PM 2012-253: Erfinderland Sachsen – Will uns das Wirtschaftsministerium mit geschönten Statistiken veralbern?
Auf die Erklärung von Wirtschafts-Staatssekretär Hartmut Fiedler (FDP) zur Innovationsfähigkeit sächsischer Unternehmen antwortet Michael Weichert, wirtschaftspolitischer Sprecher der GRÜNEN-Landtagsfraktion:
"Die Staatsregierung nutzt das Sommerloch offensichtlich, um alte Pressemitteilungen zu recyceln. Sachsens Unternehmen seien überdurchschnittlich innovativ – das erzählte uns Wirtschaftsminister Sven Morlok (FDP) schon am 2. September 2011. Der Inhalt wird allerdings trotz Wiederholung nicht richtiger."
"Die zitierte Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) weist meines Erachtens Mängel auf. Die Ergebnisse werden verzerrt, da überwiegend Kleinbetriebe für den Bundesvergleich herangezogen wurden, nicht aber Großbetriebe, die als die wirklichen Innovationstreiber gelten. Von denen hat Sachsen leider kaum welche."
"Die Staatsregierung bleibt außerdem die Erklärung schuldig, was sie unter Innovationen versteht. Ist schon die Veränderung der Farbe eines Produkts eine Innovation? Dann lügen wir uns in die eigene Tasche. Dass im Wirtschaftsministerium gemogelt wird, beweist ein Blick auf die Zahl der forschenden Unternehmen in Sachsen. Laut Ministerium sind 75 Prozent der Betriebe mit weniger als 20 Mitarbeitern innovativ. Nach Angaben der Euronorm GmbH forschen und entwickeln hingegen nur 700 der insgesamt 150.000 Unternehmen im Freistaat kontinuierlich an neuen Produkten und Verfahren. Das ist nach wie vor unbefriedigend."
Im Sächsischen Technologiebericht, der allerdings aus dem Wissenschaftsministerium stammt, heißt es: "Trotz einer Zunahme des Innovatorenanteils in der sächsischen Wirtschaft von 2001 bis 2007 verschlechterte sich die Position Sachsens bei diesem Indikator im bundesdeutschen Vergleich." Und in einer aktuellen Pressemitteilung erklärt Michael Kretschmer, Generalsekretärs der sächsischen CDU: "Wir haben zwar viele exzellente, staatlich finanzierte Forschungseinrichtungen, aber es fehlt an forschungsintensiver Industrie und Großbetrieben."
"Um die Lage der sächsischen Wirtschaft zu verbessern, sollte sich die Staatsregierung zunächst darüber einigen, wie sie die Ausgangssituation bewertet. Erst danach kann sie geeignete Maßnahmen zur Steigerung der Innovationsfähigkeit sächsischer Unternehmen entwickeln", erklärt Michael Weichert.
Hintergrund:
Im Freistaat Sachsen gibt es derzeit rund 150.000 Unternehmen. 99,9 Prozent davon gehören zum Mittelstand. 95,3 Prozent der Betriebe zählen zu den Kleinstunternehmen mit weniger als 10 Mitarbeitern und weniger als zwei Millionen Euro Umsatz im Jahr.
Nur ca. 700 sächsische Unternehmen forschen und innovieren permanent, ca. 250 Unternehmen forschen sporadisch. (Quelle Euronorm GmbH)
Die im Vergleich zum Bundesdurchschnitt deutlich kleinteiligere Unternehmensstruktur in Sachsen hat weitreichende Folgen für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit. Es besteht ein klarer Zusammenhang zwischen dieser Kleinteiligkeit und dem Produktivitätsrückstand sächsischer Unternehmen gegenüber denen in den alten Bundesländern. Darüber hinaus schränkt der Mangel an Unternehmenszentralen sowie Forschungs- und Entwicklungsabteilungen die Entwicklungsbedingungen weiter ein. Die Unternehmenszentralen übernehmen strategische Aufgaben, koordinieren und organisieren meist auch die FuE-Abteilung, weshalb Forschungsprojekte oft in den Unternehmenszentralen verankert sind und damit außerhalb des Freistaates.
» Pressemitteilung SMWA: "Wirtschaftsminister stellt IAB Report ‚Innovationen im Freistaat Sachsen‘ vor/Morlok: Innovationen sind das A und O für Wachstum und wirtschaftliche Stabilität" (02.09.2011)