Corona-Pandemie – Scholz: Handlungsleitend war der Gesundheitsschutz aller

Redebeitrag des Abgeordneten Markus Scholz (BÜNDNISGRÜNE) zur Großen Anfrage der Fraktion AfD: „Evaluation des Regierungs- und Behördenhandelns während der Corona-Krise“ Drs 7/13581

86. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Donnerstag, 21.03.2024, TOP 7

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Damen und Herren,

246 Fragen zum Regierungs- und Behördenhandeln während der Corona-Pandemie – und da stellt sich mir die Frage: Warum diese Große Anfrage, wenn für Ihren Abgeordneten, Herr Kuhnert, doch bereits feststeht, dass die Bevölkerung mit der „Corona-Diktatur“ und „ominösen Spritzen drangsaliert und ihrer Gesundheit beraubt worden ist“? Im Titel der Großen Anfrage ist die Rede von der „Corona-Krise“. Rein medizinisch betrachtet hat das SARS-CoV-2-Virus eine Pandemie und zwar nicht nur in Sachsen oder Deutschland, sondern weltweit ausgelöst: keine Krise, sondern eine Pandemie.

Schauen wir zurück auf die Zeit der Pandemie auf die Zeit, als uns ein neuartiges Virus mit vielen Erkrankten und Schwererkrankten konfrontierte.

Handlungsleitend war der Gesundheitsschutz aller und daher wurden die Corona-Schutzmaßnahmen immer zu einem bestimmten Zeitpunkt entsprechend der pandemischen Lage und der zum jeweiligen Zeitpunkt verfügbaren Erkenntnisse aus Wissenschaft und Forschung ergriffen. Die Maßnahmen wurden auf Verhältnismäßigkeit geprüft und entsprechend bei veränderter Lage angepasst.

Wir BÜNDNISGRÜNE haben uns während der gesamten Pandemie dafür eingesetzt, einen Ausgleich zwischen den notwendigen Schutzmaßnahmen auf der einen und der Sicherstellung der Bürgerrechte auf der anderen Seite zu finden.

In Sachsen hatten wir im Bundesvergleich oft die höchste Zahl von Infizierten, die Krankenhausbetten und insbesondere die Intensivbetten waren von Überlastung bedroht. Zeitweise kam es sogar zu einer Überlastung, sodass Patient*innen in andere Bundesländer verlegt werden mussten.

Ein weiterer Fakt war und ist, dass die Impfquote der Corona-Schutzimpfung in Sachsen im Bundesvergleich am niedrigsten ist. Dies wurde bei den jeweiligen Corona-Schutz-Verordnungen berücksichtigt.

Wie mehrfach in den Antworten der Staatsregierung deutlich wird: Die Feststellung der Verhältnismäßigkeit kann nicht im Nachhinein erfolgen. Sie muss sich an Entwicklungen und Erkenntnissen zu einem bestimmten Zeitpunkt messen lassen. Insgesamt gab es in Sachsen vergleichsweise kurze Zeiten mit vollständigen Kita- und Schulschließungen.

Wir BÜNDNISGRÜNE haben stets aufs Neue abgewogen: zwischen dem Infektions- und Gesundheitsschutz und dem Recht auf Bildung und Teilhabe. Uns ging es um eine gute Balance: aus Schutz- und Hygienemaßnahmen auf der einen und der Ermöglichung von sicherer Präsenzlehre und sozialer Interaktion auf der anderen Seite. Wichtig war uns dabei, diejenigen in den Fokus zu nehmen, für die die Situation besonders schwer war: beispielsweise Kinder und Jugendliche und eben nicht Masken- und Impf-Gegner! Ich denke an Familien mit vorerkrankten Angehörigen, an Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf, an junge Menschen, die keinen Zugang zum eilig eingerichteten Online-Unterricht hatten, weil sie kein eigenes Zimmer, keinen Schreibtisch und erst recht nicht pro Kind einen Laptop oder Smartphone hatten. Zur Lage dieser Familien hat die AfD jedoch keine weiteren Fragen gestellt. Stattdessen werden lieber weiterhin Test- und Maskenpflichten skandalisiert.

