Aktuelle Debatte Sozialstaat – Schubert: Die sozialen Kosten von Kürzungen sind enorm
Redebeitrag der Abgeordneten Franziska Schubert (BÜNDNISGRÜNE) zur Ersten Aktuellen Debatte der Fraktion DIE LINKE: „Keine Haushaltskürzungen im sozialen Bereich: Sozialstaat und gesellschaftlichen Zusammenhalt sichern und weiter stärken!“
90. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Donnerstag 13.06.2024, TOP 2
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Damen und Herren,
wir sprechen heute über ein Thema, das für uns alle von großer Bedeutung ist: den Schutz und die Stärkung unseres Sozialstaats und gesellschaftlichen Engagements. In einer Zeit, in der Haushaltskürzungen in Sachsen diskutiert werden, ist es entscheidend, dass wir uns klar und unmissverständlich gegen Einschnitte im sozialen und gesellschaftlichen Bereich einsetzen.
Kürzungen im sozialen Bereich können keine Option sein, insbesondere nicht in Zeiten wie diesen, wo der Zusammenhalt und die Gemeinschaft so wichtig sind. Stattdessen müssen wir diese sichern und weiter stärken.
Oft wird argumentiert, dass Sparmaßnahmen notwendig seien, um die Staatsfinanzen zu konsolidieren und die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. Doch diese Argumente greifen zu kurz. Die sozialen Kosten von Kürzungen sind enorm und wirken sich langfristig negativ auf die gesamte Gesellschaft aus. Ein Beispiel ist die massive Kürzung der Jugendpauschale und der Sozialarbeit im sächsischen Haushalt der 2010er Jahre, deren Auswirkungen wir noch Jahrzehnte spüren werden. Es ist eine Illusion, zu glauben, dass wir durch Einsparungen im sozialen Bereich tatsächlich sparen. Vielmehr verschieben wir die Kosten in die Zukunft und schaffen neue Probleme. Insbesondere wenn es um Kinder und Jugendliche geht.
Und wenn aus Kostengründen Kinder benachteiligt werden, deren Begleitung und Unterrichtung uns zu teuer ist; wenn Frauen benachteiligt werden, weil sie Kinder erziehen und Angehörige pflegen sollen; wenn bei Kultur und Vereinssport gestrichen wird; wenn Freiwilligendienste aufs Spiel gesetzt werden oder den Menschen in den Kommunen Lebensqualität genommen wird – dann werden wir gesellschaftlich verlieren. Auch volkswirtschaftlich wird Sachsen das spüren. Es werden die Kinder, jungen Menschen und die Frauen fehlen und mit ihnen ihre Familien. Als Region im demografischen Wandel können wir uns das nicht leisten.
Ein weiterer Aspekt ist der gesellschaftliche Zusammenhalt. Die Förderung gesellschaftlichen Zusammenhalts ist ein wichtiges Instrument, um den sozialen Frieden zu wahren. Wenn Menschen das Gefühl haben, dass der Staat sie unterstützt und ihre Bedürfnisse ernst nimmt, stärkt dies das Vertrauen in die Institutionen und fördert das Zusammengehörigkeitsgefühl. Haushaltskürzungen im sozialen und gesellschaftlichen Bereich senden hingegen das Signal, dass die Arbeit, die hier geleistet wird, nichts wert ist und hinter andere Prioritäten gestellt wird.
Darum müssen wir uns klar gegen Haushaltskürzungen im sozialen und gesellschaftlichen Bereich aussprechen und Konsolidierungsmöglichkeiten in anderen Bereichen suchen. Für Sachsen bieten sich da einige Möglichkeiten, wenn ich beispielsweise an verschiedene Baumaßnahmen denke, die ohne Not zeitlich geschoben werden könnten oder das Einsparpotenzial durch Energieeffizienzmaßnahmen in öffentlichen Liegenschaften. Auch die Frage, welche staatlichen Beteiligungen wir uns leisten wollen und können, darf nicht tabu sein. Was nicht geht, ist, dass zu Lasten gesellschaftlichen Zusammenhalts Kürzungen vorgenommen und Prioritäten falsch gesetzt werden.
Es ist unerlässlich, dass wir auch über eine gerechte Steuerpolitik nachdenken, etwa durch eine Vermögenssteuer. Steuervermeidung und -hinterziehung müssen konsequent bekämpft werden. Eine gerechte Verteilung der finanziellen Lasten ist nicht nur eine Frage der Gerechtigkeit, sondern auch der Vernunft.
Ein Sparkurs trifft Sachsens Wirtschaft, die Unternehmen, die Arbeitnehmenden und auch die Kommunen. Ein solcher Sparkurs bedroht den sozialen Frieden und gefährdet die gesellschaftliche Stabilität. Dringend benötigte Investitionen werden so der nächsten Generation aufgebürdet. Ich kann nur nochmals betonen: Solide Finanzpolitik arbeitet nicht gegen die Entwicklung des Landes. Die Einnahmeausfälle, die für dieses Jahr und die nächsten zwei Jahre prognostiziert wurden, haben eine makroökonomisch relevante Dimension. In der aktuell schwierigen Konjunkturlage ist eine Verschärfung des Konsolidierungskurses darum nicht angezeigt. Ein solcher Kurs droht die konjunkturelle Erholung zu belasten.
Unser Vorschlag war eine Anpassung der sächsischen Schuldenbremse an das Konjunkturbereinigungsverfahren des Bundes. Damit wären in den Jahren 2024 bis 2026 Kreditaufnahmen in Höhe von 400, 300 beziehungsweise 200 Millionen Euro möglich. Das würde die aktuellen Haushaltsprobleme konjunkturgerecht sehr erheblich abmildern (60 bis 98 Prozent).
Sachsens Sonderweg schadet dem Freistaat: ökonomisch und gesellschaftspolitisch. Es sollte doch endlich mal was gelernt werden im sächsischen Finanzministerium, erst recht nach den Wahlergebnissen vom Sonntag.
In einer Zeit, in der Individualismus und soziale Spaltung zunehmen, ist es wichtiger denn je, zusammenzuhalten und solidarisch zu handeln.
Keine Haushaltskürzungen im sozialen oder gesellschaftlichen Bereich – das muss unser gemeinsames Ziel sein.
Vielen Dank!