Altersarmut – Čagalj Sejdi: Unser Vorschlag ist eine Bürger*innenversicherung

Redebeitrag der Abgeordneten Petra Čagalj Sejdi (BÜNDNISGRÜNE) zum Antrag der Fraktion AfD: „Altersarmut abwenden – gesetzliche Rente stärken“ (Drs 7/16458)

90. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Donnerstag 13.06.2024, TOP 4

– Es gilt das gesprochene Wort –

 

Sehr geehrter Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

leider hat die AfD in der gesamten Legislatur anscheinend immer noch nicht verstanden, welche Themen auf Landes- und welche auf Bundesebene behandelt werden: Immer wieder kommen Sie uns hier mit bundespolitischen Themen, einfach nur, weil es sich schön verkaufen lässt.

Altersarmut ist ein wichtiges und schwieriges Thema in der heutigen Gesellschaft und es ist viel zu wichtig, um hier von ihnen populistisch herabgewürdigt zu werden. Viele Menschen haben eine viel zu geringe Rente und in Zukunft wird die Finanzierung der Renten immer schwieriger.

In ihrem Antrag stellt die AfD fest, dass die umlagefinanzierte Rentenversicherung im Zentrum unserer sozialen Absicherung steht. Das ist nichts Neues. Ebenso wissen wir alle, dass die demografischen Veränderungen die gesetzliche Rentenversicherung vor eine Herausforderung stellen: Eine immer älter werdenden Bevölkerung und eine sinkende Zahl von Beitragszahler*innen.

Und wenn die AfD das alles so feststellt, dann wundere ich mich doch sehr, dass die Damen und Herrn der AfD sich gegen die Zuwanderung von Fach- und Arbeitskräften positionieren, dass Sie geflüchtete Menschen lieber abschieben als in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Es wundert mich, dass sie flexiblere Arbeitsmarktmodelle nicht unterstützen wollen und dass sie Teilzeitmodelle ablehnen, die es Eltern ermöglichen, neben der Carearbeit auch zu Arbeiten – all das würde nämlich zu mehr Einzahler*innen führen.

Wir BÜNDNISGRÜNE sind da ganz deutlich: Wir müssen alle Möglichkeiten nutzen, den Menschen, die zurzeit nicht arbeiten können, die Möglichkeit geben zu arbeiten:

Dazu gehören:

  • flexiblere Arbeitszeitmodelle für Familien, um die Teilhabe von Eltern besonders Frauen an der Arbeitswelt zu steigern: Mütter und Väter müssen die Möglichkeiten haben, nach der Familienphase wieder in Vollzeit in ihre Karriere einzusteigen und dabei neben einer besseren und flexibleren Kinderbetreuung, Möglichkeiten wie Homeoffice, Gleitzeit und Arbeitszeitkonten, flexible Stundenzahl und freie Gestaltung der Arbeitszeit bekommen.
  • Eine bessere und umfassend gewollte Integration in den Arbeitsmarkt von zu- und eingewanderten Menschen. Menschen, die bei uns leben, brauchen eine Beschäftigungserlaubnis, alle Hürden hierzu müssen abgebaut werden. Ausländerbehörden müssen dahingehend beraten und Hand in Hand mit der Agentur für Arbeit und den Jobcentern arbeiten. Im Ausland erworbene Abschlüsse müssen schneller und sicherer anerkannt werden, um Arbeit entsprechend der Qualifikationen zu ermöglichen; Sprachkenntnisse und weitere Weiterbildungen müssen neben der Berufstätigkeit erworben werden können, damit Menschen möglichst früh berufstätig werden können.
  • Arbeitsmarktmigration muss gestärkt werden und zwar nicht in den Billiglohnsektor zur Fleischverarbeitung und Saisonarbeit, sondern in solide und sichere Beschäftigungen. Die Einstellung von Fach- und Arbeitskräften muss niedrigschwellig und bürokratiearm funktionieren. Beratung und Begleitung in der ersten Zeit muss gesichert sein.
  • Bessere Integration von Menschen mit Behinderung in den ersten Arbeitsmarkt. Menschen dürfen nicht bis zum Ende ihrer Arbeitszeit in Werkstätten für behinderte Menschen feststecken. Die Integration in den ersten Arbeitsmarkt muss endlich wirklich vorangetrieben werden. Außenarbeitsplätze müssen zu regulären Arbeitsplätzen werden, Unternehmen dürfen sich nicht mehr dauerhaft durch Ausgleichszahlungen ihrer Verantwortung entziehen.

All das sind Ansätze, die wir BÜNDNISGRÜNE auf den politischen Ebenen vorantreiben. Von Ihnen – der AfD – höre und lese ich dazu nichts. Sie können nur problematisieren, praktikable Lösungen liefern sie nicht. Die AfD möchten stattdessen höhere Renten, aber bitte nichts ändern, keine anderen Arbeitszeiten, keine Zuwanderung und Frauen am besten nur zu Hause am Herd – so gelingt ihr Vorhaben aber leider nicht.

Wir hatten es hier an anderer Stelle bereits: Unser Vorschlag ist eine Bürger*innenversicherung. Schritt für Schritt soll jede und jeder in die gesetzliche Rentenversicherung einbezogen werden, solidarisch und bemessen am jeweiligen Einkommen.

Auf Bundesebene soll in dieser Legislaturperiode noch für neue Selbstständige eine Altersvorsorgepflicht eingeführt werden, aus unserer Sicht möglichst mit Einbezug in die gesetzliche Rentenversicherung. Die Corona-Pandemie hat gezeigt, dass viele Selbstständige bisher unzureichend sozial abgesichert sind.

Wenn Sie, wie es im Antrag heißt, von den Rentenbeiträgen nichts mehr auf die Grundsicherung anrechnen; wenn Sie nichts an den Arbeitszeitmodellen ändern wollen, keine Steuererhöhung möchten und am besten auch keine Zuwanderung, dann bleibt fraglich, woher Sie das Geld nehmen wollen. Vom Himmel fällt es nämlich nicht. Ausgewogene Lösungen sehen anders aus. Sie schreiben, dass Abgeordneten künftig einzahlen sollen und erwähnen nicht, dass das schon längst möglich ist und von vielen auch praktiziert wird.

Wenn Sie unsere Renten sichern wollen, lesen Sie sich meine Vorschläge gerne noch einmal durch und überlegen Sie auch mal, wie kostspielig Sie hier im Parlament sind. Allein das ständige Einberufen von Sondersitzungen kostet den Freistaat viel Geld, was wesentlich sinnvoller und sozialer eingesetzt werden könnte.

Es bleibt dabei: Die AfD ist auch sozial der unehrliche Wolf im Schafspelz.