Menschen hier haben Besseres verdient.
Dieser Antrag kann von uns nur abgelehnt werden.