Wohnteilhabegesetz – Čagalj Sejdi: Wichtiger Schritt in Richtung einer selbstbestimmten Lebensgestaltung
Redebeitrag der Abgeordneten Petra Čagalj Sejdi (BÜNDNISGRÜNE) zum Gesetzentwurf der Staatsregierung: „Gesetz zur Reform des Sächsischen Heimrechts“ (Drs 7/14987)
85. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Mittwoch 20.03.2024, TOP 11
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrter Präsident,
werte Kolleginnen und Kollegen,
mit dem Wohnteilhabegesetz gehen wir einen wichtigen Schritt in Richtung einer selbstbestimmten Lebensgestaltung für Pflegebedürftige, Menschen mit psychischen Erkrankungen und Menschen mit Behinderungen. Auch bei Pflegebedürftigkeit wollen die Menschen so lange wie möglich im eigenen Zuhause wohnen.
Das Wohnteilhabegesetz schafft genau dafür die notwendigen Voraussetzungen. Es eröffnet Wege zu gemeinschaftlichen Wohnformen und ambulant betreuten Wohngemeinschaften, um den individuellen Bedürfnissen und Wünschen gerecht zu werden und ein Mehr an Selbstständigkeit und Eigenständigkeit zu ermöglichen.
Damit berücksichtigen wir die Anliegen der Behindertenrechtskonvention und setzen den mit dem Bundesteilhabegesetz begonnenen Paradigmenwechsel in der Eingliederungshilfe für den Freistaat um.
Ein Kernanliegen des Wohnteilhabegesetzes ist die Stärkung des Selbstverständnisses und der Stellung der Bewohnerinnen und Bewohner innerhalb der ambulant betreuten Wohngemeinschaften – um ihnen ein selbstbestimmtes und würdevolles Leben als Teil der Gesellschaft zu sichern.
Die Regelungen im Sächsischen Wohnteilhabegesetz greifen den Wechsel zu einer aktiven Teilhabe der betreuten Menschen am Leben in Einrichtungen und ambulant betreuten Wohngemeinschaften auf. Die explizite Verankerung der Mitwirkungsrechte der Bewohnerinnen und Bewohner im Wohnteilhabegesetz ist ein klares Bekenntnis dazu, diese Rechte zu stärken und auszubauen. Die Erweiterung der Bewohner*innenvertretung um weitere Personen ist ein weiterer Schritt, um sicherzustellen, dass die Stimmen der Bewohnerinnen und Bewohner Gehör finden und ihre Interessen angemessen vertreten werden.
Ein für uns besonders wichtiger Aspekt des Gesetzes ist der Schutz der Bewohnerinnen und Bewohner vor Missbrauch, Ausbeutung, Gewalt und Diskriminierung. Die explizite Aufnahme in § 11 SächsWTG ist ein klares Bekenntnis zu den völkerrechtlichen Vorgaben der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) – vor allem in Bezug auf die Umsetzung des Gewaltschutzgrundsatzes. Mit dem Wohnteilhabegesetz wird es verpflichtend, ein Konzept zu erstellen und eine verantwortliche Person für die Aufstellung und Umsetzung der Gewaltschutzmaßnahmen zu benennen. Dies ist ein wichtiger Schritt zur Gewährleistung einer sicheren und unterstützenden Umgebung für alle.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist der verstärkte Schutz der Bewohnerinnen und Bewohner als Verbraucher:innen, konkret die Erweiterung von Informations- und Beratungspflichten.
Ältere und pflegebedürftige Menschen, Menschen mit Behinderungen sowie ihre Angehörigen haben einen Anspruch darauf, durch die zuständige Heimaufsichtsbehörde beraten oder informiert zu werden. In Zukunft haben die Heimaufsichtsbehörden zudem die Möglichkeit, auch ambulant betreute Wohngemeinschaften zu prüfen.
Ein weiterer wichtiger Schritt ist: Träger und Leistungserbringer sind nun verpflichtet, über ihr Leistungsangebot zu informieren. So kann sichergestellt werden, dass jede Person die für sie passende Unterstützung findet.
Außerdem sind Träger oder Leistungsanbieter darüber hinaus verpflichtet, das Ergebnis der letzten wiederkehrenden Prüfung der zuständigen Heimaufsichtsbehörde in der Einrichtung zur Einsichtnahme vorzuhalten. Damit wird für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen Transparenz sichergestellt.
Angesichts des demografischen Wandels stehen wir vor einer zunehmenden Herausforderung: Wir werden in Sachsen immer älter und mit steigendem Alter steigt auch der Bedarf an intensiver Betreuung und Pflege.
Mit dem Wohnteilhabegesetz reagieren wir auf diese Entwicklung, indem wir rechtliche Grundlagen für die adäquate Betreuung in Intensiv-Pflege-Wohngemeinschaften schaffen und die Qualitätssicherung durch die Heimaufsichtsbehörde stärken.
Zusätzlich zum steigenden Bedarf fehlt es an Nachwuchskräften in den Pflegeberufen, wodurch sich die Personalsituation in Einrichtungen und ambulant betreuten Wohngemeinschaften verschärfen wird. Mit dem Personalbemessungsinstrument setzen wir in der Pflege auf Lösungen, die den tatsächlichen Pflegebedarfen und Bedürfnissen der Bewohnerinnen und Bewohner je nach Pflegegrad gerecht werden, anstatt auf starre Fachkräftequoten zu setzen. Das Gesetz ermöglicht damit eine flexible, bedürfnisorientierte Personaleinsatzplanung.
Das Wohnteilhabegesetz ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung: hin zu einer inklusiven Gesellschaft – zu einer Gesellschaft, in der jeder Mensch ein selbstständiges und würdevolles Leben führen kann.
Vielen Dank!