Wärmewende – Gerber: Für den Umstieg auf klimafreundliche Wärme werden zukünftig bis zu 70 Prozent der Investitionskosten förderfähig

Redebeitrag des Abgeordneten Dr. Daniel Gerber (BÜNDNISGRÜNE) zum Antrag der Fraktion AfD: „Keine Heizung ist illegal“ (Drs 7/13542)
73. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Donnerstag, 06.07.2023, TOP 2

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

was sie hier wieder vorlegen, ist Populismus pur. Schon allein wenn ich den Antragstitel lese, muss ich brechen. Es ist einfach widerlich. Dieser Titel ist der Ausdruck purer Menschenverachtung und Häme gegenüber Schutzsuchenden. Sie sind sich nicht zu Schade, den Namen einer Initiative, die sich seit 1997 weltweit für Menschen einsetzt, denen das Recht abgesprochen wird, überhaupt Rechte zu haben, in den Dreck zu ziehen. Sie sollten sich schämen. Sie setzen sich lieber für den Erhalt von Gasheizungen ein als für das Überleben von Geflüchteten. Wo es nur geht, versuchen sie Ihre Sucht nach Verbrennung zu befriedigen egal, ob beim Diesel, der Gasheizung, Nord Stream oder der Braunkohle. Mich erschleicht regelrecht der Verdacht, dass sie CO2-abhängig sind. Am besten sie lassen das behandeln, bevor das noch schlimmer wird. Ich empfehle kalten Entzug.

Aber klar, als Partei die den menschengemachten Klimawandel leugnet, kann man es sich an dieser Stelle sehr einfach machen. Die gestrige Debatte zum Klimaschutz hat daher auch wieder gestrotzt vor Falschaussagen zum Klimawandel. Wissenschaftsleugnung vom Feinsten war das. Man ist sich nicht zu fein, die Erfolge der Forschung zu nutzen, wenn es zum Beispiel darum geht, hochkomplexe Satellitennavigationssysteme zu verwenden, Musik zu streamen oder täuschend echte, aber KI-generierte Bilder von wütenden Mobs (Migrationshintergund) im Internet zu verbreiten und noch damit zu rechtfertigen, dass sie „Stereotype bedienen”. Sie suchen sich die Wissenschaft aus, wie sie in Ihr Weltbild passt. Von daher möchte ich Ihnen gern etwas von der Wissenschaft präsentieren, die Sie diskreditieren und die die Begründung für die jetzt endlich stattfindende Wärmewende bildet. Ich hab da ehrlich gesagt wenig Hoffnung, dass sie Ihre Meinung ändern, aber ich hoffe, es macht für alle anderen die Dimension des Problems noch mal greifbarer.

Die Menge des Treibhausgases CO2 in der Atmosphäre ist heute wahrscheinlich höher als jemals zuvor in den vergangenen drei Millionen Jahren. Diese riesige Menge an Treibhausgasen, die in wenigen Jahrzehnten durch fossile Brennstoffe hinzugekommen ist, bewirkt in der Atmosphäre, dass weniger Energie von der Erde wieder abgestrahlt werden kann als sie aufnimmt. Daten der CERES-Mission der NASA haben jetzt berechnet, dass sich die Erde deswegen in den vergangenen zwölf Monaten durchschnittlich um 14,6 Hiroshimabomben pro Sekunde erwärmt. Das hat wiederum zur Folge, dass der Temperaturrekord, den Kollegin Mertsching gestern erwähnt hat, nochmal gerissen wurde und mit 17,18°C einen neuen Höchststand erreicht hat. Ganze 1,64 °C mehr als im IPCC-Referenzzeitraum von 1850-1900. Und das hat wiederum zur Folge, dass wir aktuell die größte jemals gemessene Meereisanomalie, also den Unterschied, wieviel Eis da ist und wieviel eigentlich da sein müsste, in der Antarktis beobachten müssen. Ein absolutes Freak Event, was statistisch nur einmal in mehr als sieben Millionen Jahren auftritt. Für die Mathematiker*innen unter Ihnen: Das sind mehr als 6,17 Standardabweichungen zum Vergleichszeitraum 1981-2010.

