Aktuelle Debatte Pflege – Scholz: Finanzierung der Pflegeversicherung muss auf breitere Schultern gestellt werden

Redebeitrag des Abgeordneten Markus Scholz (BÜNDNISGRÜNE) zur Zweiten Aktuellen Debatte der Fraktion AfD zum Thema: „Pflege ist mehr wert!“

89. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Mittwoch 12.06.2024, TOP 2

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Damen und Herren,

ja, die Pflege ist mehr wert – sie ist wertvoll und nicht nur für unsere alternde Gesellschaft, in der unser Bundesland bald das älteste in ganz Deutschland sein wird, sondern auch für uns als Solidargemeinschaft wichtig: Verantwortungsübernahme, Hingabe, Herzlichkeit und auch sich selbst mal an die zweite Stelle rücken zu können.

In der Pflege hat sich etwas getan: Pflegekräfte werden inzwischen deutlich besser bezahlt, denn mit der Tariftreueregelung, die die Bundesregierung eingeführt hat, wurde die tarifliche Bezahlung in der Altenpflege verpflichtend. Gleichzeitig jedoch sind Pflegekräfte und wir als Entscheidungsträger mit den Themen ‚Zeitdruck, steigende Belastungen und Arbeitsgesundheit‘ konfrontiert: In der Altenpflege betragen die Krankheitstage im Schnitt über 50 Tage pro Jahr laut aktuellem DAK-Pflegereport und liegen damit deutlich über denen anderer Berufe. Um die pflegerische Versorgung auch zukünftig zu gewährleisten, sind im Pflegereport Good-Practice-Beispiele aufgeführt, dazu zählen:

  • die Durchlässigkeit des Bildungssystems zu stärken,
  • Fach- und Assistenzkräftesicherung vor Ort,
  • eine zuwanderungsoffene Personalgewinnung.

Genau dies haben wir mit unserem Koalitionsantrag zum „Fachkräftemangel in Gesundheits- und Pflegeberufen“ angestoßen. Mit diesem Antrag ist es möglich geworden, durch Nachqualifizierungen oder in berufsbegleitender Teilzeitausbildung den Abschluss zu einer qualifizierten Assistenzkraft zu erlangen.

Auch wollen wir Migrantinnen und Migranten für die Ausbildung zu staatlich geprüften Krankenpflegehelfer*innen gewinnen. Und ich erinnere noch einmal an die Debatte dazu am 9. November 2023, in der von Vertretern ihrer Fraktion behauptet wurde, dass Menschen, die nicht aus Deutschland kämen, wegen ihrer Religion und ihres „Kulturkreises“ keine Älteren in Sachsen pflegen könnten. Ihre Ressentiments, ihr Schüren von Angst und Hass ist ein ernsthaftes Versorgungsrisiko für den Pflegebereich. Aber wir werden bei unserer demografischen Entwicklung unseren Fachkräftebedarf nicht selbst decken können.

Pflege wird in Sachsen zum größten Teil zu Hause selbst organisiert. Circa 82 Prozent der Pflegebedürftigen werden ganz oder teilweise von Angehörigen oder von einem ambulanten Pflegedienst versorgt. Gerade diese Form der Pflege, zu Hause durch Angehörige, Nachbarn und mit Unterstützung durch ambulante Pflegedienste oder auch durch Tagespflege sowie Kurzzeitpflege ist der Grundpfeiler für die Versorgung unserer pflegebedürftigen Bevölkerung. Und auch hier hat die Bundesregierung mit dem Pflegeunterstützungs- und Pflegeentlastungsgesetz Leistungsverbesserungen auf den Weg gebracht.

In Sachsen haben wir uns als Koalition im Doppelhaushalt 2023/2024 für die Förderung neuer Kurzzeitpflegeplätze eingesetzt und mit der neuen Förderrichtlinie Kurzzeitpflege können bis zu 130 neue Plätze für Kurzzeitpflege geschaffen werden. Diese sind eine Entlastung für Pflegebedürftige und Pflegende, gerade nach einem Krankenhausaufenthalt, in der Urlaubszeit oder in Zeiten besonderer Belastungen.

Für den Pflegereport der DAK wurde auch eine Befragung durchgeführt und danach ist die Sicherstellung der Pflege ein gesellschaftliches Topthema. Ich möchte drei Befunde beispielhaft daraus zitieren:

  1. Die Bevölkerung ist weiterhin bereit – und zwar über alle Generationen hinweg –, sich an Aufgaben der Unterstützung und Begleitung auf Pflege angewiesener Menschen zu beteiligen.
  2. Die Bevölkerung befürchtet deutliche Mehrausgaben für die Bewältigung von Pflegebedürftigkeit. Das besorgt sie.
  3. Einkommensabhängige Leistungen (Beteiligung einkommensstärkerer Haushalte) werden von einer Mehrheit begrüßt.

Dies zeigt noch einmal ganz deutlich, dass es dringend einer Pflegereform auf Bundesebene bedarf. Die Finanzierung der Pflegeversicherung muss auf breitere Schultern gestellt werden. Für uns BÜNDNISGRÜNE heißt dies, für eine bessere und gerechtere Finanzierung zu sorgen.

Auch in unserem Bundesland können wir zeigen, dass Pflege für uns sehr wertvoll ist, beispielsweise mit einem Landespflegegesetz. Als zentrale Bausteine sehen wir dabei, die Pflegequalität und die lokalen Strukturen sowie die Bedarfsplanung der Pflegeeinrichtungen vor Ort. Und wir wollen die Gründung einer Pflegekammer in Sachsen unterstützen, damit die Selbstorganisation und die eigene Vertretung professionell Pflegender auch in Sachsen realisiert werden.

Wir sehen: Es gibt noch Stellschrauben, um die pflegerische Versorgung zu verbessern. Wir sind bereit, diesen Weg zu gehen, da die Pflege einen wichtigen gesellschaftlichen Wert hat und künftig noch mehr an Bedeutung gewinnen wird.

Vielen Dank!