Datum: 13. Februar 2025

Angriffe auf Kunst und Kultur – Maicher: Es braucht öffentlichen Widerspruch und eine breite Solidarisierung

Redebeitrag der Abgeordneten Dr. Claudia Maicher (BÜNDNISGRÜNE) zum Antrag der Fraktion BÜNDNISGRÜNE: „Kunstfreiheit verteidigen – kulturelle Vielfalt erhalten“

8. Sitzung des 8. Sächsischen Landtags, Donnerstag, 13.02.2025, TOP 6

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

die Kultur in Sachsen steht zurzeit vor zwei grundsätzlichen Problemen. Neben der zermürbenden finanziellen Unsicherheit ist inzwischen eine Bedrohungslage nicht mehr zu übersehen, die ebenfalls ins Mark geht. Gerade weil Kunst und Kultur ein Eckpfeiler demokratischer Gesellschaften sind, werden sie zur Zielscheibe rechtsextremer und demokratiefeindlicher Kräfte.

Wer zu völkisch-nationalen Weltbildern nicht schweigt, bekommt früher oder später Ärger. Das hat inzwischen System und geht über Einzelfälle weit hinaus. Die Berichte aus allen Teilen des Freistaates häufen sich. Die Staatsregierung hat im November auf meine Kleine Anfrage über Vorfälle bei den staatlichen Kulturbetrieben berichtet. Aber auch für kommunale und freie Kultureinrichtungen sind Bedrohungen Normalität.

Ich zähle hier im Landtag bewusst keine Einzelbeispiele auf. Wichtig ist, das Muster des rechtsextremen Kulturkampfs zu erkennen. Einschüchterungen und Störungen durch einzelne Aktivisten oder rechte Kleinparteien in Kombination mit Versuchen politischer Einflussnahmen auf Programme und künstlerische Positionen. Die Anfragen und Kürzungsanträge von AfD und anderen im Landtag, in Kreistagen und Stadträten gehen immer gleich vor: Wer Rechtsextremismus kritisiert, dem werden die Mittel entzogen. Die können das noch so pseudo-sachlich verpacken und ein totales Neutralitätsgebot erfinden. Es bleiben Angriffe auf das Grundrecht der Kunstfreiheit!

Und diese zeigen Wirkung. Manche Kulturschaffende legen sich ein dickes Fell zu. Aber die Unsicherheit, ob der Entzug der Förderung nicht doch eine Mehrheit im Stadtrat findet, das permanente Klima der Angst, das bringt Haupt- und Ehrenamtliche an die Belastungsgrenze. Finden Sie mal eine Aufsicht für eine Kunstausstellung, wenn jederzeit der nächste Schreihals in der Tür stehen kann. Die Leute brennen über kurz oder lang aus. Erst recht, wenn sie vom Freistaat und ihrer Kommune dazu nur ein Schulterzucken bekommen würden.

Betroffen sind vordergründig Kulturangebote, die sich aktiv gegen Rassismus und für Demokratie einsetzen. Aber es geht genauso gegen Kulturanbieter, die sich gar nicht so politisch verstehen, die einfach nur an Menschenwürde und Weltoffenheit festhalten. Man stelle sich vor, dass sie dazu nicht von irgendwem gezwungen werden!

Wenn ein Stadttheater queere Themen inszeniert, weil es beteiligungsorientiert die Interessen junger Menschen aufgreift, dann bekommt es Ärger. Wenn Jugendclubs sorbische Sprache und Kultur pflegen, dann werden sie angefeindet. Auch Gedenkstätten als Orte historisch-politischer Bildung sind wegen ihres Widerspruchs gegen Revisionismus nicht sicher.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
eine Einschränkung der Kunstfreiheit ist ein Angriff auf die offene Gesellschaft. Wenn vielfältige Kultur und damit Begegnungsräume auch für Menschen mit Migrationsgeschichte und demokratisch engagierte Menschen verloren gehen, dann wird Sachsen zur unattraktiven Zone. Wer kommt denn dann noch zum Arbeiten und Leben hier her?

Wir BÜNDNISGRÜNE haben uns gefragt, was wir tun können. Von den vielen Ideen, die ich von Akteuren vor Ort bekommen habe, ist mir eine Erkenntnis besonders im Gedächtnis geblieben: Der beste Schutz ist Öffentlichkeit. Es braucht öffentlichen Widerspruch und eine breite Solidarisierung, damit Betroffene nicht allein dastehen sondern Resilienz aufbauen können.

In diesem Sinne wollen wir mit diesem Antrag die kulturpolitische Verantwortung des Freistaates zur Debatte stellen. Wir sind überzeugt, dass der Freistaat mehr tun muss und auch kann. Ich appelliere an alle demokratischen Fraktionen, dass wir gemeinsam klare Signale gegen die Feinde demokratischer Kultur setzen und ins Handeln kommen.

Mein Eindruck ist: Kultur ist nicht hilflos, sie kann sich wehren, braucht dafür aber entsprechende Rahmenbedingungen. Wir haben mit Initiativen und Einrichtungen gesammelt, in welche Richtung Maßnahmen gehen sollten. Das Ergebnis finden Sie im Punkt II. Es sollte mit der Kulturszene weiter vertieft werden.

Ein wichtiger Schritt ist Transparenz und öffentliche Solidarisierung. Mit einer systematischen Erfassung können wir genauer hinschauen und Handlungsmöglichkeiten weiterentwickeln. Eine Kommunikationskampagne spannt einen symbolischen wie praktischen Schutzschirm über unsere Kultur, indem sie dazu ermuntert, sich zu wehren und Unterstützung zu holen.

Ja, Unterstützungsangebote gibt es bereits. Beispielsweise eine Weiterbildung für staatlich finanzierte Kultureinrichtungen und Beratungsangebote der Demokratiearbeit. Aber der Bedarf wächst leider. Damit Kultur in der Fläche resilient werden kann, braucht es mehr verfügbare und auf die Besonderheiten der kulturellen Praxis abgestimmte Unterstützung. Die Orte und Netzwerke der Demokratiearbeit gilt es zu stärken, nicht zurück zu bauen, wie im Landkreis Bautzen beim Projekt „Partnerschaften für Demokratie“.

Die Kommunen als wesentliche Förderer und Träger von Kultur sollen ebenfalls einbezogen werden. Unterstützungsbedarf wurde uns da vor allem bei rechtlichen Handlungsgrundlagen signalisiert.

Es braucht akut bei Bedrohungen, aber auch präventiv mehr Sicherheit. Bei der sicherheitsbehördlichen Präventionsarbeit und durch das Gesamtkonzept gegen Rechtsextremismus fangen wir nicht bei null an. Die Zusammenarbeit mit und der Schutz von Kultur sollte aber ausgebaut werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von den demokratischen Fraktionen,
das sind unsere Vorschläge. Ich bitte Sie um Unterstützung und freue mich auf die Debatte.