Karfreitag-Tanzverbot – Hammecke: Wir BÜNDNISGRÜNE werben für gegenseitige Rücksichtnahme und Respekt

Redebeitrag der Abgeordneten Lucie Hammecke (BÜNDNISGRÜNE) zum Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE: „Gesetz zur Aufhebung des Karfreitag-Tanzverbotes im Freistaat Sachsen“ Drs 7/15948

87. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Donnerstag 02.05.2024, TOP 10

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrte Frau Präsidentin,
werte Abgeordnete,
Karfreitag ist ein sogenannter „stiller“ Feiertag. In Deutschland geht damit ein sogenannter gesetzlicher Stilleschutz mit besonderer Bedeutung einher, an den bestimmte Auflagen gebunden sind.

Und genau diese Auflagen ­–insbesondere das ganztägige Verbot von öffentlichen Tanz- und Musikveranstaltungen und anderer Vergnügungen an Karfreitag – werden hier durch den Gesetzesentwurf der Linken, meiner Meinung nach auch zurecht, nach ihrem zeitgemäßen Charakter hinterfragt.

Um eins aber vorweg klarzustellen: Es darf in dieser Debatte nicht darum gehen, Religion oder deren Ausübung eine weniger wichtige Bedeutung zuzusprechen. Denn Religion vermittelt vielen Menschen Halt. Religion gibt vielen Menschen Gemeinschaft. Auch 2024. Und sie ist zurecht sowohl im Grundgesetz als auch in der Sächsischen Verfassung besonders geschützt.

Es geht mir vielmehr darum, einen Ausgleich zu finden. Es muss darum gehen, die sächsische Gesellschaft UND den gesellschaftlichen Wandel im Lauf der Zeit näher und besser abzubilden.

Die Linke ist ja zur Genüge drauf eingegangen – sowohl mit Blick auf die Statistik der Kirchenaustritte, als auch mit Blick auf die geringe Anzahl der Konfessionsgebundenen in Sachsen. Auch wenn – und das gehört zur Wahrheit – dies hier sehr konkret mit der repressiven Vorgehensweise in der DDR gegen Mitglieder christlicher Kirchen und Religionsgemeinschaften zu tun hat, hat Religion für viele Menschen in Sachsen im Jahr 2024 mittlerweile eine veränderte Bedeutung.

Nun wird jedoch an Karfreitag mit einem (und das möchte ich betonen) ganztägigen Verbot der Durchführung von öffentlichen Tanzveranstaltungen und anderen öffentlichen Vergnügungen nicht-gläubigen Menschen eine gesellschaftlich anerkannte und geschätzte Freizeitaktivität quasi genommen, obwohl diese gar keinen religiösen Glauben innehaben, auf den dieses Verbot aufbaut.

Werte Kolleg*innen,
ein so striktes allgemeines, ganztägiges Verbot an Karfreitag wird von immer mehr Menschen heutzutage als Relikt empfunden. Dabei möchte ich aber betonen: Die Rücksichtnahme auf diese gesellschaftlichen Entwicklungen und Vielfalt – stehen der Rücksichtaufnahme auf religiöse Praxis, dem Respekt und der Achtung vor dem stillen Feiertag „Karfreitag“ nicht entgegen.

Vielmehr möchten wir BÜNDNISGRÜNE für die gegenseitige Rücksichtnahme, den gegenseitigen Respekt werben.

Denn nein – es gibt kein Grundrecht auf Feiern. Das möchte auch niemand behaupten. Aber es gibt ein Grundrecht auf allgemeine Handlungsfreiheit. Und dieses wird durch das Verbot von öffentlichen Tanzveranstaltungen und anderen öffentlichen Vergnügungen, die dem ernsten Charakter „des Karfreitags“ zuwiderlaufen eingeschränkt.

Dabei wird dem Schutz von religiösen Veranstaltungen und dem Grundrecht auf ungestörte Religionsausübung nach Art. 4 Absatz 2 Grundgesetz bereits in § 5 des Sächsischen Feiertagsgesetz mit einem Verbot störender Veranstaltungen in der Nähe von Gotteshäusern Sorge getragen.

Werte Abgeordnete,
eine Komplettabschaffung des Tanzverbotes am Karfreitag, wie es der Gesetzentwurf der Linksfraktion vorschlägt, ist – wie sie wissen – nicht mehrheitsfähig. Auch wir werden den Gesetzentwurf ablehnen.

Wir BÜNDNISGRÜNE möchten jedoch grundsätzlich für eine stärkere Abwägung zwischen den Rechten der christlichen Gläubigen und denen der Konfessionslosen und Andersgläubigen werben, möchten für eine Liberalisierung in diesem Bereich plädieren.

Um eben der gesellschaftlichen Entwicklung und Liberalisierung – und damit einhergehenden auch anderen Blickwinkeln auf gewisse, auch historisch kulturell gewachsene Regelungen – Rechnung zu tragen.

Und wir sehen es an anderen Bundesländern (Berlin, Bremen, Hamburg, Schleswig-Holstein); Kompromisse wie eine Verständigung über eine Verkürzung des Zeitfensters des Verbots – praktisch könnte das bedeuten, dass das Verbot erst in den frühen Morgenstunden greift oder irgendwann abends endet – sind durchaus möglich und gesellschaftlich unproblematisch. Dafür möchten wir in dieser Debatte werben.

Wir lehnen den Gesetzentwurf ab. Vielen Dank.