Häufige Fragen zur Wahl des Ministerpräsidenten in Sachsen
Am 18. Dezember 2024 wählt der 8. Sächsische Landtag einen neuen Ministerpräsidenten. Dafür liegen aktuell die Bekundungen von Michael Kretschmer (CDU), Jörg Urban (AfD) und Matthias Berger (FW) vor.
Der normale Weg sieht so aus: Durch die Bildung einer Koalition vorab mit entsprechenden Vereinbarungen und vor allem Mehrheit, ist üblicherweise die Wahl des Ministerpräsidenten oder der Ministerpräsidentin nicht von großer Unsicherheit geprägt. Da sich nach der Landtagswahl nun CDU und SPD für das Modell einer Minderheitskoalition entschieden haben, vereint Michael Kretschmer aktuell nur 51 ’sichere‘ Stimmen auf sich. Die daraus folgende Situation bringt viele Fragen mit sich, über die wir hier kurz aufklären wollen.
Die Wahl des Ministerpräsidenten erfolgt in einer geheimen Abstimmung ohne Aussprache. Die Abgeordneten des Landtags haben die Möglichkeit, einen oder mehrere Kandidaten vorzuschlagen. Im ersten Wahlgang muss die Person von der Mehrheit der Mitglieder des Sächsischen Landtages gewählt werden. Das heißt von 120 Abgeordneten müssen beim ersten Wahlgang mindestens 61 Abgeordnete für einen Kandidaten oder eine Kandidatin stimmen.
Sollte kein Kandidat oder keine Kandidatin diese Mehrheit erreichen, wird in einem zweiten Wahlgang die Mehrheit der abgegebenen Stimmen benötigt. Das bedeutet, es müssen mehr Abgeordnete für eine Person gestimmt haben, als gegen diese. Nach unserer Rechtsauffassung sind alle Stimmen, die für andere Personen oder als „Nein“ abgegeben wurden, Stimmen gegen die Person. Enthaltungen zählen hierbei nicht in die Gesamtmenge der Stimmen.
Das handhaben die Bundesländer basierend auf ihrer Verfassung unterschiedlich. Zum Beispiel Thüringen und Bayern schließen die Möglichkeit explizit aus.
In Sachsen gibt es dazu unterschiedliche Rechtsauffassungen, die wiederum direkte Auswahl auf die Wahl haben. Auf Basis der Verfassung des Freistaates Sachsen sowie der Geschäftsordnung des 8. Sächsischen Landtages sehen wir die Möglichkeit der Abgabe von „Nein“-Stimmen als notwendig an. Dadurch wird den Abgeordneten die Möglichkeit gegeben, sich klar gegen die vorhandenen Kandidierenden zu positionieren. Diese Auffassung wird von einem Rechtsgutachten von Dr. Fabian Michl, LL.M. (Edin.) gestützt. Der Juristische Dienst des Landtages sieht das anders: Auf den Stimmzetteln sei die Option für eine „Nein“-Stimme nicht geboten.
Die unterschiedlichen Auffassungen haben konkrete Auswirkungen. Um gewählt zu werden, muss eine Person die Mehrheit der abgegebenen Stimmen erlangen. Das bedeutet, dass sie mehr Stimmen auf sich vereint als alle anderen in ihrer Gesamtheit. Enthaltungen werden dabei nicht gezählt. Ohne die Möglichkeit von „Nein“-Stimmen, wären Abgeordnete gezwungen, sich zu enthalten und damit würde ihre Stimme nicht gezählt.
Aktuell liegen Ankündigungen von Michael Kretschmer (CDU), Jörg Urban (AfD) und Matthias Berger (FW) als Kandidaten für das Amt des Ministerpräsidenten vor. Wir BÜNDNISGRÜNE werden für keinen dieser Kandidaten mit Ja stimmen. Eine Zusammenarbeit mit der rechtsextremen AfD schließt sich für uns aus. Im Fall von Matthias Berger sehen wir sein vorgestelltes Konzept als nicht tragfähig an.
Michael Kretschmer hat um Stimmen für sich als Kandidat der Mini-GroKo aus CDU und SPD bei uns am vergangenen Freitag (13. Dezember) geworben. Dabei konnte er nicht erklären, warum es so lange brauchte, um mit uns über eine Unterstützung des politischen Experiments „Minderheitskoalition“ zu sprechen. Erst fünf Tage vor der Wahl zum Ministerpräsidenten mit uns zu sprechen und dabei nichts anzubieten, zeugt weder von Ernsthaftigkeit noch von einem ehrlichen Wunsch nach einer Zusammenarbeit. Die versprochene „neue politische Kultur“ wird zum Feigenblatt, bei dem die demokratische Opposition lediglich als Stimmenbeschaffer genutzt wird. Wir sind gesprächsbereit und können uns eine Wahl im Januar vorstellen, um vorher über Mechanismen und Vorstellungen für die Zusammenarbeit zu sprechen. Am 18. Dezember können wir BÜNDNISGRÜNE für Michael Kretschmer keine Stimme abgeben.
Im Gegenteil. Zunächst liegt die aktuelle Situation in der Verantwortung von Michael Kretschmer. Er hat alles auf die Wundertüte BSW in den Sondierungen gesetzt und ist dabei gemeinsam mit der SPD gescheitert.
Wir verstehen die Befürchtungen, die viele vor der Wahl haben. Aber genau um einen „Kemmerich-Moment“ in Sachsen zu vermeiden, werden wir die Möglichkeit für „Nein“-Stimmen auf den Stimmzetteln stark machen. Dadurch steigen die Hürden für die Wahl zum Ministerpräsidenten und gleichzeitig wird seine Legitimation gestärkt. Ein aktuelles Rechtsgutachten bestätigt unsere Haltung.
Es sind also besonders die BÜNDNISGRÜNEN, die genau dieses Szenario im Blick haben und einen Vorschlag ringen, es zu verhindern.
Solange die Person die Stimmenzahl von 61 Stimmen (also die Mehrheit aller im Landtag verfügbaren Stimmen) nicht überschreitet, kommt es zum zweiten Wahlgang. Da LINKE und wir BÜNDNISGRÜNE vorab bereits angekündigt haben, weder den Kandidaten der AfD, noch den Kandidaten der FW zu wählen, bliebe dafür nur eine Möglichkeit: Ein Kandidat müsste nahezu alle Stimmen von AfD (40), FW (1) und BSW (15) auf sich vereinen.
Die BÜNDNISGRÜNEN müssen doch jetzt demokratische Verantwortung wahrnehmen und MP Kretschmer wählen!
Die GRÜNEN übernehmen demokratische Verantwortung, indem wir die einzige Fraktion sind, die einen Vorschlag macht, wie der Kemmerich-Moment verhindert werden kann. Wenn es Nein-Stimmen gibt auf dem Stimmzettel, dann wird so ein Moment deutlich erschwert. Wer ohne demokratische Mehrheit in die MP-Wahl geht, so wie morgen, dessen demokratisches Verantwortungsgefühl darf zumindest angezweifelt werden.