8. Mai – Lippmann: Einführung des Gedenktages erinnert daran, was wir heute zu schützen haben
Redebeitrag des Abgeordneten Valentin Lippmann (BÜNDNISGRÜNE) zum Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE: „Gesetz zur Einführung eines Gedenktages zum Tag der Befreiung vom Nationalsozialismus und Krieg am 8. Mai 1945“ Drs 8/652
10. Sitzung des 8. Sächsischen Landtags, Mittwoch, 25.03.2025, TOP 7
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrter Herr Präsident,
werte Kolleginnen und Kollegen,
in wenigen Wochen jährt sich zum achtzigsten Mal die bedingungslose Kapitulation des sogenannten Dritten Reiches – der Tag markiert das Ende des Krieges in Europa und die Befreiung Deutschlands von der Terrorherrschaft der Nationalsozialisten.
Die Erinnerung daran war seit jeher ein Ringen um Interpretation und Deutung dieses historischen Ereignisses. Lange prägte in der bundesdeutschen Erinnerung vor allem eine Lesart des 8. Mai die Erinnerungskultur, die jenen Tag vor allem als Mahnmal für eine militärische Niederlage statuierte. Erst in den 70er Jahren und schlussendlich vor allem durch die berühmte Rede des ehemaligen Bundespräsidenten Richard von Weizäcker anlässlich des 40. Jahrestages wandelte sich die Bedeutung dieses Tages, den wir heute ganz selbstverständlich als Tag der Befreiung verstehen.
Nunmehr soll dieser historische Tag in Sachsen Gedenktag werden. Ein Ansinnen, das wir BÜNDNISGRÜNE voll und ganz unterstützen. Die Erinnerung an den 8. Mai 1945 trägt gerade heute, gerade jetzt, eine zweifache Bedeutung in sich, derer wir uns mit diesem Gedenken gewahr werden sollten.
Zum einen mahnt uns der Tag, welche Schrecken und Verbrechen die Deutschen über Europa und die Welt brachten. Das nationalsozialistische Terrorregime, das weit über sechs Millionen Jüdinnen und Juden, Andersdenkende, Sinti und Roma, Homosexuelle oder sogenannte Asoziale in Konzentrationslagern ermordet hat und mit dem von ihm begonnenen Angriffskrieg ganz Europa überzogen hat, fand erst in der Kapitulation sein Ende.
Für viele Menschen in Deutschland und in Europa bedeutet der Tag des Kriegsendes vor allem die Befreiung, für die überlebenden Juden und Gegner des Nationalsozialismus bedeutet der Tag das Ende der tödlichen Verfolgung.
Man kann somit an den 8. Mai nicht erinnern, ohne zugleich den 30. Januar 1933 und den 09 November 1938 zu bedenken.
Der 8. Mai zeigt uns, welche Folgen Hass und menschenverachtende Ideologien haben. An dieser Stelle zitiere ich eine eher seltener dar getragene Stelle der berühmten Rede Richard von Weizäckers: „Wer sich der Unmenschlichkeit nicht erinnern will, der wird wieder anfällig für neue Ansteckungsgefahren.“ – Dieser Satz steht für sich, wenn es darum geht, der Ursachen und Wirkung von Unmenschlichkeit am 8. Mai zu erinnern.
Zum anderen mahnt der Tag aber auch mit Blick auf die aktuelle geopolitische Lage, zu erkennen, dass Frieden, als Abwesenheit von Krieg, keineswegs Freiheit und Menschlichkeit bedeutet und dass Solidarität mit den Opfern von Angriffskriegen etwas ist, was unverzichtbar ist und Langmut braucht.
So erinnert der 8. Mai in seiner Gestalt als Tag der Befreiung auch daran, dass Hitler und Nazi-Deutschland diesen Krieg auch erst beginnen konnten, weil man sie in einer falschen Appeasement-Politik gewähren ließ.
Und er erinnert daran, dass es auch das Durchhalten der Solidarität mit den Angegriffenen war, die diesen Tag der Befreiung ermöglicht hat. Es ist wohl kaum davon auszugehen, dass, wenn die Briten nach der Niederlage in Dünkirchen Frieden geschlossen hätten oder die Amerikaner frühzeitig die Unterstützung der Alliierten in Europa eingestellt hätten, wir dieses Jahr den 80. Jahrestags der Befreiung in Frieden und Freiheit feiern würden. Das sollten sich vielleicht einige in diesem Rund beim üblichen Kapitulationsgefasel in Richtung Ukraine mal vergegenwärtigen, denn auch daran erinnert der 8. Mai.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
der Tag der Befreiung war ein Versprechen für eine bessere, friedlichere und freie Zukunft – auch wenn das am 8. Mai 1945 vermutlich noch nicht viele Menschen gedacht haben.
Und mit der Einführung des Grundgesetzes am 23. Mai 1949 beziehungsweise der Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 wurde dieses Versprechen für alle Menschen in Deutschland eingelöst.
Es ist unsere Aufgabe, dieses Versprechen zu bewahren und mit Leben zu füllen. Unsere friedliche und freiheitliche Ordnung ist erneut in Gefahr. Das wird uns nur allzu deutlich vor Augen geführt, wenn wir das Erstarken rechtsextremer und autoritärer beobachten. Die Rückkehr nationalistischer Bestrebungen, die ständige Verschiebung des Sagbaren und die Umdeutung der Geschichte sind jener Morast, auf dem die Feinde der freiheitlichen Grundordnung wachsen.
Umso wichtiger ist es, diesem auch dann entgegenzutreten, wenn die Zeitzeugen sterben und ihre Mahnungen damit verstummen.
Die Einführung dieses Gedenktages für den 8. Mai ist meiner tiefen Überzeugung nach nicht der letzte Schritt in einer demokratischen Erinnerungskultur, aber ein richtiger. Er steht auch dafür, daran zu erinnern, was wir heute haben und zu schützen haben: Ein freies, offenes Deutschland, ein überwiegend friedliches Europa, eine gemeinsame Zukunft, die innerhalb der Europäischen Union nicht von Feindschaft, sondern von Freundschaft geprägt ist.
Vielen Dank!