Weil die ganze Welt schon 2015 erkannt hat, dass das doch ein beträchtliches Problem sein könnte, haben 195 Länder das Pariser Klimaabkommen unterzeichnet. Vier Jahre später hat es dann auch die damalige Bundesregierung endlich geschafft ein Klimaschutzgesetz zu verabschieden. Leider wurden dann die Ziele dieses Gesetzes 2021 verfehlt. Der Expertenrat für Klimafragen hat die Anstrengungen damals als ungenügend und weitgehend wirkungslos eingeschätzt. Im März 2021 hat dann das Bundesverfassungsgericht das Klimaschutzgesetz für „mit den Grundrechten unvereinbar” erklärt. Das hatte wiederum zur Folge, dass das Klimaschutzgesetz novelliert wurde. Selbstverständlich hat man sich damals weiterhin um die konkreten Maßnahmen zur Erreichung der Ziele gedrückt. Das hatte natürlich die Folge, dass erneut die Ziele aus dem KSG im Gebäudesektor verfehlt wurden.

Jetzt haben wir endlich ein Gesetz vorliegen, das endlich Wärmewende macht. Es bietet eine echte Chance, dass auch die Ziele, beschlossen durch die Vorgängerregierung, erreicht werden können. Und es findet breite Zustimmung vom BDEW bis zum Zentralverbands des deutschen Handwerks.

Neue Heizungen ab 2024 werden schrittweise klimafreundlich sein müssen. Damit ist das Ende des fossilen Heizungszeitalters eingeläutet und die Wärmewende nimmt endlich Gestalt an.

Das Gesetz wird insgesamt noch sozialer. Für den Umstieg auf klimafreundliche Wärme werden zukünftig bis zu 70 Prozent der Investitionskosten förderfähig sein. Neben einer Grundförderung wird es dabei Boni für besonders schnelles Umrüsten, aber natürlich auch für einkommensschwächere Haushalte geben. Mieter*innen werden in besonderer Weise vor zu hohen Kostensteigerungen geschützt.

Die individuelle Heizungsplanung soll zukünftig eng mit der kommunalen Wärmeplanung verzahnt werden. Das heißt konkret, dass die Entscheidung, welche klimafreundliche Wärmequelle genutzt werden soll, noch besser an den Gegebenheiten vor Ort ausgerichtet werden kann. Wird beispielsweise ein Wärmenetz geplant, kann man dieses perspektivisch nutzen. Damit wird Planbarkeit und Verlässlichkeit für Bürger*innen, Kommunen und Unternehmen geschaffen.

Die Anforderungen bezüglich des Heizens mit Wasserstoff sind aus Gründen des Verbraucher*innenschutzes zu Recht hoch und gleichermaßen realistisch angelegt.
Nur, wenn es im Rahmen der kommunalen Wärmeplanung eine verbindliche Vereinbarung zwischen Kommune und Gasversorgern gibt, können Gasheizungen verbaut und später mit Wasserstoff betrieben werden. Grüner Wasserstoff wird aber auf absehbare Zeit knapp und vor allem sehr teuer sein. Einen flächendeckenden Einsatz von Wasserstoff in Heizungen wird es aus unserer Sicht nicht geben. Wir begrüßen daher, dass es eine Pflicht zur individuellen Beratung vor dem Einbau von Verbrennungsheizgeräten geben wird, um Fehlinvestitionen und hohen Kosten vorzubeugen.

Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen,
ich möchte gern mit den Worten aus dem Manifest der Initiatoren der Initiative „kein Mensch ist illegal” von 1997 schließen, die auch nach 25 Jahren aktueller nicht sein könnten. Ich bin mir sicher, dass sie den Antragstitel einfach nur gewählt haben, um zu provozieren, ohne sich mit der dahinterstehenden Geschichte auseinander gesetzt zu haben und zu wissen, was sie damit sagen:

„Im Kampf gegen Rassismus wird es immer wichtiger, MigrantInnen in ihren Kämpfen gegen Illegalisierung und für ihr Recht, überhaupt Rechte zu haben, politisch und praktisch zu unterstützen. Jeder Mensch hat das Recht, selbst zu entscheiden, wo und wie er leben will. Der Regulierung von Migration und der systematischen Verweigerung von Rechten steht die Forderung nach Gleichheit in allen sozialen und politischen Belangen entgegen, nach der Respektierung der Menschenrechte jeder Person unabhängig von Herkunft und Papieren.”

Wir werden Ihren Antrag selbstverständlich ablehnen.