Abberufung Wiesner – Lippmann: Dieses Parlament wird nicht zuschauen, wenn ein Rechtsextremist den Rechts- und den Europaausschuss leitet
Redebeitrag des Abgeordneten Valentin Lippmann (BÜNDNISGRÜNE) zum Antrag der Fraktionen CDU und SPD: „Abberufung des Vorsitzenden des Ausschusses für Verfassung, Recht und Europa“ Drs 8/1347
10. Sitzung des 8. Sächsischen Landtags, Mittwoch, 25.03.2025, TOP 8
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrter Herr Präsident,
werte Kolleginnen und Kollegen,
blickt man auf den bis dato in der jüngeren sächsischen Parlamentsgeschichte einmaligen Vorgang, der sich hier heute ereignen soll, nämlich die Abwahl eines Ausschussvorsitzenden, dann muss sich doch all jenen anständigen Demokratinnen und Demokraten die Kernfrage der heutigen Debatte aufdrängen:
Wie konnte ein Rechtsextremist, ein Gegner unseres freiheitlichen Verfassungsstaates, über dessen Verstrickungen in den antidemokratischen Sumpf bereits heute viel erzählt wurde, ausgerechnet Vorsitzender des Ausschusses für Verfassung und Recht werden?
Nein, werte Kolleginnen und Kollegen, anders als uns hier mancher weiß machen will, ist Herr Wiesner nicht als Ausschussvorsitzender vom Himmel gefallen. Vielmehr ist dies Ergebnisse einer ganz besonderen Tragödie, in deren vierten Akt wir uns nun befinden.
Im ersten Akt wurden im Einigungsverfahren die Ausschussvorsitze unter den anspruchsberechtigten Fraktionen ausgehandelt. Bereits hier nimmt die Tragödie ihren Lauf, denn warum auch immer verramschten offenbar die Koalition und das BSW nicht nur den Innenausschussvorsitz an die AfD, sondern legten auch noch ausgerechnet den Rechtausschussvorsitz oben drauf – ohne Not, ohne Sinn und vor allem ohne Verstand.
Es spricht Bände für die parlamentarische Weitsicht der Minderheitskoalition, ausgerechnet einen der neben dem Haushaltsausschuss traditionell bedeutendsten Ausschüsse der AfD zu überlassen – Ausschüsse, in denen die CDU jahrelang den Vorsitz innehatte und für die sie sich nur allzu gern die Kernkompetenz zuschreibt.
Doch nicht genug des Dramas. Im zweiten Akt nun wähnte die AfD die Gunst der Stunde gekommen und benannte nun ausgerechnet einen Mann mit besten JA-Kontakten und ehemaligen Mitarbeitern, die als Terrorverdächtigte einen Freiflug nach Karlsruhe gewonnen haben, zum Vorsitz des Ausschusses für Verfassung, Recht und Europa. Natürlich eine bewusste Provokation, aber eben auch eine, die erwartbar war. Was dachte denn die Koalition, wen die AfD zum Ausschussvorsitz macht. Justitia persönlich?
Offenbar fiel erst in diesem Moment der Groschen bei der Koalition, dass, wenn man einem Abgeordneten einer rechtsextremen Partei einen Ausschussvorsitz überlässt, man auch einen Rechtsextremen als Vorsitzenden bekommt. Und man befand sogleich im dritten Akt dieses Dramas, an das nicht vorhandene demokratische Gewissen der AfD zu appellieren und forderte sie dazu auf, einen neuen Vorsitzenden für diesen Ausschuss zu benennen. Erfolglos, welch Überraschung.
Im nun dargebotenen Akt vier zieht man nun ein fast verwaistes Instrument der Geschäftsordnung und bemüht sich in parlamentarischer Schadensbegrenzung, durch den heute abzustimmenden Abberufungsantrag, den wir BÜNDNISGRÜNE ausdrücklich unterstützen. Es ist, wie so häufig im vierten Akt einer klassischen Tragödie, ein Moment der Hoffnung, vor allem aber eine klare Botschaft: Dieses Parlament wird nicht zuschauen, wenn ein Rechtextremist den Rechts- und den Europaausschuss leitet. Das gebieten die Achtung vor diesem hohen Hause und der demokratische Anstand.
Aber es bleibt die Frage offen, was im fünften Akt geschieht. Denn der AfD das Besetzungsrecht zu nehmen, hat die Koalition verwirkt. So spricht aus ihr Prinzip Hoffnung, dass es nicht noch schlimmer kommt, und aus uns das klare Versprechen: Wir wählen gerne auch den nächsten Rechtsextremisten mit ab.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
und so bleibt die klare Erkenntnis: Dass die AfD Herrn Wiesner zum Ausschussvorsitz gemacht hat, war kein Schicksal. Es hätte, anders als in griechischen Tragödien, mit der notwendigen Weitsicht vermieden werden können. Das sollte allen hier eine eindrückliche Lehre sein.
Vielen Dank!