PM 2008-204: Anhörung – Chancen für Resozialisierung von jugendlichen Straftätern in Sachsen ungleich verteilt
Staatsregierung stiehlt sich bei Bekämpfung Jugendkriminalität aus der Verantwortung
Zur heutigen Anhörung zum grünen Antrag „Die Qualität ambulanter Maßnahmen nach dem Jugendgerichtsgesetz“ im Sozialausschuss erklärt Elke Herrmann, sozialpolitische Sprecherin der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:
„Die Anhörung hat gezeigt, dass ambulante Maßnahmen anstelle eines Gefängnisaufenthalts für Jugendliche außerordentlich wichtig sind, damit Kriminalitätskarrieren gar nicht erst entstehen. Zentrales Problem ist jedoch, dass Qualität und Quantität der Maßnahmen von der Haushaltslage der Kommunen abhängen.“
Derzeit müssen die ambulanten Maßnahmen, wie Täter-Opfer-Ausgleich, gemeinnützige Arbeit, sozialer Trainingskurse oder Betreuungsweisungen über die Jugendpauschale finanziert werden.
„Die Staatsregierung darf sich nicht länger hinter der Jugendpauschale verstecken und damit den Kommunen den Schwarzen Peter zuschieben. Wenn es ihr wirklich ernst ist mit der Bekämpfung der Jugendkriminalität, muss sie dafür sorgen, dass die Landesmittel über die Jugendpauschale zweckgebunden verteilt werden, also ein bestimmter Prozentsatz der Jugendpauschale in die ambulanten Maßnahmen gehen muss und an Mindeststandards gebunden wird.“
„Hinzu kommt, dass sechs Jahre nach Verabschiedung der ‚Orientierungshilfe zur Umsetzung der Ambulanten Maßnahmen‘ durch das Landesjugendamt, die fachlichen Mindeststandards hinsichtlich der Fallzahlen, der inhaltlichen Ausgestaltung und der Qualifikation der Mitarbeiter vielerorts nicht umgesetzt wurden. Die Aussage des Sozialministeriums, auf eine Überprüfung der Umsetzung verzichten zu wollen, ist verantwortungslos. Man kann nicht bei jeder Gelegenheit lautstark eine Verschärfung des Jugendstrafrechts fordern, aber gleichzeitig nichts dafür tun wollen, dass Jugendliche nicht wieder vor Gericht landen.“
„Die Kosten, wenn Jugendliche wiederholt straffällig werden, liegen viel höher als eine solide Finanzierung der ambulanten Maßnahmen. Ich fordere daher die Staatsregierung auf, dafür zu sorgen, dass ambulante Maßnahmen flächendeckend vorgehalten werden.“
Die Anhörung hat ergeben, dass die Qualität und Quantität der ambulanten Maßnahmen nur in Dresden wirklich gut ist. Die Stadt finanziert diese mit acht Millionen Euro jährlich, nur 1,5 Millionen Euro kommen vom Land. Dass die meisten Kommunen dies nicht leisten können, liegt auf der Hand.
Hintergrund: Antrag „Die Qualität ambulanter Maßnahmen nach dem Jugendgerichtsgesetz“ (Drs. 4/10659)
Die Große Anfrage der Fraktion GRÜNE hatte ergeben, dass die ambulanten Maßnahmen regional unterschiedlich vorgehalten werden. So wird im Landkreis Döbeln (siehe Anlage 7 III. 2.1.4.6.)überhaupt kein Täter-Opfer-Ausgleich und in der Stadt Leipzig nur sehr wenige Plätze angeboten (siehe Anlage 7. III 2.1.4.1.).
Hintergrundpapier Große Anfrage „Jugendkriminalität, Jugendstrafverfahren und Jugendstrafvollzug in Sachsen“ (Drs. 4/7383)
Der grüne Antrag, das Dresdner „Interventions- und Präventionsprojekt für straffällig gewordenen Kinder, Jugendliche und Heranwachsende“ sachsenweit auszubauen und somit durch frühzeitige Reaktion auf straffälliges Verhalten zu reagieren und „Intensivtäterkarrieren“ präventiv zu verhindern, wurde im Januar von der Koalition abgelehnt.
Antrag „Prävention und schnelle Intervention bei Kriminalität von Kindern, Jugendlichen und Heranwachsenden statt Strafverschärfung“ (Drs. 4/10890)