Unterbringung Geflüchteter – Schubert: Debatten müssen faktenbasiert und verantwortungsvoll geführt werden
Redebeitrag der Abgeordneten Franziska Schubert (BÜNDNISGRÜNE) zu Beschlussempfehlung und Bericht des Hauptausschusses zu „Nachträgliche Genehmigungen gemäß Artikel 96 Satz 3 der Verfassung des Freistaates Sachsen zu über- und außerplanmäßigen Ausgaben und Verpflichtungen“ (Drs 8/397)
3. Sitzung des 8. Sächsischen Landtags, Dienstag, 19.11.2024, TOP 7
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Damen und Herren,
die heutige Debatte der AfD im Landtag über die Kosten für Geflüchtete scheint auf den ersten Blick nur ein weiteres Mittel zu sein, um emotionalisierte, social-media-taugliche Schnipsel zu produzieren. Man könnte auf einfache Weise reagieren: Mit der Feststellung, dass die AfD Geflüchtete ablehnt, rechtliche Verpflichtungen infrage stellt und das Asylrecht an sich nicht akzeptiert. Aber ich möchte das Thema gründlicher und mit der nötigen Ernsthaftigkeit behandeln, denn unser Rechtsstaat und die betroffenen Menschen verdienen eine sachliche Auseinandersetzung.
Beginnen wir mit den rechtlichen Rahmenbedingungen und den Verpflichtungen, die unser Land übernommen hat:
Deutschland hat sich im Grundgesetz klar dazu bekannt, Menschen in Not Schutz zu gewähren. Artikel 16a des Grundgesetzes garantiert das Recht auf Asyl. Dieses Bekenntnis zu humanitärem Schutz ist nicht verhandelbar. Es ist Ausdruck unserer Werte als demokratischer Rechtsstaat und unserer Verantwortung in der internationalen Gemeinschaft.
Um diesem Schutzversprechen gerecht zu werden, gibt es ein klar geregeltes System: Der Bund, die Länder und die Kommunen tragen dabei gemeinsam Verantwortung. Die Asylverfahren, einschließlich der Prüfung von Anträgen, fallen in den Zuständigkeitsbereich des Bundes, der dafür entsprechend Personal und Ressourcen bereitstellt. Die Bundesländer übernehmen die Erstunterbringung und sorgen für die Grundversorgung der Geflüchteten. Der sogenannte „Königsteiner Schlüssel“ legt fest, wie viele Menschen jedes Bundesland aufnimmt.
In Sachsen ist die Unterbringung der Geflüchteten, die nicht mehr in Erstaufnahmeeinrichtungen wohnen, den Kommunen übertragen worden. Die damit verbundenen Kosten werden den Kommunen durch den Freistaat mit einer Pauschale erstattet. Der Bund wiederum stellt den Ländern und Gemeinden finanzielle Unterstützung zur Verfügung – derzeit 670 Euro pro Person und Monat. Diese Mittel decken jedoch oft nicht die tatsächlichen Kosten, da die Zahl der ankommenden Geflüchteten und die Bearbeitungszeiten der Asylanträge höher ausfallen als ursprünglich kalkuliert.
Wir erkennen durchaus die Herausforderungen für die Kommunen an:
Die Unterbringung und Versorgung von Geflüchteten stellt Städte und Landkreise vor immense organisatorische und finanzielle Belastungen. Die Erstattungspauschalen sind vielfach nicht ausreichend, um die gestiegenen Kosten durch Inflation und Preissteigerungen zu decken. Dies ist eine Herausforderung, der wir uns auf allen politischen Ebenen stellen müssen. Es ist daher wichtig, dass das Innenministerium die Erstattungsverordnung regelmäßig überprüft und an die aktuellen Bedingungen anpasst.
Wir wissen um die Schwierigkeiten, denen sich die kommunalen Haushalte gegenübersehen. Und es ist richtig, dass hier Verbesserungen nötig sind. Es ist jedoch falsch, das Recht auf Asyl und die Schutzbedürftigkeit von Menschen infrage zu stellen oder populistische Forderungen zu erheben, die die Grundlagen unserer Verfassung angreifen.
Grundsätzliche Anmerkung zum Recht auf Asyl:
Das Asylrecht ist eine Errungenschaft, die wir schützen müssen. Menschen, die vor Krieg, Verfolgung, Klimawandelfolgen und existenzieller Not fliehen, verdienen unseren Schutz. Die Kosten, die damit verbunden sind, eine gesetzliche und moralische Verpflichtung. Unsere Humanität und Rechtsstaatlichkeit zeigen sich gerade darin, dass wir Menschen in Not nicht im Stich lassen.
Abschließend sei gesagt: Es ist legitim, über die Kosten und die Effizienz der Systeme zu sprechen. Aber diese Debatten müssen faktenbasiert und verantwortungsvoll geführt werden – nicht mit dem Ziel, Ängste zu schüren oder rechtliche Grundpfeiler zu demontieren. Ich lade daher abschließend den Innenminister ein, die Schwierigkeiten einer zeitnahen Anpassung der Erstattungsverordnung zu erläutern, denn Transparenz und konstruktive Lösungen sind der Weg, wie wir gemeinsam vorankommen können.