Was war aus unserer Sicht gut: Das Corona-Aufholprogramm war ein guter Ansatz zur richtigen Zeit. Außerdem: Die stärkere Berücksichtigung der Belange vor Ort, sowohl bei der Entscheidung zum Infektionsschutz während der Pandemie, als auch danach, bei der Wahl von schulischen und außerschulischen Angeboten für die Schüler*innen. Oder die Servicestelle für besondere Bildungsangebote im Landesamt für Schule und Bildung, das flexible Lernbudget, die Ausweitung der Schulpsychologie. Auch der Digitalisierungsschub war ein Ergebnis der Corona-Zeit.

Die Pandemie hat nicht nur die Lebenssituation und das Wohlergehen vieler Kinder und Jugendlichen beeinträchtigt, sondern auch deutlich gemacht, dass viele von ihnen bereits vor der Pandemie bessere Unterstützungsangebote gebraucht hätten. Die sozialen Systeme waren bereits vor der Pandemie kaum in der Lage, zeitnah auf psychosoziale Beeinträchtigungen junger Menschen zu reagieren.

Diese Erkenntnisse gilt es konstruktiv zu nutzen. Unser Ziel muss es sein, Kindern und Jugendlichen ein gesundes Aufwachsen und eine gute Zukunft auch in krisenhaften Zeiten zu ermöglichen.

Dazu müssen wir präventive Maßnahmen und psychosoziale Unterstützungsangebote in Sachsen nachhaltig stärken. Unterstützungsangebote müssen für Kinder und Jugendliche schneller und einfacher zugänglich sein, zum Beispiel durch die Schaffung zusätzlicher Beratungsstellen und die Erweiterung bestehender Online-Angebote.

Im Bereich des Öffentlichen Gesundheitsdienstes wurde während der Pandemie viel geleistet, mit der Aufnahme der Infektionsmeldung, über die Kontaktnachverfolgung bis hin zu Quarantäne- beziehungsweise Absonderungsbescheiden. Hier wurde deutlich sichtbar, welche Defizite in Personal- und Technikausstattung im Öffentlichen Gesundheitsdienst bestehen. Durch den Pakt für den Öffentlichen Gesundheitsdienst wurde die Personalbesetzung in den Gesundheitsämtern erhöht und die Digitalisierung durch die technische Ausstattung und digitale Arbeitsprozesse weiterentwickelt.

Im Zuge der Corona-Pandemie ist die Zahl der Fälle von häuslicher Gewalt gestiegen – Ursachen: Isolation Zuhause, wenig soziale Kontakte, Frustration. Der Kampf gegen häusliche Gewalt ist aber eine Daueraufgabe, nicht nur im Rahmen einer Pandemie. Wir wollen die Beratungs- und Hilfsangebote kontinuierlich weiter ausbauen und verbessern. Deshalb fordern wir auch ein Landesgewaltschutzgesetz, welches landesweit einheitliche Rahmenbedingungen für den Gewaltschutz schaffen soll, damit Gewalt nachhaltig wirksam bekämpft und Betroffenen bedarfsgerechter Schutz und Unterstützung geboten werden kann.

Auf eine Pandemie von diesem Ausmaß waren wir nicht vorbereitet, so fehlte Personal in medizinischen Einrichtungen, um Erkrankte zu versorgen, in den Gesundheitsämtern ebenso, um Infektionsketten nachzuverfolgen oder das Personal, um Anträge auf Entschädigungszahlungen nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) zu bearbeiten. Die hohe Anzahl an Anträgen auf Entschädigung nach § 56 IfSG wurde von der Landesdirektion Sachsen versucht, zeitnah abzuarbeiten. Daher ist es gut, dass Anträge noch bis 2025 gestellt werden können.

Ein Rückblick und eine Reflexion dieser Ausnahmesituation ist erforderlich, damit wir für die Zukunft im Falle von Pandemien oder anderen Extremereignissen so aufgestellt sind, dass Erfahrungen einfließen können. Der Blick von Expert*innen wie auch die Kenntnisse in den bereits erwähnten Studien zu Kindern und Jugendlichen und Erfahrungen aus dem Bürgerrat Forum Corona sind hierbei sinnvoll und geben Empfehlungen für einen künftigen Umgang mit Ausnahmesituationen wie der Corona-Pandemie.