Umweltdumping/Sachsen − GRÜNER Landtagsabgeordneter stellt Strafanzeige wegen illegaler Entsorgung gefährlicher Kraftwerksabfälle
(2016-215) Der Landtagsabgeordnete Dr. Gerd Lippold, energie- und klimapolitischer Sprecher der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Sächsischen Landtag, hat bei der Staatsanwaltschaft Leipzig Strafanzeige wegen illegaler Entsorgung von gefährlichen Kraftwerksabfällen gestellt.
"Bei der Braunkohleverstromung entstehen Millionen Tonnen belasteter Aschen und Rückstände aus Rauchgasreinigungsanlagen. Sie sind zum Teil hochgradig mit Schadstoffen belastet und enthalten u. a. Schwermetalle wie Kupfer, Cadmium, Chrom, Zink, Blei, Nickel, Quecksilber, Thallium, Arsen sowie radioaktive Nuklide wie Uran, Thorium und Kalium-40. Wegen der potenziell gefährlichen Abfalleigenschaften werden solche Kraftwerksreststoffe in den anderen Braunkohle-Bundesländern (Brandenburg, Nordrhein-Westfalen) gemäß Deponieverordnung auf überwachten Deponien entsorgt. Das ist aufwändig, nach den gesetzlichen Vorschriften aber notwendig, um Risiken für Umwelt, Gesundheit und Steuerzahler zu minimieren", so der Abgeordnete.
"In Sachsen löst man das Entsorgungsproblem belasteter Kraftwerksabfälle hingegen mit Verbalakrobatik. So wurde die erforderliche Abfalldeponie ‚Spreyer Höhe‘ (Sprey ist ein Ortsteil der Gemeinde Boxberg, Landkreis Görlitz) als >>Landschaftsbauwerk<< deklariert, um die Kosten für die Einrichtung, die Überwachung und den Betrieb einer regulären Deponie zu umgehen. Das Landschaftsbauwerk, in dem Millionen Tonnen Aschen und andere Reststoffe aus dem Kraftwerk Boxberg angehäuft worden sind und weiterhin werden, stellt nach Erkenntnissen aus einem Rechtsgutachten eine illegale Deponie dar. Auch im Tagebau ‚Vereinigtes Schleenhain‘ südlich von Leipzig werden belastete Abfälle aus dem Kraftwerk Lippendorf einfach kostengünstig ‚eingebaut‘ anstatt sie regulär zu deponieren. Nach dem Braunkohlenplan für den Tagebau ‚Vereinigtes Schleenhain‘ befindet sich jedoch >>… der Aschekörper künftig im Grundwasserkörper sowie teilweise unter dem Wasserspiegelniveau des Pereser Sees<<."
"Seit dem Jahr 1999 wurden in Sachsen bereits mehr als 25 Millionen Tonnen belasteter Abfälle aus Kraftwerken auf diese Weise in Tagebauen und Landschaftsbauwerken beseitigt", kritisiert Lippold. "Diese Abfälle werden als Baustoff genutzt, obwohl sie laut Staatsministerium für Umwelt und Landwirtschaft (SMUL) in Deutschland nicht als Baustoff zugelassen sind." (siehe Kl. Anfrage Drs 6/3965)
In der Antwort auf eine weitere Kleine Anfrage (Drs 6/2685) erklärte die Staatsregierung, dass man diese Abfälle in Sachsen auf der Grundlage bergrechtlicher Zulassungen bei der Wiedernutzbarmachung von Braunkohletagebauen verwerte.
"Die Staatsregierung sieht also im Bundesberggesetz die gesetzliche Grundlage für ihr Vorgehen", wundert sich der Abgeordnete. "Bei den Kraftwerksreststoffen handelt es sich aber nicht um bergbauliche Abfälle (wie etwa Abraum), sondern um bergbaufremde Abfälle aus nach Bundesimmissionsschutzgesetz zugelassenen industriellen Großfeuerungsanlagen. Zur Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen solche bergbaufremden Abfälle in einem Bergwerk abgelagert werden dürfen, trifft das Bundesberggesetz aber ausdrücklich keine Regelung. Vielmehr gilt das Kreislaufwirtschaftsgesetz."
"Die Entsorgungspraxis in Sachsen ist somit rechtswidrig. Sie muss sofort gestoppt werden. Ob es strafrechtliche Konsequenzen gibt und wer sie zu tragen hat, haben Ermittlungsbehörden und Gerichte zu entscheiden. Um diese Klärung in die Wege zu leiten, habe ich Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft erstattet", erklärt Lippold.
"Ich fordere die Staatsregierung auf, die schadstoffbelasteten Kraftwerksreststoffe ab sofort auf genehmigte und überwachte Deponien bringen zu lassen, die eine dauerhafte Abdichtung aufweisen."
Auch in Bezug auf die schon ‚verbauten‘ Millionen Tonnen solcher Abfälle sei rasches Handeln angesagt, um einen ersten Überblick über das Gefährdungspotenzial für Wasser, Boden und die Gesundheit der Bevölkerung zu erhalten, so der Abgeordnete.
"Die Staatsregierung muss jetzt schnellstens durch Beprobung feststellen lassen, welche Schadstoffkonzentrationen in den seit 1999 eingebauten Reststoffen in Schleenhain und in der Lausitz vorhanden sind. Diese nachträgliche Datenerhebung ist notwendig, weil die Schadstoffbelastung der verbauten Reststoffe nicht laufend überwacht wird und sich die Zusammensetzung insbesondere der Rauchgaswäsche-Rückstände im Laufe der Jahre prozessbedingt wesentlich geändert haben kann. Welche Konsequenzen sich ergeben würden, wenn die bisher schon erfolgten Ablagerungen nicht als Deponien genehmigungsfähig wären, lassen sich noch gar nicht absehen."
» Strafanzeige von Dr. Gerd Lippold [PDF]
» Hintergrundpapier ‚Umweltdumping ‒ Illegale Entsorgung von gefährlichen Kraftwerksabfällen‘ mit Hinweis auf Kleine Anfragen zum Thema