Sachsen bundesweit Schlusslicht bei frühkindlicher Bildung
(2016-204) Erneut bescheinigt die Bertelsmann Stiftung dem Freistaat Sachsen in ihrem "Ländermonitor Frühkindliche Bildungssysteme" einen der schlechtesten Personalschlüssel bundesweit. Schlusslicht ist der Freistaat bei der Betreuungsrelation für unter Dreijährige. Bei den Kindern zwischen 3 und 6 Jahren hat nur Mecklenburg-Vorpommern ein noch ungünstigeres Verhältnis zwischen einer Vollzeitkraft und der Anzahl ganztags betreuter Kinder. Die Zahlen haben sich in Sachsen seit 2012 nur geringfügig verbessert.
Gemäß Koalitionsvertrag zwischen CDU und SPD soll sich der Personalschlüssel schrittweise verbessern: Von zuletzt (bis August 2015) 1:13 in der Kita und 1:6 in der Krippe auf 1:12,5 in der Kita zum 01.09.2015 und auf 1:12 zum 01.09.2016, auf 1:5,5 in der Krippe zum 01.09.2017 und auf 1:5 zum 01.09.2018. Die Zahlen der Bertelsmann Stiftung beziehen sich auf den Stichtag 01.03.2015.
Dazu erklärt Petra Zais, bildungspolitische Sprecherin der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Sächsischen Landtag:
"Es geht eine ganze Legislatur ins Land ohne substantielle Verbesserungen der Kita-Betreuungsqualität. Die Staatsregierung agiert spät und zu zögerlich. Mit der im Koalitionsvertrag vereinbarten Tippel-Tappel-Tour wird Sachsen die rote Laterne so schnell jedenfalls nicht los!"
"Wort und Tat stimmen nicht überein. Koalition und Staatsregierung werden nicht müde zu betonen, wie sehr ihnen die frühkindliche Bildung, Betreuung und Erziehung am Herzen liegen. Von dieser hohen Wertschätzung bleibt in der Praxis – und bei der Finanzierung – wenig übrig."
"Das zögerliche Agieren beim Personalschlüssel geht zu Lasten der Qualität. Das Ländermonitoring bringt es auf den Punkt: Sachsen ist von den Empfehlungen für pädagogisch sinnvolle Betreuungsverhältnisse weit entfernt. Lange hat sich Sachsen auf einer hohen Betreuungsquote und dem guten Qualifikationsniveau des Personal ausgeruht. Beim Ausbaustand für die unter Dreijährigen wird Sachsen inzwischen von anderen ostdeutschen Ländern überholt (Schnitt Ostdeutschland: 47 Prozent, Sachsen: 44 Prozent) – und diese Länder, etwa Sachsen-Anhalt, verbessern ihre Personalschlüssel dennoch spürbar."
"Die schlechten Personalschlüssel gehen aber auch zu Lasten der Gesundheit des Personals. Mit den vorhandenen gut ausgebildeten Erzieherinnen und Erziehern wird auf Verschleiß gefahren. Der von der schwarz-roten Koalition geplante Einsatz von Assistenzkräften ab 2017 wird daran nichts ändern. Zum einen führt diese Regelung die hohen Anforderungen an die Qualifikation der Erzieherinnen und Erzieher, die sich aus dem sächsischen Bildungsplan ergeben, ad absurdum. Zum anderen werden die Assistenzkräfte kaum für Entlastung in den Einrichtungen sorgen, weil sie nur unter Anleitung und Begleitung tätig werden können. Eine Verpflichtung zur weiteren Qualifizierung ist bisher nicht vorgesehen."
"Wir GRÜNE fordern perspektivisch einen Personalschlüssel von 1:4 in der Krippe und 1:10 in der Kita. Auch die Hort-Gruppen müssen deutlich kleiner werden. Ein erster Schritt auf 1:5 in der Krippe und 1:12 in der Kita wäre mit rund 100 Millionen Euro finanzierbar. Wir fordern außerdem die Berücksichtigung von Vor- und Nachbereitungszeiten, von Krankheit, Weiterbildung oder Urlaub, denn in der Praxis ist der Personalschlüssel noch einmal weit ungünstiger als der rechnerische. In den beginnenden Haushaltsverhandlungen werden wir außerdem darauf achten, dass der Freistaat tatsächlich die Kosten für die Schlüsselverbesserung trägt und die Last nicht auf Kommunen und Eltern abwälzt."